Zweidimensionalen Materialien beim Wachsen zusehen

30.08.2018 - Österreich

Atomar dünne Kristalle werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen – aber wie genau lässt sich der Kristallisationsprozess steuern? Eine neue Methode eröffnet nun neue Möglichkeiten.

Copyright: TU Wien

Zunächst ordnen sich die Atome eher zufällig auf der Graphen-Oberfläche an (links), nach Behandlung mit dem Elektronenstrahl werden sie zum Kristall.

Wie entstehen die dünnsten Strukturen, die es gibt? Als „zweidimensionale Materialien“ bezeichnet man Kristalle, die nur aus einer oder wenigen Schichten von Atomen bestehen. Sie zeigen oft ungewöhnliche Eigenschaften, die viele neue Anwendungen in Optoelektronik und Energietechnik versprechen. Eines dieser Materialien ist 2D-Molybdändisulfid, eine atomar dünne Schicht aus Molybdän- und Schwefelatomen.

Die Herstellung solcher ultradünner Kristalle ist schwierig: Die Art, wie die Molybdän- und Schwefelatome auskristallisieren, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Bisherige Verfahren lieferten ganz unterschiedliche Ergebnisse, ohne dass man die Gründe dafür genau erklären konnte. Durch eine neue Methode, die von Forschungsteams der TU Wien, der Universität Wien und Joanneum Research in der Steiermark entwickelt wurde, ist es nun erstmals möglich, den Kristallisationsprozess unter dem Elektronenmikroskop direkt zu beobachten.

Vom Gas zum Kristall

„Molybdändisulfid kann in durchsichtigen und biegsamen Solarzellen oder auch in der nachhaltigen Erzeugung von Wasserstoff zur Energiespeicherung verwendet werden“, erklärt Bernhard C. Bayer vom Institut für Materialchemie der TU Wien, der Erstautor der Studie. „Dafür muss man es aber zunächst in der erforderlichen Qualität kontrolliert wachsen lassen.“

Das geschieht oft, indem man von Atomen im gasförmigen Zustand ausgeht, die zunächst an einer Oberfläche auf zufällige und recht ungeordnete Weise kondensieren. Erst danach bringt man die Atome dazu, sich in einer regelmäßigen Kristallform anzuordnen – etwa durch Erhitzen. „Die vielfältigen chemischen Reaktionen während der Kristallisation sind aber noch unklar, deshalb ist es sehr schwer, zielgerichtet bessere Herstellungsverfahren für solche 2D-Materialien zu entwickeln“, sagt Bernhard Bayer.

Durch eine neue Untersuchungsmethode soll es nun aber möglich werden, die Details der Kristallisation genau zu studieren. „Man muss sich dann nicht mehr durch Versuch und Irrtum an die beste Methode herantasten, sondern kann aufgrund eines tiefen Verständnisses der Vorgänge eindeutig sagen, wie man das gewünschte Produkt erhält“, ist Bernhard Bayer zuversichtlich.

Graphen als Untergrund

Zuerst wird Molybdän und Schwefel ungeordnet auf eine Membran aus Graphen aufgebracht. Graphen ist das derzeit wohl bekannteste unter den 2D-Materialien – ein nur eine Atomlage dünner Kristall aus wabenförmig angeordneten Kohlenstoffatomen. Die zufällig angeordneten Molybdän- und Schwefelatome werden dann unter dem Elektronenmikroskop mit einem feinen Elektronenstrahl zur Kristallisation gebracht, und denselben Elektronenstrahl kann man gleichzeitig auch verwenden, um den Prozess abzubilden.

So wurde es erstmals möglich, direkt zu beobachten, wie sich die Atome während des Wachstums der nur zwei Atomlagen dünnen Schichten bewegen und umordnen. „Dabei können wir sehen, dass die thermodynamisch stabilste Konfiguration nicht unbedingt immer der Endzustand sein muss“, sagt Bernhard Bayer. Unterschiedliche Kristall-Anordnungen treten in Konkurrenz zueinander, wandeln sich ineinander um und lösen einander ab. „Damit ist nun völlig klar, dass frühere Untersuchungen so unterschiedliche Ergebnisse brachten. Es handelt sich um einen komplizierten, dynamischen Prozess.“ Die neuen Erkenntnisse werden dazu beitragen, in Zukunft die Struktur der 2D-Materialien genauer an Anwendungsanforderungen anzupassen, indem man gezielt in diese Umordnungsprozesse eingreift.

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