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Erdölraffinerie



  Eine Erdölraffinerie ist ein Industriebetrieb, der aus dem Naturstoff Erdöl durch Destillation, Reinigung (Entschwefelung) und Veredelung (Reformierung) höherwertige Produkte herstellt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die ersten Raffinerien entstanden schon zum Beginn der Mineralöl-Ära, also Mitte des 19. Jahrhunderts. Der erste Raffineriebetrieb wurde 1856 von Ignacy Łukasiewicz, dem Erfinder der Petroleumlampe, in Ulaszowice (Polen) eingerichtet. Sehr schnell begannen die aus Erdöl gewonnenen Leuchtöle die bis dahin aus Tierfetten, insbesondere Waltran, gewonnenen Lampenbrennstoffe zu ersetzen, wozu zunächst eine Aufbereitung des Erdöls durch Destillation notwendig war.

Die Destillation des gewonnen Erdöls fand auf eine sehr einfache Weise statt. Man füllte einen Kupferkessel mit etwa 750 Liter Erdöl, entfachte ein Feuer darunter und brachte den Kesselinhalt zum Sieden. Die entstehenden Dämpfe leitete man durch ein Kühlrohrsystem, wo sie kondensierten. Auf diese Weise erzeugte man Petroleum, das zu Beleuchtungszwecken in Petroleumlampen diente. Den im Kessel verbliebenen teerartigen Rückstand entsorgte man.

Die Verwertung weiterer aus dem Erdöl gewonnener Produkte und insbesondere die schnelle Verbreitung der Verbrennungsmotoren nach dem Ersten Weltkrieg erforderte nicht nur den Bau zahlreicher neuer Raffinerien, sondern führte auch zu einer rasanten Weiterentwicklung der in einer Raffinerie verwendeten Verfahren. Wie in vielen anderen Industriezweigen haben sich die Anforderungen an eine Raffinerie, insbesondere an die Produkte im Laufe der Jahre geändert. Grundsätzlich ist hier das Anpassen der Produktspezifikation zu nennen, die sich in den letzten Jahren aufgrund der Gesetze (Umwelt und Gesundheit) geändert haben. So sank der erlaubte Schwefelgehalt bei den Kraftstoffen sowie beim Heizöl. Bei den Vergaserkraftstoffen sanken die Benzol- und die Aromatenspezifikationen.

Technik

Das aus den Lagerstätten gewonnene Rohöl wird vor Ort für den Transport zur Raffinerie aufbereitet, d. h., im Wesentlichen grob von Sedimenten und Wasser getrennt. Nach diesen ersten Verarbeitungsschritten, es heißt nun Erdöl, wird es per Schiff oder Pipeline zur Raffinerie geliefert. Hier wird das Flüssigkeitsgemisch in weiteren komplizierten und aufeinanderfolgenden Einzelschritten in unterschiedliche Fraktionen getrennt und zu verkaufsfähigen Produkten aufbereitet. Die Technik ist heute so weit fortgeschritten, dass keinerlei Stoffe des Rohöls unverwandt bleiben. Selbst das überall, aber unerwünscht als Nebenprodukt anfallende Raffineriegas, findet Verwendung. Es wird entweder direkt in den Prozessöfen als Energieträger benutzt oder in der chemischen Weiterverarbeitung als Synthesegas eingesetzt.

Erdölreinigung/Entsalzung

Das Erdöl Rohöl ist bereits an der Lagerstätte von Sand und Wasser abgetrennt worden. Um Korrosion in den Anlagen vorzubeugen, wird das Rohöl entsalzt (auf Salzgehalte <10 ppm), indem unter Zusatz von Wasser eine Rohöl-Wasser-Emulsion hergestellt wird. Das Salz löst sich in der wässrigen Phase dieser Emulsion. Die Emulsion wird dann in einem elektrostatischen Entsalzer wieder getrennt, wobei das Wasser mit den Salzen entsprechenden Aufbereitungsanlagen zugeführt wird und das entsalzte Rohöl weiter zur Destillation gepumpt wird.

