Übernahmeappetit der Unternehmen groß wie nie

Mehr als die Hälfte will zukaufen

20.11.2015 - Deutschland

Der M&A-Markt ist weiter im Aufwind: Mehr als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland und weltweit wollen in den kommenden zwölf Monaten zukaufen. In Deutschland haben 56 Prozent entsprechende Pläne, weltweit sind es sogar 59 Prozent – das sind jeweils die höchsten Werte seit Beginn der Befragung im Jahr 2010. Bereits im April hatte der M&A-Appetit der Unternehmen deutlich angezogen und stieg im Vergleich zum Oktober 2014 weltweit um 16 Prozentpunkte auf 56 Prozent und in Deutschland sogar um 23 Prozentpunkte auf 51 Prozent.

Die Übernahmeabsichten der Unternehmen werden gestützt durch positive Konjunkturerwartungen. Weltweit sind 83 Prozent der Unternehmen zuversichtlich, dass die Weltwirtschaft weiter wächst – 36 Prozent erwarten sogar ein starkes Wachstum. Vor einem Jahr glaubte gerade einmal die Hälfte (53 Prozent) an eine weiter wachsende Weltwirtschaft.

In Deutschland erwarten sogar 95 Prozent der Unternehmen, dass es mit der globalen Wirtschaft bergauf geht. Vor einem Jahr blickten die Unternehmen dagegen noch vorsichtig in die Zukunft: drei von vier Unternehmen erwarteten damals ein Stagnieren der weltweite Wirtschaftsleistung, nur jedes vierte ging von einem Anstieg aus.

Die positive Sicht auf die Weltwirtschaft könnte sich jedoch schnell eintrüben: Als aktuell größtes Risiko machen 29 Prozent der Unternehmen weltweit die zunehmende politische Instabilität in der Welt aus. In Deutschland treibt diese Sorge nur 22 Prozent der Unternehmen um. Schwerwiegender erscheint ihnen die erhöhte Volatilität von Währungen und Rohstoffpreisen – diese wird von 37 Prozent als größtes Risiko eingestuft. Die Eurokrise wird zumindest in Deutschland nicht mehr als Hemmschuh gesehen: Nur noch acht Prozent stufen sie als größtes Risiko ein. Weltweit ist der Anteil mit 23 Prozent noch deutlich höher.

Zu diesen Ergebnissen kommt das aktuelle „Capital Confidence Barometer“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Basis der Studie ist eine Umfrage unter mehr als 1.600 Managern in Großunternehmen weltweit, davon 102 in Deutschland.

„Die Unternehmen sind positiv gestimmt und sehen optimistisch in die Zukunft. Ihren Optimismus lassen sie sich trotz politischer und wirtschaftlicher Krisen und volatiler Märkte nicht nehmen“, kommentiert Alexander Kron, Leiter des Bereichs Transaction Advisory Services bei EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. Und die Rahmenbedingungen sind günstig wie selten: Die Zentralbanken in den wichtigen Volkswirtschaften halten die Leitzinsen niedrig, allerorten kommen die Unternehmen leicht an frisches Kapital. Dazu sind die Kassen vieler Konzerne prall gefüllt.“

Jedes dritte deutsche Unternehmen setzt auf Wachstum

Angesichts der Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass die Weichen in Richtung Expansion gestellt werden: Jedes dritte Unternehmen (35 Prozent) in Deutschland will seinen Schwerpunkt in den kommenden Monaten auf Wachstum legen. Damit deutet sich eine leichte Trendwende an: Der Anteil war bei den vorhergehenden drei Befragungen immer weiter gesunken und lag im April bei 26 Prozent.

Als Wachstumstreiber werden zunehmend Zukäufe gesehen: Immerhin jedes fünfte Unternehmen weltweit und in Deutschland gibt an, dass es seine Deal-Pipeline in den kommenden Monaten vergrößern will. Bei jedem dritten Unternehmen in Deutschland soll die Pipeline gleich bleiben (weltweit 37 Prozent) und reduzieren wollen sie nur zwei Prozent (weltweit ein Prozent). 44 Prozent (weltweit 41 Prozent) haben gar keine Deals geplant.

