Exotische Zustände aus Licht und Materie

13.10.2014 - Schweiz

Mit einer Kombination aus Festkörperphysik und Quantenoptik erzeugen ETH-Forscher im Labor neuartige Vielteilchen-Zustände, für die es bisher keine theoretische Erklärung gibt. Die Experimente könnten eventuell ein erster Schritt zur Entwicklung von Quantencomputern auf der Basis von Photonen sein.

Professur Atac Imamoglu / ETH Zürich

Dreidimensionale Darstellung der Polariton-Zustände eines zweidimensionalen Elektronengases in Anwesenheit eines starken Magnetfeldes.

Die Bauteile, mit denen die Gruppe von ETH-Professor Atac Imamoglu zusammen mit Werner Wegscheider vom Laboratorium für Festkörperphysik experimentiert, sind etwa einen Zentimeter breit, aber nur einen halben Millimeter dick. Noch viel dünner, bloss 10 Milliardstelmeter hoch, ist derjenige Teil, der die Forscher wirklich interessiert: Zwischen winzigen Spiegeln liegt eine spezielle Schicht des Halbleitermaterials Gallium-Arsenid, die so präpariert wurde, dass sich die Elektronen darin nur in zwei Dimensionen bewegen können, als sogenanntes zweidimensionales Elektronengas. «Wir bringen damit zwei Forschungsgebiete zusammen, die bisher nur separat untersucht wurden», erklärt Imamoglu, Leiter des ETH-Instituts für Quantenphotonik.

Die Spiegel bilden einen Mikroresonator, in dem Photonen mit einer bestimmten Wellenlänge gefangen sind. Solche Lichtkäfige werden in der Quantenoptik eingesetzt. Mit Hilfe von zweidimensionalen Elektronengasen hingegen studieren Festkörperphysiker exotische Materiezustände. «Kurz gesagt haben wir Techniken aus der Quantenoptik genutzt, um Festkörpersysteme zu untersuchen, die stark miteinander wechselwirken», fasst Imamoglu zusammen.

In bisherigen quantenoptischen Experimenten verwendeten die Physiker reine Halbleiter, in denen durch Anregung eine Art Quasiteilchen entstehen, die man Exzitonen nennt. In einem Mikroresonator bilden sich aus diesen Exzitonen durch die starke Wechselwirkung mit den Photonen neue Quasiteilchen, die eine Mischung aus Materie und Licht darstellen – so genannte Polaritonen. «Anstelle des reinen Halbleiters haben wir nun unser zweidimensionales Elektrongas genommen», erklärt Imamoglu. Im Gegensatz zum herkömmlichen dreidimensionalen Halbleiter besitzen die Elektronen im zweidimensionalen Gas nicht nur eine hohe Mobilität, sondern wechselwirken auch miteinander, das heisst, sie sind stark korreliert.

Überlagerungen wie bei Schrödingers Katze

Bei tiefsten Temperaturen von nur 0,2 Grad über dem absoluten Nullpunkt beobachteten die Forscher mit Hilfe eines Mikroskops, was mit den zweidimensionalen Polaritonen und dem stark korrelierten Elektronengas in ihrer Probe passiert. Dabei stiessen die Physiker auf überraschende Resultate, welche die Fachzeitschrift «Science» jetzt online veröffentlicht hat. Die elementaren Anregungen des Systems sind Überlagerungen von zwei Vielteilchen-Zuständen, die sehr unterschiedlich sind, so dass sie sich eigentlich gegenseitig ausschliessen, ähnlich wie beim berühmten paradoxen Gedankenexperiment des Physikers Erwin Schrödinger rund um eine Katze.

Bisher kann kein theoretisches Modell diese neu beobachteten Vielteilchen-Zustände in der untersuchten Probe erklären. Es gebe aber eine sehr interessante Anwendungsmöglichkeit für solche Überlagerungszustände, sagt Imamoglu. Während Photonen sich normalerweise gegenseitig nicht beeinflussen, können sie in der gewählten Versuchsanordnung unter bestimmten Bedingungen stark miteinander in Wechselwirkung treten. «Das ist der heilige Gral der Quantenoptik-Forschung», so der ETH-Professor. Damit könnte man dereinst vielleicht einen Quantencomputer entwickeln, der nicht auf spinbasierten oder supraleitenden Qubits aufgebaut ist, sondern auf wechselwirkenden Photonen. «Doch dieses Forschungsgebiet steckt noch in den Kinderschuhen», erklärt Imamoglu.

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