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Extraktion (Verfahrenstechnik)



    Extraktion (von lat. extrahere „herausziehen“) ist ein physikalisches Stofftrennverfahren, bei dem mit Hilfe eines Extraktionsmittels (ein Lösemittel, gegebenenfalls erwärmt) eine Komponente aus einem festen oder flüssigen Stoffgemisch gelöst wird: Das Lösungsmittel zieht den in ihm besser löslichen Stoff aus dem Gemisch.

In Chemie und Pharmazie nennt man Extrakt die durch verschiedene Verfahren herausgelösten und konzentrierten Wirkstoffe pflanzlicher und tierischer, d. h. organischer Substanzen, die mittels Lösungsmitteln wie Wasser, Alkoholen oder Ölen gewonnen werden. Man wendet Extrakte in Medikamenten, Arzneimitteln, in Kosmetika, Nahrungsmitteln und anderen Produkten an. Die gelöste Komponente findet sich dann im Extraktionsmittel wieder: So gewinnt man zum Beispiel duftendes Rosenöl aus Rosenblüten und Extraktionsmitteln, Kaffee und Tee aus gerösteten und gemahlenen Kaffeebohnen (bzw. Teeblättern) und heißem Wasser oder auch Iod aus Iodwasser und n-Hexan.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

Organisch-chemische Industrie

Extraktion wird immer dann angewendet, wenn Destillation oder Rektifikation aus technischen Gründen nicht in Frage kommen oder das Extraktionsverfahren kostengünstiger ist. Dies kann der Fall sein, wenn

  • die Wertkomponente vor dem Erreichen der Siedetemperatur des Gemisches zerfällt und man nicht bei vermindertem Druck destillieren möchte. Daher werden hitzeempfindliche Substanzen wie Antibiotika oder Naturstoffe extrahiert.
  • das Gemisch ein Azeotrop aufweist und man nicht spezielle Rektifikationsverfahren wie die Extraktivrektifikation oder das Zweidruckverfahren anwenden möchte. BTX-Aromaten werden daher häufig aus ihren Gemischen extrahiert.
  • die Siedetemperaturdifferenz zwischen den bzw. die Relative Flüchtigkeit der zu trennenden Komponenten sehr klein ist.

Anorganisch-chemischen Industrie

  Die Metallsalzextraktion ist ein wichtiges und unersetzbares Verfahren um beispielsweise Titandioxid, TiO2 zu gewinnen oder um Bauxiterz vom Eisenhydroxid zu befreien. Bauxit ist ein Mineral (natürliches Stoffgemisch), das viel Aluminium- und Eisen-Hydroxide und -Oxide enthält. Das beim Erz-Aufschluss in Natronlauge gelöste Aluminiumhydroxid kann dann aus der Aluminatlauge vom Rotschlamm (Eisenhydroxid) gereinigt zurückgewonnen und durch Brennen und Elektrolysieren in Aluminium umgewandelt werden. Der Aufschluss- und Extraktionsvorgang der Aluminiumverbindungen im Bauxit ist hier mit der chemischen Reaktion des Aluminiumhydroids mit der Natronlauge zur Aluminatlauge gekoppelt (Komplexbildungsreaktion).

Pharmazie

Die Zubereitung von pharmazeutischen Drogen, also Arzneimitteln mittels Extraktion der Inhaltsstoffe aus Heilpflanzen ist ein zentrales Gebiet der Pharmazie. In der pharmazeutischen Technologie werden verschiedene Verfahren angewandt. z. B. Mazeration, Dimazeration, Digestion, Re-/Perkolation, Soxhletverfahren, Turbo- (Wirbel), Ultra-Turrax-, Ultraschall- und Gegenstrom- Extraktion.

 

Lebensmittelindustrie

Das mengenmäßig größte Gebiet ist die Gewinnung von Speiseölen aus Ölsaaten durch Pressung und Extraktion mit Hexan. Ein neueres Extraktionsverfahren ist die Hochdruckextraktion mit überkritischen Gasen. Gase nehmen bei hohen Drücken und Temperaturen einen Zustand ein, der weder dem eines Gases noch dem einer Flüssigkeit entspricht, diesen Bereich nennt man überkritisch. Mit überkritischem CO2 werden Extrakte aus Lebensmitteln gewonnen oder unerwünschte Stoffe extrahiert: Koffein aus Kaffeebohnen, Hopfenharze aus Hopfen, Nikotin aus Tabak, Aromen sowie Farbstoffe und Inhaltsstoffe aus verschiedensten Gewürzstoffen, Gewürzpflanzen und Naturstoffen. Mit überkritischem CO2 kann aber auch der umgekehrte Vorgang, das Imprägnieren, erfolgen. Dafür wird ein festes Ausgangsmaterial mit den im überkritischem CO2 gelösten Substanzen kontaktiert, wodurch die Imprägniersubstanzen in sämtliche Poren des Feststoffes eindringen. Durch langsames Entspannen verliert das überkritische CO2 die Lösefähigkeit und die Imprägniersubstanzen verbleiben gleichmäßig verteilt im Feststoff zurück. Dieses Verfahren wird industriell bereits in einer Großanlage in Dänemark zum Imprägnieren von Holz angewandt. Auch beschäftigen sich diverse Forschungseinrichtungen mit dem Färben von Stoffen, wofür eigene Farbstoffe entwickelt wurden, die eine gute Löslichkeit im überkritischem CO2 aufweisen.