Primärverarbeitung

  Nach der Entsalzung wird das Rohöl in zwei Stufen erwärmt. Die Vorwärmung geschieht in Wärmetauschern durch Wärmerückgewinnung von ablaufendem Produkt. Die Spitzenvorheizung erfolgt durch Öfen bis auf etwa 400 °C. Das erhitzte Öl wird durch Rektifikation in einer bis zu 50 m hohen Kolonne in seine Bestandteile aufgetrennt. Das Rohöl tritt in einer 2-Phasen-Strömung (Gas/Flüssig) in die Kolonne ein. Das Temperaturprofil fällt nach oben hin ab! Da die Temperatur im Sumpf am höchsten ist und die leichten Bestandteile somit nicht kondensieren, steigen die leichten Bestandteile gasförmig weiter nach oben. Im Kopf der Kolonne fällt Gas und Leichtbenzin (Naphtha) an, darunter Kerosin, Zwischenprodukt für Treibstoffe turbinengetriebener Luftfahrzeuge (nicht zu verwechseln mit dem so genannten „Flugbenzin“, dem AVGAS für Flugzeugottomotoren), Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl. Weiter unten Gasöl (Heizöl- und Diesel-Ausgangsstoffe) und im Sumpf – Fuß der Kolonne – der Rückstand. Diese erste Rektifikation findet bei atmosphärischem Druck statt und wird daher atmosphärische Rektifikation genannt. Der Rückstand wird in einer weiteren Rektifikationskolonne bei Vakuum erneut destilliert, um ihn in weitere Produkte aufzutrennen (siehe Vakuumdestillation). Eine Vakuumrektifikation ist nötig, da die Kettenlänge der schwersiedenden Kohlenwasserstoffe (KWs) größer ist und diese KWs bei hohen Temperaturen eher dazu neigen thermisch zu cracken als sich destillativ trennen zu lassen (Van-der-Waals-Kräfte).

Veredelungsverfahren

Nach der Sekundärverarbeitung wird eine Reihe von Veredlungsverfahren angewendet, um Katalysatorschadstoffe abzutrennen und um die Qualität der Zwischenprodukte zu verbessern – fast alle Mineralölprodukte, welche die Raffinerie verlassen sind nicht nur einfach aus Erdöl destilliert/rektifiziert. So werden Vergaserkraftstoffe, Dieselkraftstoff, das Heizöl (extraleicht) für Immobilien und das für Industrieanlagen (Heizöl schwer) aus verschiedenen Zwischenprodukten / Komponenten zusammengemischt, die bei unten genannten Herstellungsprozessen erzeugt werden.

Hydrotreating, Claus-Verfahren

Die bei der fraktionierten Destillation anfallenden Schmier- und Heizöle sind noch reich an Schwefelverbindungen. Diese würden bei der Verbrennung giftiges Schwefeldioxid freisetzen, das auch für das Waldsterben verantwortlich ist. Beim Hydrofinieren werden die zu entschwefelnden Öle mit Wasserstoff vermischt und erhitzt. Das heiße Gemisch gelangt in einen mit einem Katalysator gefüllten Reaktor. Bei einer Temperatur von ca. 350 °C reagiert der Wasserstoff mit den Schwefelverbindungen zu Schwefelwasserstoff.

Am Beispiel die Umsetzung von Merkaptanen: R-SH+ H_2\rightarrow R-H+ H_2S

Beim nachfolgenden Claus-Verfahren wird der angefallene Schwefelwasserstoff mit Luftsauerstoff in einem Reaktor verbrannt. Es lässt sich dabei Schwefel gewinnen:

6\ \text{H}_2\text{S} + 3\ \text{O}_2 \rightarrow 6\ \text{S} + 6\ \text{H}_2\text{O} \text{DH} = -664\ \text{kJ/mol}

Die Umsetzung von Alkoholen: \text{R-OH} + \text{H}_2\rightarrow \text{R-H} + \text{H}_2\text{O}\,

Die Umsetzung von Aminen: \text{R-NH}_2 + \text{H}_2\rightarrow \text{R-H} + \text{NH}_3\,

Das Hydrotreating läuft bei Temperaturen von 300–400 °C ab. Eingesetzt werden dabei Katalysatoren aus Nickel, Molybdän oder Cobalt auf Aluminiumoxid. Der gewonnene Schwefelwasserstoff (H2S) wird in einer Claus-Anlage zu reinem Schwefel umgesetzt.

