Ein Nano-Kreisverkehr für Licht

13.12.2016 - Österreich

An der TU Wien gelang es, ein optisches Element auf der Nanoskala zu erzeugen, das den Fluss von Lichtteilchen am Kreuzungspunkt zweier Glasfasern wie ein Kreisverkehr regelt. Zur Kontrolle der Lichtwege wurde ein einzelnes Atom verwendet.

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Funktionsweise des Nanokreisverkehrs

Wie im normalen Straßenverkehr sind auch in der optischen Signalverarbeitung Kreuzungen unverzichtbar. Zum Vermeiden von Kollisionen bedarf es dabei einer klaren Verkehrsregel. An der TU Wien wurde nun eine neue Methode entwickelt, mit der man eine solche Regel für Lichtsignale vorgeben kann. Hierzu wurden die Glasfasern am Kreuzungspunkt an einen optischen Resonator gekoppelt, in dem das Licht umläuft, und sich wie in einem Kreisverkehr verhält. Die Umlaufrichtung wird hierbei durch ein einzelnes Atom im Resonator vorgegeben. Das Atom sorgt außerdem dafür, dass das Licht immer bei der unmittelbar nächsten Ausfahrt den Kreisverkehr verlässt. Diese Kreisverkehr-Regelung gilt auch dann noch, wenn das Licht bloß aus einzelnen Photonen besteht. Ein solcher Kreisverkehr soll sich nun auch in integrierten optischen Chips einbauen lassen – ein wichtiger Schritt für die optische Signalverarbeitung.

Signalverarbeitung mittels Lichts statt Elektronik

Als „optische Zirkulatoren“ bezeichnet man Elemente am Kreuzungspunkt zweier zueinander senkrecht stehender Lichtleiter, die Lichtsignale von einem in den jeweils anderen Lichtleiter umleiten, so dass sich die Laufrichtung des Lichts beispielsweise immer um 90° im Uhrzeigersinn ändert. „Für sich frei ausbreitende Lichtstrahlen gibt es solche Komponenten schon lange“, sagt Arno Rauschenbeutel vom Vienna Center for Quantum Science and Technology am Atominstitut der TU Wien. „Solche optischen Zirkulatoren beruhen meistens auf dem sogenannten Faraday-Effekt: Man legt ein starkes Magnetfeld an ein transparentes Material an, das sich zwischen zwei gegeneinander verdrehten Polarisationsstrahlteilern befindet. Die Richtung des Magnetfelds bricht dabei die Symmetrie und legt fest, in welche Richtung das Licht umgeleitet wird.“

Auf den Größenskalen der Nanotechnologie lässt sich ein solches Bauteil mit Faraday-Effekt aber aus technischen Gründen nicht realisieren – Bedarf dafür gäbe es. „Man versucht heute, optische integrierte Schaltkreise zu bauen, mit ähnlichen Funktionen wie man sie aus der Elektronik kennt“, erklärt Rauschenbeutel. Andere Methoden, die Symmetrie des Lichts zu brechen, funktionieren nur bei sehr hohen Lichtintensitäten oder leiden an hohen optischen Verlusten – in der Nanotechnologie möchte man aber kleinste Lichtsignale verarbeiten können, bis hin zu Lichtpulsen, die bloß aus einzelnen Photonen bestehen.

Zwei Glasfasern und eine Flasche für Licht

Das Team von Arno Rauschenbeutel geht einen ganz anderen Weg: Man koppelt ein einzelnes Rubidium-Atom an das Lichtfeld eines sogenannten „Flaschen-Resonators“ – ein mikroskopisches bauchig geformtes Glasobjekt, an dessen Oberfläche das Licht im Kreis läuft. Bringt man einen solchen Resonator in die Nähe zweier ultradünner lichtleitender Glasfasern, dann koppeln die Systeme aneinander. Ohne Atom wechselt das Licht von einer Glasfaser über den Flaschen-Resonator in die jeweils andere Faser. Auf diese Weise ist jedoch noch kein Umlaufsinn für den Zirkulator festgelegt: Licht, welches auf diese Weise um 90° im Uhrzeigersinn umgelenkt wird, kann den gleichen Weg auch rückwärts – und damit gegen den Uhrzeigersinn – durchlaufen. Um diese Vorwärts-Rückwärts-Symmetrie zu brechen, wird zusätzlich ein Atom an den Resonator gekoppelt, welches das Einkoppeln des Lichts und somit das Überkoppeln in die andere Glasfaser für eine der beiden Umlaufrichtungen verhindert. Für diesen Trick nutzt man an der TU Wien eine besondere Eigenschaft des Lichtes aus: Die Schwingungsrichtung der Lichtwelle, auch Polarisation genannt. Durch die Wechselwirkung zwischen der Lichtwelle und dem Flaschen-Resonator entsteht ein ungewöhnlicher Schwingungszustand. „Die Polarisation dreht sich wie der Rotor eines Helikopters“, sagt Arno Rauschenbeutel. Die Drehrichtung hängt dabei davon ab, ob das Licht im Resonator gegen oder mit dem Uhrzeigersinn umläuft: Einmal schwingt das Licht im Uhrzeigersinn, einmal dagegen. Umlaufsinn und Schwingungszustand des Lichts sind also fest miteinander verknüpft.

Wenn man nun das Rubidium-Atom richtig präpariert und an den Resonator koppelt, kann man erreichen, dass es sich in Bezug auf die beiden Licht-Rotationsrichtungen unterschiedlich verhält. „Das im Uhrzeigersinn umlaufende Licht wird vom Atom nicht beeinflusst. Das in entgegengesetzter Richtung umlaufende Licht koppelt dagegen stark an das Atom und kann deshalb nicht in den Resonator eintreten“, sagt Arno Rauschenbeutel. Diese Asymmetrie der Licht-Atom-Kopplung bezüglich des Umlaufsinns des Lichts ermöglicht die gewünschte Funktionsweise eines Zirkulators, wobei der gewünschte Umlaufsinn über den internen Zustand des Atoms eingestellt werden kann.

Der Atomzustand als Quanten-Schalter

„Da wir nur ein einzelnes Atom verwenden, können wir den Prozess noch viel subtiler steuern“, erklärt Rauschenbeutel. „Man kann dieses Atom dann in einen Zustand versetzen, in dem beide Verkehrsregeln gleichzeitig gelten: Alle Lichtteilchen durchlaufen den Zirkulator gemeinsam, sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn.“ Nach den Regeln der klassischen Physik ist dies zum Glück unmöglich, würde es doch im Straßenverkehr zu einem Chaos führen. In der Quantenphysik sind solche Überlagerungen unterschiedlicher Zustände aber erlaubt und eröffnen ganz neue, spannende Möglichkeiten für die optische Verarbeitung von Quanteninformation.

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