Biotechnologie

Da Proteine durch die meisten organischen Lösungsmittel denaturiert werden, setzt man in der Biotechnologie wässrige 2-Phasensysteme für die Extraktion ein. Das Prinzip beruht auf der Mischung zweier Lösungen, welche zwei getrennte Phasen ausbilden. Beispiele hierfür sind Polyethylenglykol- (PEG) und Dextranlösungen oder das PEG/Salz-System. Das Produkt löst sich entsprechend seinem Verteilungskoeffizienten unterschiedlich in den beiden Phasen.

Durchführung

Extraktion beruht auf den unterschiedlichen Löslichkeiten der zu trennenden Komponenten und geschieht im Wesentlichen in vier Schritten.

  1. Gemisch und Lösungsmittel werden intensiv durchmischt um eine möglichst große Oberfläche für den Stoffübergang zu schaffen.
  2. Die Wertkomponente aus dem Gemisch löst sich teilweise im Lösungsmittel (Einstellung eines Gleichgewichts).
  3. Die beiden Lösungsmittelphasen müssen eine Mischungslücke aufweisen, damit es zu einer Phasentrennung kommt. Die Raffinatphase (primäres Lösungsmittel) und die Extraktphase (sekundäres Lösungsmittel), die nun einen Teil des zu extrahierenden Stoffs enthält, werden so in einem Abscheider durch ihre (möglichst große) Dichtedifferenz getrennt.
  4. Das sekundäre Lösungsmittel, welches die Übergangskomponente in sich angereichert hat, kann jetzt beispielsweise durch Rektifikation aufbereitet werden, um das reine Extrakt zu erhalten und das Extraktionsmittel wieder zu gewinnen.

Technische Umsetzung

Bei Anwendungen im Labor werden häufig Scheidetrichter verwendet. Aufgrund der häufig konischen Verlaufs am Ausguss kann hierdurch auch manuell eine gute Trennung erreicht werden. Im großtechnischen Bereich werden sogenannte Mixer-Settler (Mischabsetzer) verwendet, wobei die Flüssigkeiten nach der Durchmischung in ein weiteres Gefäß überführt werden und sich dort absetzen können. Dadurch ist es möglich in einem oder mehreren Schritten unterschiedliche große Flüssigkeitsmengen zu handhaben. Die Anzahl der theoretischen Trennstufen lässt sich mit Hilfe des sogenannten Polstrahlverfahrens manuell abschätzen.

In der industriellen Anwendung kommen kontinuierliche Extraktionsverfahren zur Anwendung.

Einflüsse auf die Extraktion

Das Extraktionsgut sollte eine große Oberfläche aufweisen, da sie der extrahierenden Stoffmenge proportional ist. Bei Feststoffextraktion sollte das Extraktionsgut zerkleinert werden, bei der Flüssigextraktion erreicht man eine große Oberfläche durch intensives Rühren, wobei die Flüssigkeiten in kleine Tröpfchen zerteilt werden und dadurch eine große Oberfläche bieten.

Es sollte immer ein großer Konzentrationsunterschied zwischen dem Extrakt im Extraktionsgut und Lösemittel bestehen, da er die treibende Kraft beim extrahieren ist. Er wird erreicht durch:

  • Häufiges Austauschen des beladenen Lösemittel (Solvent) durch frisches Lösemittel.
  • Schnelles Wegführen des gelösten Extraktes von der Oberfläche des Extraktionsgutes.

Der Diffusionswiderstand wirkt dem extrahieren entgegen. Er ist von der Größe und Porösität der Teilchen im Extraktionsgut abhängig und sollte möglichst gering sein.

Eine hohe Temperatur begünstigt die Extraktion, da die stärkere Wärmebewegung und die niedrigere Viskosität des Lösemittels das Herauslösen des Extraktes beschleunigen.

Anforderungen an das Lösemittel

Das Lösemittel zur Extraktion sollte selektiv gewählt werden. Das heißt es sollte hauptsächlich nur den Extrakt aus dem Extraktionsgut herauslösen. In der Praxis ist das jedoch nur schwer möglich und so kommt es oft zum Herauslösen mehrerer Bestandteile, die dann durch nachgeschaltete Trennverfahren getrennt werden müssen.

Das Extraktionsmittel muss dem Extrakt gegenüber inert sein.

Um die Extraktion möglichst schnell ablaufen zu lassen, sollte das Lösemittel den Extrakt schnell lösen und eine große Extraktmenge aufnehmen können.

Ein niedriger Siedepunkt des Lösemittels begünstigt dessen Rückgewinnung aus der Extraktlösung. Der Energieaufwand wird dadurch gering gehalten.

Das Lösemittel sollte nicht brennbar, giftig, korrodierend und umweltgefährdend sein.

Bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion sollte zudem zwischen dem Extraktionsgut und dem Extraktionsmittel ein genügend hoher Dichteunterschied sein, um das Abtrennen beider Phasen zu ermöglichen. Die Polarität des Lösemittels zum Extraktionsgut muss unterschiedlich sein, damit sich die Stoffe nicht ineinander lösen.

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Extraktion_(Verfahrenstechnik) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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