DNA als Lichtschalter

Eine Nanostruktur aus zwei Goldstäbchen verändert bei Zugabe definierter DNA-Moleküle reversibel ihre optischen Eigenschaften

14.07.2014 - Deutschland

Die Elektronik hat Konkurrenz bekommen. Information wird immer häufiger mit Licht statt Elektronen übertragen und verarbeitet. Und wie die elektronischen Bauelemente sollen ihre photonischen Pendants auf Nanoformat schrumpfen. Nun haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart, der Ludwig-Maximilian-Universität in München sowie der Ohio University in Athens, USA, einen Schalter für die Nanooptik entwickelt. Eine zentrale Rolle spielen dabei zwei Gold-Nanostäbchen. Ändert sich der Winkel zwischen ihnen, ändern sich auch bestimmte optische Eigenschaften des Nano-Lichtschalters. Den Winkel wiederum regulieren die Forscher mit Molekülen, die in der belebten Natur Träger der Erbinformation sind: mit DNA.

© Nature Materials 2014 / MPI für Intelligente Systeme

Das Prinzip des DNA-Lichtschalters: Im entspannten Zustand formen die beiden Goldstäbchen ein rechtwinkliges Kreuz (Mitte). Mit dem DNA-Fragment R1 lässt sich die Blockade am DNA-Strang a lösen, der mit einem der beiden Goldstäbchen verbunden ist. Nun vereinigen sich die Stränge a und b und verformen das Kreuz zu einem Andreaskreuz mit einem Winkel, bei dem die Gold-Nanostäbchen linksdrehend polarisiertes Licht absorbieren. Das DNA-Fragment R2 bewirkt, dass sich die Stränge c und zusammenschließen, wobei ein Andreaskreuz mit einem Winkel entsteht, bei dem rechtsdrehend polarisiertes Licht absorbiert wird. Die komplementären DNA-Fragmente R1k und R2k lösen die Stränge a und b beziehungsweise c und d wieder voneinander – das Kreuz entspannt sich.

Mit zwei hauchdünnen Gold-Nanostäbchen, die 10.000 Mal dünner sind als ein menschliches Haar, ist es Forschern aus Stuttgart und München gelungen, einen variierbaren Filter für sogenanntes zirkular polarisiertes Licht zu erschaffen. Entscheidend dafür, wie das System das Licht absorbiert, ist dabei der Winkel zwischen den beiden Gold-Stäbchen.

Bei zirkular polarisiertem Licht rotiert die schwingende Lichtwelle um die Achse, entlang derer sich der Lichtstrahl ausbreitet. Je nach Drehrichtung lassen sich dabei links- und rechtsdrehende Polarisierungen unterscheiden. Viele Moleküle ändern ihre Absorptionseigenschaften für derartiges Licht, wenn man ihre innere räumliche Anordnung verändert.

Der Winkel zwischen zwei Goldstäbchen steuert deren Lichtabsorption

Diesen Umstand machten sich Physiker vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart, vom Center for NanoScience an der Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilian-Universität in München und von der Ohio University in Athens, USA, zunutze. Je nachdem, in welchem Winkel sich die Goldstäbchen zueinander befinden, absorbieren sie entweder bevorzugt links zirkular polarisiertes Licht oder rechtes. Die Experten nennen dieses Verhalten Zirkulardichroismus. Bei der Absorption, die auch von der eingestrahlten Wellenlänge abhängt, kommt es zur Anregung von kollektiven Elektronenschwingungen im Metallgitter, sogenannten Plasmonen. Die Resonanzbedingungen, die für die Absorption von links- oder rechtsdrehendem Licht erfüllt sein müssen, werden dabei auch von der Anordnung der Goldstäbchen zueinander beeinflusst.

Bei der Wahl des Metalls war es für die Forscher wichtig, dass ihre Anordnung den Zirkulardichroismus im Bereich des sichtbaren Lichts zeigt. „Dies ist nur bei Gold der Fall“, erklärt Laura Na Liu, die das Projekt auf Seiten des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme leitete. Es stellte sich allerdings noch die Frage, wie sich der Winkel zwischen den Stäbchen von außen kontrolliert regulieren ließ. Die Wissenschaftler benötigten eine Art flexibles Scharnier zwischen den Gold-Nanostäbchen. Einen Schalter.

Hierzu fixierten sie jeden Nanostab zunächst auf jeweils einem sogenannten DNA-Origami-Bündel. Dabei handelt es sich um mehrfach gefaltete, insgesamt länglich ausgerichtete DNA-Strukturen. „Auf der Nanoskala sind Scharniere extrem schwer zu realisieren“, sagt Laura Na Liu. „Daher liegt die Verwendung von DNA gerade nach der Einführung von DNA Origami durchaus nahe.“

DNA-Fragmente wirken wie Klettverschlüsse am Goldkreuz

Die chemische Bindung zwischen jeweils einem DNA-Bündel und einem Gold-Stäbchen bewirkt, dass diese absolut parallel zueinander verlaufen. Zwei DNA-Bündel – und damit auch zugehörigen die Goldstäbe – liegen zunächst in annähernd rechtem Winkel über Kreuz. Ganz ähnlich wie man zwei kleine Äste im Wald übereinanderlegen würde.