Reforming

Das katalytische Reforming hat zum Ziel, die Oktanzahl des Rohbenzins (Siedebereich 75–180 °C) zu erhöhen und aromatische Kohlenwasserstoffe zu erzeugen. Weiterhin erhält man Wasserstoff als Produkt, der in den Hydrotreating-Prozessen und in Hydrocracking-Prozessen eingesetzt wird. Bis zur Entdeckung des katalytischen Reformings im Jahre 1948 durch V. Haensel bei Universal Oil Products (UOP) waren die Reforming-Prozesse überwiegend thermischer Natur. Ein von Standard Oil entwickeltes Reforming-Verfahren auf Basis molybdänhaltiger Katalysatoren wurde bald durch die wesentlich stabileren Platinkontakte ersetzt. Das Reforming läuft bei ca. 500 °C und 5–40 bar in einem Wanderbettreaktor ab. Eingesetzt werden dabei bifunktionelle Katalysatoren (Platin-Zinn oder Platin-Rhenium, auf chloriertem Aluminiumoxid oder Zeolithen).

Typische Reaktionen beim Reforming sind:

  • Ringschluss: \text{Alkane} \rightarrow \text{Cycloalkanen} + \text{H}_2
  • Dehydrierung: \text{Cycloalkane} \rightarrow \text{Aromaten} + \text{H}_2
  • Isomerisierung: \text{n-Alkane} \rightarrow \text{iso-Alkane}

An den Metallzentren des Katalysators laufen dabei bevorzugt die Hydrierungs-/Dehydrierungsreaktionen ab, während die Säurezentren Isomerisierungs- und Ringschlussreaktionen katalysieren. Eine unerwünschte Nebenreaktion ist die Verkokung des Katalysators durch Polymerisations- und Dehydrierungsreaktionen. Die Verkokung wird durch Abbrennen des Kokses und anschließender Oxychlorierung des Katalysators entfernt.

Cracken

Es gibt zwei Hauptgruppen beim Cracken: thermisches Cracken und katalytisches Cracken. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass beim thermischen Cracken keine Katalysatoren eingesetzt werden. Dadurch können dem thermischen Cracken auch Rückstände der Erdöldestillation zugeführt werden, die wegen ihres Gehalts an Schwermetallen und Schwefel den Katalysator beim katalytischen Cracken beschädigen würden.

Pyrolyse

Bei der Pyrolyse werden vor allem Leichtbenzine bei sehr hohen Temperaturen in Ethen, Ethin und Propen gespalten. Ein Gemisch aus Methan und Sauerstoff wird in einem Brenner unter Zugabe von Wasserdampf auf 2500 °C erhitzt. Leitet man das Leichtbenzin in dieses Gemisch, wird es gespalten (Beispiel am n-Heptan):

\text{n-Heptan} \xrightarrow{2500\,^{\circ}\text{C}} \text{Ethen} + \text{Ethin} + \text{Propen} + \text{H}_2

Ethen und Propen sind wichtige Zwischenprodukte zur Herstellung von Kunststoffen. Die Pyrolyse wird auch als Steam-Crackverfahren bezeichnet. Im Gegensatz zum katalytischen Cracken findet die Pyrolyse bei sehr viel höheren Temperaturen und ohne Katalysator statt.

 

Produkte

Die Fertigprodukte können gasförmig, flüssig oder fest sein. (Aggregatzustand)

Durch die Verdichtung und die Wärme in den Zylindern des Ottomotors kann es zu vorzeitigen Selbstzündungen des Benzin-Luft-Gemisches kommen (=Klopfen). Unverzweigte Kohlenwasserstoffe neigen zu dieser Frühzündung, während verzweigte und ungesättigte Kohlenwasserstoffe sowie Aromate eine relativ hohe Klopffestigkeit besitzen.