Unabhängig von den eigenen Übernahmeplänen schätzen die Unternehmen den M&A-Markt aktuell überaus positiv ein. Neun von zehn Unternehmen (89 Prozent) in Deutschland gehen davon aus, dass sich das Volumen der M&A-Deals weltweit in den kommenden zwölf Monaten steigern wird. Weltweit teilen 83 Prozent den Optimismus.

„Wir werden weiter viel Bewegung auf dem M&A-Markt sehen, aber aufgrund der hohen Volatilität der Märkte auch erhebliche Schwankungen“, sagt Kron. „Große Trendthemen wie Big Data oder Industrie 4.0 werden Treiber des Marktes sein. Gerade bei solchen disruptiven Technologien ist es für Unternehmen deutlich einfacher, sich entsprechendes Know-how durch Übernahmen anzueignen als dieses erst mühsam selbst zu entwickeln.“

Weniger Deals abschlussreif

Kurz vor dem Abschluss stehen derzeit allerdings nur wenige Deals. Durchschnittlich werden die deutschen Unternehmen in den kommenden Monaten nur 0,8 Deals abschließen. Vor einem halben Jahr waren immerhin noch 1,2 Deals fast unterschriftsreif. Weltweit sieht die Situation ein wenig besser aus. Aktuell wie auch vor einem halben Jahr beträgt die durchschnittliche Zahl der Transaktionen, die kurz vor dem Abschluss stehen 1,1.

„Nur weil es Übernahmepläne gibt, heißt das nicht immer automatisch, dass diese auch zum Abschluss kommen. So ist die Zahl der attraktiven Übernahmekandidaten beschränkt. Gleichzeitig bedeutet das gesteigerte Interesse auch eine größere Konkurrenz um die wenigen attraktiven Akquisitionsziele. Hinzu kommt: Die Unternehmen unterziehen mögliche Übernahmen und Fusionen inzwischen sehr gründlichen Due-Dilligence-Prüfungen. Ziel ist ein nachhaltiges Wachstum. Um an ihr Ziel zu gelangen, müssen die Unternehmen deswegen auch während des Übernahmeprozesses einen langen Atem beweisen und eine professionelle Risikobewertung etablieren.“

Deutsche Unternehmen setzen bei ihren Investitionszielen andere Schwerpunkte als die internationale Konkurrenz. Beliebteste Investitionsziele sind weltweit – in der Reihenfolge – die USA, Großbritannien, China, Indien und Deutschland. Deutsche Unternehmen investieren am ehesten hierzulande, dann in Großbritannien, den USA, den Niederlanden und in China.

45 Prozent der Unternehmen zieht es für Übernahmen in die Ferne

Zudem schauen sich die deutschen Unternehmen eher in weiter entfernten Märkten und in Entwicklungsländern um. So haben bei ihrer M&A-Strategie nur sieben Prozent einheimische Unternehmen im Fokus. In den Nachbarländern sehen sich lediglich vier Prozent nach Übernahmekandidaten um. Ganze 45 Prozent schauen für Übernahmen in fernere Länder. Dabei entfällt ein relativ großer Anteil des M&A-Volumens auf die Entwicklungsländer: elf Prozent des Akquisitionsbudgets soll für Zukäufe dort verwendet werden.

International sind die Anteile deutlich ausgeglichener: 18 Prozent fokussieren sich auf den Heimatmarkt, 17 Prozent auf die Nachbarländer und 24 Prozent schauen in ferneren Ländern nach Akquisitionen. Der Budgetanteil für Entwicklungsländer fällt außerdem deutlich niedriger aus als in Deutschland: Nur 7,6 Prozent des Volumens sollen dort investiert werden.

„Die Exportstärke der deutschen Wirtschaft spiegelt sich in der Auswahl der Investitionsziele wider“, beobachtet Kron. „Hiesige Unternehmen suchen verstärkt nach Übernahmezielen in fernen Wachstumsmärkten. Deutschland ist zwar auch in diesem Jahr das beliebteste Investitionsziel hiesiger Unternehmen. Gleichzeitig führt jedoch das gewachsene Vertrauen in die Weltwirtschaft dazu, dass sie ihrem Wachstum mit Investitionen auch im Ausland noch einen weiteren Schub geben wollen.“

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