Der eigentliche Trick bei der Anordnung bestand nun darin, die beiden DNA-Bündel und damit die daran befestigten Gold-Stäbchen gegeneinander verdrehen zu können. Hierbei machten sich die Forscher eine besondere Eigenschaft von DNA-Molekülen zunutze. Nämlich die, dass sich zwei DNA-Ketten zu einem Doppelstrang zusammenzutun, wenn die Abfolge der Basen entlang der beiden Einzelstränge komplementär ist.

Um das zu nutzen, ließen die Forscher an ganz bestimmten Stellen ihrer Bündel-Anordnung DNA-Molekülreste mit definierter Basenabfolge herausragen. Man kann sich diese Reste wie die eine Seite eines Klettverschlusses vorstellen. Zunächst sind diese Verschlüsse noch teilweise blockiert. Doch durch Zugabe definierter DNA-Molekülfragmente lässt sich die Blockade der Klettverschlüsse aufheben – so dass sie bereit sind, sich mit dem zu ihnen passenden Gegenstück zu verbinden. Dieses Gegenstück ließen die Forscher am jeweils anderen DNA-Bündel herausragen. Auf die Weise rückte dann das untere Ende des vertikalen Bündels, je nach Art des zugegebenen DNA-Fragments, entweder mit dem rechten oder mit dem linken Ende des horizontalen Bündels zusammen. Die Folge: In beiden Fällen wurde die Kreuzanordnung mit annähernd rechtem Winkel in eine Art Andreaskreuz mit schräg übereinander liegenden Bündeln überführt. Da damit auch die Gold-Stäbchen ihre Ausrichtung zueinander änderten, änderte sich auch ihr Absorptionsverhalten von zirkular polarisiertem Licht.

Ein Sensor für biochemische Reaktionen

„Um solch einen Schalter auch für praktische Anwendungen nutzen zu können, ist es natürlich wichtig, dass dieser Vorgang umkehrbar, also reversibel ist“, erklärt Liu. Und in der Tat gelang den Forschern auch dies: Die Zugabe eines anderen DNA-Fragments bricht die Verbindung zwischen horizontalem und vertikalem Bündel nämlich wieder auf – und stellt damit die Ausgangslage wieder her. Durch erneute Zugabe von DNA kann der Prozess erneut gestartet werden. Und so fort.

Damit haben die Physiker eine Nanostruktur geschaffen, die sich mittels DNA-Molekülen reversibel schalten lässt. Daraus ergeben sich für die Forscher eine Reihe möglicher Anwendungen – nicht nur als Schaltelement in der Nanooptik oder der photonischen Informationsverarbeitung. So können sie sich beispielsweise vorstellen, ein solches System als Nanosensor für biochemische Reaktionen einzusetzen. Würde man eine der Reaktionskomponenten an die freien DNA-Reste, also die Enden der Klettverschlüsse binden, könnte die anschließende chemische Reaktion mit einer anderen Komponente die Konformation des gesamten Systems so verändern, dass sich dies durch Messen des Absorptionsverhaltens in Echtzeit verfolgen ließe. Auch die Konstruktion sogenannter optischer Superflüssigkeiten sei denkbar, so die Forscher. Bei diesen ließe sich, quasi auf Knopfdruck, der Brechungsindex einstellen.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Revolutioniert künstliche Intelligenz die Chemie?

Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten

Themenwelt Sensortechnik

Die Sensortechnik hat die chemische Industrie revolutioniert, indem sie präzise, zeitnahe und zuverlässige Datenbereitstellung in einer Vielzahl von Prozessen ermöglicht. Vom Überwachen kritischer Parameter in Produktionslinien bis hin zur Früherkennung potenzieller Störungen oder Gefahren – Sensoren sind die stillen Wächter, die Qualität, Effizienz und Sicherheit gewährleisten.

Themenwelt anzeigen

Themenwelt Sensortechnik

Die Sensortechnik hat die chemische Industrie revolutioniert, indem sie präzise, zeitnahe und zuverlässige Datenbereitstellung in einer Vielzahl von Prozessen ermöglicht. Vom Überwachen kritischer Parameter in Produktionslinien bis hin zur Früherkennung potenzieller Störungen oder Gefahren – Sensoren sind die stillen Wächter, die Qualität, Effizienz und Sicherheit gewährleisten.