  • Benzin, Bedeutung der Oktanzahl

Das "Klopfen" im Motor ist eine Frühzündung des Benzin-Luftgemisches

Die Maßzahl für die Klopffestigkeit heißt Oktanzahl (ROZ = Research-Oktanzahl). Je höher die Oktanzahl ist, umso klopffester ist der Kraftstoff. Demnach hätte reines iso-Octan (2,2,4-Trimethylpentan) die Oktanzahl ROZ=100 (vgl. >Isomerie). Normalbenzin besitzt eine Oktanzahl von ROZ=91, Superbenzin dagegen ROZ=95 und „Super-Plus“ ROZ = 98. Benzinmotoren sind auf eine ausreichend hohe Oktanzahl angewiesen, ansonsten kann der Motor durch das Verbrennungsklopfen beschädigt werden.

Oktan (n-Oktan); Oktanzahl = 0

2,2,4-Trimethylpentan (i-Oktan); Oktanzahl = 100

Früher wurden dem Benzin zur Erhöhung der Klopffestigkeit bleihaltige, metallorganische Verbindungen wie Bleitetraethyl zugesetzt. Bei der Verbrennung zersetzte sich die Bleiverbindung thermisch, wobei Bleistäube in den Abgasen frei wurden. Die Bleistäube stellten ein großes Umweltproblem dar, da z. B. Verkehrspolizisten permanent den Stäuben ausgesetzt waren. Heute ist für Autos im Straßenverkehr kein verbleites Benzin mehr erhältlich.

Die Mengenanteile an Fertigprodukten ist einerseits von den eingesetzten Rohölsorten, andererseits von den in der Raffinerie vorhandenen Art an Verarbeitungsanlagen abhängig. So enthalten „leichte“ Rohöle relativ hohe Anteile an leichten Produkten, d. h. solche mit geringer Dichte (Flüssiggas, Kerosin, Benzin, Diesel), „schwere“ Rohöle dagegen größere Anteile an schweren Produkten, wie schweres Heizöl und Bitumen. In modernen Raffinerien kann ein Teil dieser schweren Bestandteile in leichtere umgewandelt werden (z. B. durch „Cracken“ – s. o.), sodass eine solche Raffinerie mehr schweres Rohöl verarbeiten kann, welches im Allgemeinen billiger ist als Leichtes.

  • Prozentual gestaltet sich die Ausbeute einer modernen Raffinerie in etwa wie folgt:
    • 3 % Flüssiggas (Propan, Butan)
    • 9 % Rohbenzin, Naphtha
    • 24 % Vergaser- / Ottokraftstoff
    • 4 % Flugturbinenkraftstoff, Kerosin
    • 21 % Dieselkraftstoff
    • 21 % leichtes Heizöl
    • 11 % schweres Heizöl
    • 3,5 % Bitumen
    • 1,5 % Schmierstoffe
    • Rest(2 %) : sonstige Produkte, Eigenverbrauch, Verluste


 

Bestandteile einer Raffinerie

Die Verarbeitungsanlagen einer Erdölraffinerie bestehen aus vielen Anlagenteilen:

Außerdem gehört zu einer Raffinerie:

  • Die Verwaltung
  • Das Labor
  • Werkstätten und Ersatzteillager
  • Kraftwerk
    • Dampferzeugung
    • Stromversorgung
  • Abwasserkläranlagen
  • Wasserwerk
  • Werkfeuerwehr
  • Erste Hilfe Station
  • In manchen Fällen Wirtschaftsgebäude mit Kantine

Berufsbilder

Standorte deutscher, österreichischer und Schweizer Raffinerien

 

  • Burghausen (OMV)
  • Gelsenkirchen (2x)
  • Hamburg (Shell Deutschland)
  • Heide (Shell Deutschland)
  • Hemmingstedt, Dithmarschen
  • Ingolstadt (Bayernoil bis vsl. 2008 und Petroplus)
  • Karlsruhe
  • Köln (Shell Deutschland)
  • Leuna (Total Raffinerie Mitteldeutschland)
  • Lingen (Ems), Erdöl-Raffinerie Emsland
  • Neustadt a.d.Donau
  • Salzbergen, Raffinerie Salzbergen
  • Schwedt/Oder, PCK Raffinerie
  • Vohburg
  • Wesseling (Shell Deutschland)
  • Wilhelmshaven

Österreich:

  • Schwechat (OMV)

Schweiz:

 
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