Energiepolitik entscheidet über Zukunft der Chemie

IHS-Studie belegt: Erhalt der Entlastungsregelungen im EEG unverzichtbar für die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Branchen

14.03.2014 - Deutschland

In den kommenden Wochen werden in Brüssel und Berlin Weichen für die Zukunft des Chemiestandortes gestellt. Vom Fortbestand der Entlastungsregelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für besonders energieintensive Unternehmen hängen die internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter Teile der chemischen Industrie ab. Aber auch die Funktionsfähigkeit vieler industrieller Wertschöpfungsketten und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sind eng mit diesen Entscheidungen verknüpft. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der auf Energiefragen spezialisierten Unternehmensberatung IHS.

„Die Studie belegt, dass bei einem Streichen der Entlastungsregelung das Wegbrechen der energieintensiven Unternehmen aus dem Industrienetzwerk irreversibel ist. Die Produktionseinbußen bleiben dauerhaft bestehen und schlagen über die Lieferkette auf andere Industriebranchen und den Dienstleistungssektor durch“, kommentierte Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), die Analyse von IHS. „Massiv steigende Energiekosten für die Chemie-, Stahl- oder Glasindustrie führen zum Reißen wichtiger Wertschöpfungsketten – zum Beispiel im Fahrzeugbau – wie die Studie zeigt. Eine Welle der De-Industrialisierung kann die Folge sein.“

Die Ergebnisse der Studie im Überblick: IHS hat die wirtschaftlichen Folgen untersucht, die ein völliges Abschmelzen der Entlastungsregeln innerhalb von fünf Jahren auslöst. Ab dem Jahr 2020, so IHS, würden gravierende Auswirkungen sichtbar – wovon sich die meisten bis 2040 sogar noch verschärfen: Weite Teile der energieintensiven Industrie wären nicht mehr wettbewerbsfähig, weil ihre Stromkosten um bis zu 60 Prozent steigen. Für die betroffenen Produkte sinken die Exporte, und der Importdruck nimmt zu. Außerdem fallen die Entscheidungen der Unternehmen über Investitionen zunehmend zugunsten des Auslands aus. Dies verstärkt die Investitionsschwäche und erhöht den Verlust von Marktanteilen, stellt IHS in seiner Studie „Energiewende im globalen Kontext: Sicherung der deutschen Wettbewerbs­fähigkeit unter neuen Rahmenbedingungen an den Energiemärkten” fest.

Diese Negativ-Effekte eines Kostenschocks für die energieintensive Industrie­landschaft finden sich am Ende sowohl in der Wirtschaftsleistung wie in den Privathaushalten Deutschlands wieder: Bis 2030 würde sich gegenüber dem bisherigen energiepolitischen Kurs das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Bürger um gut 800 Euro verringern. Ihre Einsparung bei der Stromrechnung durch eine geringere EEG-Umlage würde dagegen nur rund 40 Euro im Jahr betragen. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands fiele um knapp 5 Prozent oder 174 Milliarden Euro niedriger aus. Die Exporte verringerten sich um 290 Milliarden Euro.

In der deutschen Volkswirtschaft fänden durch diese Einschnitte insgesamt 1,1 Millionen Menschen weniger einen Arbeitsplatz als unter Beibehalten der Ausnahmeregelungen. Dadurch würde die Arbeitslosenquote gegenüber heute um 2,5 Prozentpunkte zulegen. Auf die Industrie entfiele die Hälfte des Beschäftigungsrückgangs. „In der chemisch-pharmazeutischen Industrie würden sich die Jobverluste mit am härtesten von allen Zweigen im Verarbeitenden Gewerbe auswirken. Jeder achte Arbeitsplatz würde verschwinden“, erklärte Tillmann. Laut Studie sänke das Produktionswachstum in der deutschen Chemie bis 2030 auf durchschnittlich nur 0,5 Prozent pro Jahr.

Bislang schützten die Entlastungsregelungen die energieintensiven Unternehmen vor den rapide steigenden Strompreisen durch die EEG-Umlage. Dieser Ausgleich – für eine klare Benachteiligung im internationalen Wettbewerb – habe dazu beigetragen, so der VCI-Hauptgeschäftsführer, die Wertschöpfungsketten zu erhalten. „Wir appellieren mit allem Nachdruck an Wettbewerbskommissar Almunia, gemeinsam mit der Bundesregierung eine Lösung zu finden, die den Fortbestand des Industrielandes Deutschland unverändert sichert. Das ist auch im Interesse der ganzen Europäischen Union.“

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