Wenn sich Sand wie Öl verhält

08.05.2019 - Schweiz

Sand, Kaffeepulver oder Reis verhalten sich ganz anders als Wasser und Öl. Doch unter gewissen Bedingungen zeigen sich plötzlich erstaunliche Ähnlichkeiten. Wissenschaftler haben einen Weg gefunden, wie sie das Verhalten von körnigen Materialien besser verstehen können.

ETH Zürich / Alexander Penn

Unter gewissen Umständen verhalten sich körnige Materialien wie Flüssigkeiten und bilden ähnliche Formen wie diese.

Körnige Materialien wie Sand, Reis oder Kaffee spielen bei vielen Vorgängen eine zentrale Rolle. Nicht nur in der Natur sind diese Stoffe wichtig, wo sie beispielsweise das Verhalten von Lawinen oder Sanddünen prägen, sondern auch in der Industrie. Bei der Herstellung von Arzneimitteln oder Lebensmitteln gilt es immer wieder, körnige Materialien möglichst effizient zu verarbeiten.

Trotz der Vielfalt an praktischen Anwendungen versteht man jedoch erst ansatzweise, nach welchen physikalischen Gesetzmässigkeiten sich körnige Materialien verhalten. Dies ganz im Gegensatz zu Flüssigkeiten: Dort gibt es eine Reihe von gut etablierten physikalischen Gesetzen und mathematischen Werkzeugen, um deren Verhalten zu beschreiben. Dies gilt insbesondere auch für instabile komplexe Mischungen wie Emulsionen, die sich nach kurzer Zeit neu anordnen.

Eine neue Ordnung entsteht

Forscher aus der Gruppe von Christoph Müller, Professor für Energiewissenschaft und -technik an der ETH Zürich, haben nun zusammen mit Wissenschaftlern der Columbia University in New York herausgefunden, dass sich Mischungen aus körnigen Materialien unter gewissen Umständen genau gleich verhalten wie instabile Flüssigkeitsmischungen und in diesen Fällen auch mit vergleichbaren physikalischen Gesetzen beschrieben werden können.

Für ihre Versuche ordneten die Forscher in einem schmalen Behälter schwere und leichte Körner in unterschiedlichen Konfigurationen an. Während der Experimente vibrierten sie den Behälter und liessen gleichzeitig von unten her Luft durchströmen. Durch diese beiden Massnahmen wurden die Körner «fluidisiert», so dass sie sich ähnlich zu verhalten begannen wie Flüssigkeiten. Von aussen beobachteten die Forscher dann, wie sich die Materialien im Behälter über die Zeit hinweg neu anordneten.

Gegensätzliche Strukturen

Legt man beispielsweise eine Schicht schweren Sand auf leichteren Sand, bewegen sich die leichten Körner durch die Fluidisierung aufgrund der geringeren Dichte nach oben und bilden dabei tropfenförmige Strukturen, die an zähe Flüssigkeiten erinnern. «Die Körner verhalten sich tatsächlich so, wie sich beispielsweise Öl in Wasser verhalten würde», erklärt Christopher McLaren, Doktorand in Müllers Gruppe. «Es entsteht eine komplexe Interaktion zwischen den beiden Materialien.»

Bettet man eine kleine Menge an leichtem Sand in schweren Sand, bewegt sich der leichte Sand mehr oder weniger als kompakter Tropfen nach oben. Im umgekehrten Fall hingegen entsteht ein komplexeres Muster: Eine Kugel aus schweren Körnern, umgeben von leichten Körnern, sinkt nicht einfach in sich geschlossen nach unten. Vielmehr spaltet sich die Kugel nach und nach in mehrere kleinere Tropfen auf und das Material verästelt sich mit der Zeit immer mehr.

Vielfältige Anwendungen

«Unsere Erkenntnisse sind für viele Anwendungen von Bedeutung», ergänzt Alexander Penn, der als Postdoktorand an den Versuchen beteiligt war. «Wenn man beispielsweise in der Pharmazie eine sehr homogene Pulvermischung herstellen möchte, muss man die Physik von solchen Materialien im Detail verstehen, damit man den Prozess gut kontrollieren kann.» Auch Geologen dürften sich für die Resultate interessieren; sie helfen ihnen, die Abläufe bei Hangrutschungen oder das Verhalten von sandigen Böden bei Erdbeben besser zu verstehen.

Und nicht zuletzt kommt der Arbeit auch in der aktuellen Energiedebatte eine gewisse Bedeutung zu. «Wenn man industrielle Prozesse analysiert, sieht man, dass ein grosser Teil der Energie für die Verarbeitung von körnigen Materialien verwendet wird», erklärt Penn. «Wenn wir wissen, wie wir körnige Materialien besser kontrollieren können, können wir energieeffizientere Verarbeitungsprozesse entwickeln.»

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