Beobachtung des Nicht-Beobachtbaren

Physiker stellen Verfahren zur Rekonstruktion der Wellenfunktionen komplexer Moleküle vor

19.12.2013 - Deutschland

Seit Jahrzehnten suchen Physiker und Chemiker einen Weg, die Wellenfunktion von Elektronen in Atomen, Molekülen und Festkörpern zu messen. Die Welleneigenschaften der Elektronen bestimmen das Verhalten aller Materie, ließen sich bisher aber nur in der Theorie vollständig erfassen. Wissenschaftlern aus Graz und Jülich ist es nun erstmals gelungen, diese nicht direkt zugängliche Größe für komplexe Moleküle im Experiment vollständig zu ermitteln. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Daniel Lüftner, KFU Graz

Ultraviolette Photonen schießen Elektronen aus einer Molekülschicht (grün) heraus, die auf einer Silberoberfläche adsorbiert ist. Die Messung der Energie- und Winkelverteilung der emittierten Elektronen liefert nach Anwendung eines iterativen mathematischen Verfahrens, die Elektronenorbitale des Moleküls (rot / blau).

In der Physik werden Elektronen nicht nur als Teilchen, sondern auch als Wellen beschrieben. In der Quantentheorie wird die Wellennatur mathematisch durch die räumliche Wellenfunktion, in Atomen und Molekülen auch Orbitale genannt, erfasst. "Orbitale beinhalten Informationen über die räumliche Verteilung der Elektronen bei einer bestimmten Energie. Sind sie bekannt, lassen sich alle relevanten Informationen des Systems ableiten", erklärt Ass.-Prof. Peter Puschnig vom Institut für Physik der Karl-Franzens-Universität Graz.

Die Wellenfunktion selbst lässt sich jedoch nicht direkt beobachten. Im Experiment geht eine wichtige Information verloren, die Phase. Doch mit einem mathematischen Trick konnten die Wissenschaftler diese verborgene Größe wiederherstellen und so die Orbitale einer Reihe von organischen Molekülen rekonstruieren.

"Bisher ging man davon aus, dass die Messergebnisse der Photoelektronenspektroskopie, auf denen unser Verfahren beruht, für Moleküle auf Oberflächen durch Beugungsmuster und andere störende Effekte zu stark verzerrt werden. Diese Arbeit zeigt aber, dass die vollständige Rekonstruktion der Wellenfunktion überraschenderweise ganz einfach ist", erläutert Prof. Stefan Tautz vom Peter Grünberg Institut des Forschungszentrums Jülich. Seit einigen Jahren kooperiert er mit Puschnig und führt mit dessen Grazer Kollegen in der Arbeitsgruppe von Prof. Michael Ramsey Experimente am Helmholtz Zentrum Berlin durch.

Für ihre Untersuchungen schossen die Wissenschaftler mithilfe von ultraviolettem Licht Elektronen förmlich aus den Molekülen heraus. Die anschließende Vermessung der Energie- und Winkelverteilung der Elektronen gab Aufschluss über deren räumliche Verteilung im Molekül. Um die fehlende Phaseninformation zu rekonstruieren, nutzten die Physiker eine mathematische Eigenschaft der sogenannten Fourier-Transformation: Wenn die räumliche Ausdehnung der Wellenfunktion bekannt ist, dann lässt sich durch eine Serie von abwechselnden Fourier-Transformationen und -Rücktransformation die Phase schrittweise rekonstruieren. Auf diese Weise konnte das österreichisch-deutsche Team die räumliche Verteilung der Elektronen in fünf Molekülorbitalen entschlüsseln.

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