Die heutigen Methoden des "High Throughput Screening" ermöglichen die Suche nach
neuen Wirkstoffen in riesigen - mitunter aber recht willkürlich
zusammengestellten -
Substanzbibliotheken. Auf Klasse statt Masse setzt dagegen
ein interdisziplinäres Team am Sloan-Kettering Institute for Cancer Research in
New York. Ausgehend von einem pharmakologisch wirksamen Naturstoff
"überarbeiten" die Wissenschaftler um den Chemiker Samuel J. Danishefsky und den
Pharmakologen Ting-Chao Chou das Molekül ganz gezielt, um ihm so Schritt für
Schritt ein verbessertes pharmakologisches Profil zu verpassen. In einer
"Totalsynthese" werden die neu designten Moleküle dann aus möglichst einfachen
Bausteinen zusammen gesetzt. Dass dieser Weg des so genannten "chemischen
Editierens" sehr erfolgreich sein kann, beweist die jüngste Entwicklung des
Teams: Ein Epothilon mit ungewöhnlich viel versprechender Antitumor-Aktivität.
Die aus
Mikroorganismen stammenden Epothilone zeigen einen ähnlichen
Wirkmechanismus wie die aus der Eibe gewonnenen Taxoide (z.B. Taxol®), die als
Cytostatika eingesetzt werden: Sie stabilisieren die Mikrotubuli der Zelle und
blockieren sie so in einer bestimmten Phase der Zellteilung, was zum
Zelltod
führt.
Das Grundgerüst der Epothilone besteht aus einer fünfzehngliedrigen
Kohlenstoff-Kette, die über eine (sauerstoffhaltige) Lacton-Bindung zum Ring
geschlossen ist. Kohlenstoffatom Nr. 12 und 13 sind über ein Sauerstoffatom
verbrückt. Diese Brücke scheint für einen guten Teil der nicht tumorspezifischen
Cytotoxizität - potenzieller Auslöser von Nebenwirkungen eines späteren
Medikaments - verantwortlich zu sein. Die Chemiker entfernten die Brücke und
ersetzten sie durch eine Doppelbindung zwischen den beiden Kohlenstoffatomen.
Durch diesen Eingriff ging allerdings auch ein Teil der Wirksamkeit gegenüber
Tumorzellen verloren. Diesen Verlust konnten die Forscher teilweise wieder
wettmachen, indem sie eine weitere Doppelbindung zwischen Kohlenstoffatom Nr. 9
und 10 einführten. Positiver Nebeneffekt: Die Doppelbindung stabilisiert den
Wirkstoff deutlich gegen Abbau im Plasma. Die Forscher waren aber immer noch
nicht ganz zufrieden und ersetzten die drei Wasserstoffatome einer Methylgruppe
(CH3) gegen drei Fluoratome. Dieser dritte Eingriff in das Molekül sorgt nicht
nur für eine weitere Stabilisierung, sondern lässt den Wirkstoff offenbar auch
leichter in die Tumorzellen eindringen. Die so editierten Epothilone bringen in
Mäuse transplantierte menschliche Tumoren dauerhaft zum Verschwinden. "Natürlich
ist der Weg bis zur klinischen Anwendung noch weit," so Chou und Danishefsky,
"aber unsere Ergebnisse sehen sehr spannend aus." Das Memorial Sloan-Kettering
Cancer Center, Kosan Biosciences und Hoffman LaRoche entwickeln die Epothilone
der zweiten Generation nun gemeinsam weiter.