Forschungsetats der Chemie-/Pharmaindustrie klettern auf neuen Höchststand

Chemie-Forschungsstandort Deutschland unter Wettbewerbsdruck

15.11.2016 - Deutschland

Die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie hat 2015 mehr Geld denn je in ihre Forschung und Entwicklung (FuE) investiert: Ihre FuE-Etats sind um 4 Pro­zent auf 10,5 Milliarden Euro gestiegen. Das sind über 5 Prozent des Branchen­umsatzes. Die Zahl der Mitarbeiter erhöhte sich in den vergangenen zehn Jahren (2004 bis 2014) absolut um über 3 Prozent auf rund 42.000. Fast jeder zehnte Chemiebeschäftigte ist damit in einer FuE-Abteilung tätig, berichtet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) auf seiner Forschungspressekonferenz.

Verband der Chemischen Industrie e.V.

Entwicklung der FuE-Ausgaben der Chemie-/Pharmaindustrie

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Forschungsintensität verschiedener Branchen

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Anteile an der globalen Chemie- und Pharmaforschung

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Thomas Wessel, Vorsitzender des VCI-Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung, kommentierte diese Entwicklung: „Damit hat die chemisch-pharma­zeutische Industrie eine gute Ausgangslage. Denn für unsere Branche sind Inno­vationen in ganz besonderem Maße der Fortschrittsmotor, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Schließlich setzt der globale Wettbewerb unsere Unternehmen einem massiven Innovationsdruck aus. Vor allem die Schwellenländer holen auf.“

Bis zum Jahr 2030 prognostiziert der VCI einen Anstieg der FuE-Ausgaben auf rund 16,5 Milliarden Euro. Der Fokus werde dabei besonders auf Spezialchemika­lien und Pharmazeutika liegen, da hier größere Wachstumspotenziale zu erwarten seien. In der Basischemie dürften die Forschungsbudgets konstant bleiben. Der VCI geht davon aus, dass Deutschland seine Position als viertgrößter Chemie-Forschungsstandort halten kann. Dazu müsse die Branche allerdings ihren einge­schlagenen Weg der Innovationsorientierung beibehalten.

Chemie-Forschungsstandort Deutschland unter Wettbewerbsdruck

Deutschland zählt zu den führenden Chemieforschungsnationen nach den USA, China und Japan. Trotz dieser guten Ausgangslage warnte Wessel davor, sich in Sicherheit zu wiegen: „Der Wettbewerbsdruck wird weiter an Schärfe zunehmen, und zwar nicht nur auf die Unternehmen, sondern auch auf die Standorte. Es wird immer schwieriger, unseren Innovationsvorsprung zu halten.“ Dabei kommt die Konkurrenz nicht nur aus den Industriestaaten. Auch China und andere Schwel­lenländer investieren massiv in Forschung und Entwicklung. Bis zum Jahr 2030 rechnet der VCI damit, dass China einen Anteil an der globalen Chemieforschung von 15 Prozent erreichen wird. 2000 lag dieser Anteil nur bei knapp 2 Prozent.

12-Punkte-Plan zur Steigerung der Innovationskraft Deutschlands:
Steuerliche FuE-Förderung einführen und Gesetzesfolgen besser ab­schätzen

Die stark wettbewerbsorientierten Voraussetzungen für FuE in anderen Ländern machen es nach Auffassung Wessels auch notwendig, dass sich Deutschland das ehrgeizige Ziel setzt, Innovationsweltmeister zu werden. „Unser ressourcenarmes Land ist ganz besonders auf technischen Fortschritt angewiesen. Nur mit neuen Produkten und Verfahren kann Deutschland im internationalen Wettbewerb punkten, Arbeitsplätze schaffen und seinen Wohlstand langfristig erhalten“, begründete der Ausschuss-Vorsitzende diesen Anspruch. Dies setze attraktive Rahmenbe­dingungen voraus, die Innovationen erleichtern und den Standort Deutschland stärken. Hierzu hat der VCI einen 12-Punkte-Plan zur Steigerung der Innovations­kraft Deutschlands entwickelt. Als wichtige Handlungsfelder wurden darin identifi­ziert: Forschungsförderung fokussieren und intensivieren, regulative Barrieren ab­bauen, Kultur und Talente fördern sowie Kooperationen vereinfachen.

Konkret schlägt der VCI eine steuerliche Forschungsförderung zusätzlich zur Projektförderung vor. Die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten und 27 von 34 OECD-Staaten nutzen erfolgreich dieses Instrument. Und selbst China gewährt verschie­dene steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung. „Deutschland hat hier einen deutlichen Standortnachteil“, betonte Wessel. Der VCI regt deshalb folgen­des an: Ein forschendes Unternehmen sollte 10 Prozent seiner eigenfinanzierten FuE-Aufwendungen von seiner Steuerschuld abziehen dürfen (Tax Credit). Bei Verlusten sollte es eine entsprechende Steuergutschrift ausgezahlt bekommen. Ein erster Schritt zur Beseitigung dieses deutschen Standortnachteils könnte die steuerliche Förderung von Forschungspersonal sein.

Darüber hinaus setzte sich Wessel für einen Innovationscheck ein, um die Folgen neuer und existierender Gesetze auf die Innovationsfähigkeit der Unternehmen abzuschätzen. „Leider spielt es in Deutschland für den Gesetzgeber zurzeit keine Rolle, wie sich Regulierungen auf Innovation und Technologien auswirken“, erläu­terte er den Vorschlag.

Auch das Zusammenspiel zwischen Industrie und Hochschulen sei häufig noch zu starr und bürokratisch. Hier könnten beide Seiten pragmatisch handeln, indem sie vorhandene Musterverträge durchgehend nutzen.

Darüber hinaus enthält der 12-Punkte-Plan Empfehlungen für einen besseren Transfer von Technologien in den Markt. Der Vorsitzende des VCI-Forschungs­ausschusses: „Deutschland muss seine Gründerszene stärken, indem das Steu­errecht für Investoren optimiert und steuerrechtliche Hemmnisse für mehr Wag­niskapital abgebaut werden.“ Er appellierte an die Bundesregierung, das verein­barte Wagniskapitalgesetz endlich auf den Weg zu bringen.

Um mehr Akzeptanz für neue Technologien und Produkte zu erreichen, befür­wortete Wessel, schon in der Schule frühzeitig den Nutzen von technischem Fort­schritt zu vermitteln. Hierzu empfiehlt der VCI-12-Punkte-Plan: durchgehenden MINT-Unterricht bis zum Abitur sowie die Weiterentwicklung der Didaktik und eine kontinuierliche Fortbildung der Lehrer. Auch Themen wie die Digitalisierung und Industrie 4.0 müssten sowohl in der Schule als auch in der Aus- und Weiterbil­dung aufgegriffen werden.

Abschließend machte Wessel deutlich, dass Politik und Unternehmen gleicher­maßen gefordert seien, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen. „Wir dürfen uns auf den Lorbeeren der Vergangenheit nicht ausruhen, dürfen uns nicht nur mit dem Durchschnitt vergleichen. Ziel muss sein, besser zu sein als unser stärkster Wettbewerber.“

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