Wie Selen-Verbindungen zum Katalysator werden könnten

Gegenüber herkömmlichen Metall-Katalysatoren könnten diese chemischen Verbindungen einige Vorteile haben

14.07.2017 - Deutschland

Chemiker der Ruhr-Universität Bochum haben eine neue Art der Aktivierung von chemischen Reaktionen erprobt, die auf dem Element Selen beruht. Sie zeigten, dass Selen eine Bindung ähnlich einer Wasserstoffbrücke eingehen kann und dadurch Reaktionen beschleunigen kann. Den genauen Mechanismus beschreibt das Team vom Bochumer Lehrstuhl für Organische Chemie I um Prof. Dr. Stefan Huber und Patrick Wonner in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“, in Kooperation mit Prof. Dr. Daniel Werz von der Technischen Universität Braunschweig.

© RUB, Marquard

Patrick Wonner (vorn) und Stefan Huber haben das Prinzip der Wasserstoffbrücke auf andere Elemente übertragen.

Als Aktivatoren und Katalysatoren kommen üblicherweise Metallkomplexe zum Einsatz. Sie bilden vollständige, also kovalente Bindungen mit dem Molekül, dessen Reaktion sie beschleunigen sollen. Häufig sind die Metalle allerdings teuer oder giftig.

Schwächere Bindungen reichen

In den vergangenen Jahren zeigte sich, dass es nicht unbedingt eine kovalente Bindung für die Aktivierung oder Katalyse braucht. Auch schwächere Bindungen, zum Beispiel Wasserstoffbrücken, können ausreichen. Dabei bildet sich die Bindung zwischen einem positiv polarisierten Wasserstoffatom und dem negativ polarisierten Zentrum eines anderen Moleküls. Ähnlich wie Wasserstoff können auch Elemente der siebten Hauptgruppe des Periodensystems, also Halogene wie Chlor, Brom oder Iod, Brückenbindungen eingehen – und als Aktivatoren oder Katalysatoren dienen.

Das Team um Stefan Huber übertrug das Prinzip nun auf Elemente aus der sechsten Hauptgruppe des Periodensystems, die Chalkogene. Die Forscher nutzten Verbindungen mit positiv polarisiertem Selen-Atom. Dieses bildete eine Brückenbindung zu dem Ausgangsmolekül der Reaktion, die sich dadurch um das 20- bis 30-fache beschleunigte.

Zum Vergleich testeten die Chemiker auch Verbindungen, in denen sie das Selen-Zentrum gegen ein anderes Element ersetzten. Moleküle ohne Selen beschleunigten die Reaktion nicht. „Wir können den beobachteten Effekt also eindeutig auf Selen als aktives Zentrum zurückführen“, sagt Huber.

Besser als Schwefel

Aus früheren Studien war bislang nur ein einziger vergleichbarer Fall von Chalkogenbrücken-Katalyse bekannt; statt Selen wurde dabei Schwefel genutzt. „Selen ist leichter polarisierbar als Schwefel und daher langfristig aussichtsreicher als Katalysatorkomponente“, erklärt Stefan Huber. „Zusammen mit den Halogenbrücken wird durch die Chalkogenbrücken das Repertoire der Chemiker um zwei faszinierende Mechanismen erweitert, für die es in der Natur, zum Beispiel in Enzymen, bisher kein bekanntes Gegenstück gibt.“

Im nächsten Schritt möchte das Team zeigen, dass die Selen-Verbindungen als vollwertige Katalysatoren dienen können. Bislang sprechen die Forscher von Aktivatoren, da es eine relativ große Menge der Substanz braucht, um die Reaktion in Gang zu bringen. Erst wenn die Menge der erforderlichen Selen-Verbindung geringer ist als die Menge der Ausgangsmaterialien für die Reaktion, kann man von einem Katalysator sprechen.

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