Manche Fehler machen stark

06.09.2016 - Österreich

Aluminiumoxid-Schichten machen Werkzeuge widerstandsfähiger. An der TU Wien verbessert man diese Schichten mit Eisen- und Chrom-reichen Partikeln, die man ursprünglich für störend hielt.

TU Wien

Im Lichtbogen entsteht Plasma.

Bohr-, Fräs- und Schneidewerkzeuge in der Industrie müssen ganz besondere Eigenschaften aufweisen: Sie müssen nicht nur hohen mechanischen Belastungen standhalten, sondern auch extremen Temperaturen, außerdem sollen sie auch noch chemisch möglichst widerstandsfähig sein. An der TU Wien entwickelt man eine überraschende Möglichkeit, Schutzschichten aus Aluminium-Chromoxid zu verbessern: Man baut Eisen mit in die Legierung ein – und gerade winzige Eisen- und Chrom-reiche Nanopartikel, die man auf den ersten Blick für schädlich halten würde, sorgen für verbesserte Materialeigenschaften.

Sechsecke sind stabiler

„Beschichtungen aus Aluminiumoxid bergen großes Potential für die Anwendung auf Bearbeitungswerkzeugen – allerdings nur, wenn es sich um Aluminiumoxid mit der richtigen Kristallstruktur handelt“, sagt Christian Koller vom Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der TU Wien.

Die Aluminium- und Sauerstoff-Atome des Aluminiumoxids können sich nämlich auf unterschiedliche Weise anordnen: Wenn sie ein Muster aus lauter Sechsecken bilden – man spricht dann von einer Korund-Struktur– ist das Material belastbar und widerstandsfähig, wenn sich dieselben Atome allerdings würfelförmig anordnen, sind die Eigenschaften des Endproduktes weit weniger gut. „Die würfelförmige Phase kann durch Temperatureinwirkung während der Anwendung in die kompaktere, sechseckige Phase übergehen, dann rücken die Atome insgesamt enger zusammen und im Material entstehen winzige Risse“, erklärt Koller.

Man kann dem Material allerdings Zusätze beimengen, die dazu führen, dass bevorzugt die sechseckige und nicht die würfelförmige Kristallstruktur ausgebildet wird. Chrom erfüllt diese Aufgabe – Aluminium-Chromoxid weist dieselbe sechseckige Struktur auf und hat ähnlich gute Eigenschaften wie die sechseckige Sorte von Aluminiumoxid.

„Aufgrund verschiedener Voruntersuchungen dachten wir, dass ein zusätzliches Beimengen von Eisen diesen Effekt noch verstärken könnte“, sagt Christian Koller. Er sah sich die Sache genauer an und schrieb bei Prof. Paul Mayrhofer seine Dissertation. Mayrhofer leitet an der TU Wien das Christian Doppler Labor für Anwendungsorientierte Schichtentwicklung, das von den Firmenpartnern Oerlikon Balzers, Oerlikon Surface Solutions AG und Plansee Composite Materials GmbH mitfinanziert wird.

Chemisch oder physikalisch

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Werkzeug mit Speziallegierungen zu beschichten: Bei der chemischen Gasphasenabscheidung werden die einzelnen Komponenten gasförmig eingebracht, anschließend lagern sie sich an der Oberfläche des zu beschichtenden Werkstücks an. „Das funktioniert gut, allerdings ist es nur bei sehr hohen Temperaturen von 800 bis 1000°C möglich – und somit befindet man sich in einem Temperaturbereich, indem der Stahl des Werkstücks deutlich an Härte verliert“, sagt Koller.

Die bessere Alternative ist die physikalische Gasphasenabscheidung. Man erzeugt einen heißen Lichtbogen, der das Material zu einem dichten Plasma aus ionisierten Atomen werden lässt. Diese ionisierten Atome leitet man dann zusammen mit Sauerstoff zum Werkzeug, das beschichtet werden soll. Es wird bei dieser Technik deutlich weniger heiß als bei der chemischen Gasphasenabscheidung.  

Doch nicht alle Atome werden dabei tatsächlich zum Plasma: „Häufig sind auch kleine Metallpartikel mit dabei, in der Größenordnung von wenigen Nanometern bis zu hunderten Nanometern“, sagt Christian Koller. „Sie werden dann einfach mit in die Schicht eingebaut.“ Grundsätzlich sind derartige Fehlstellen für die Eigenschaften einer Schicht problematisch. Doch Kollers Untersuchungen zeigen: In gewissem Ausmaß sind diese Nanopartikel ein Vorteil – im speziellen Materialsystem, das er untersuchte, dienen sie als Nukleationskeime für sechseckige Strukturen. Gerade dort, wo sich diese Eisen-und Chrom-reichen-Nanopartikel befinden, lagern sich die übrigen Atome zuverlässig auf passende Weise an.

Für diese Arbeit wurde Christian Koller mit dem Student Award der Acta Journals ausgezeichnet. Bereits 2015 hatte er auf der International Conference on Metallurgical Coatings and Thin Films mit dem Graduate Student Award in Silber gewonnen. Er arbeitet nun als Postdoc weiterhin an der TU Wien und versucht unter anderem, die neue Methode weiter zu verfeinern. Durch Target-Entwicklung sollen die Partikel präzise und auf kontrollierte Weise auf die Oberflächen gelenkt werden, sodass noch bessere, widerstandsfähige Beschichtungen entstehen.

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