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Kapillarelektrophorese



Kapillarelektrophorese (engl. Capillary Electrophoresis, CE) ist eine auf der Elektrophorese beruhende analytische Trennmethode.

Unter Elektrophorese versteht man die Bewegung (Wanderung/Transport) von geladenen Teilchen (Ionen) in einem (meist flüssigen) Medium unter Einfluss eines elektrischen Feldes. Die Wanderungsgeschwindigkeiten verschiedener Ionen hängen von deren Ladung, Form und effektiver Größe sowie von der Lösungsumgebung und von der Stärke des elektrischen Feldes ab. Deshalb kommt es im Zuge einer elektrophoretischen Wanderung zur Trennung verschiedener Ionen. Dies kann präparativ und vor allem analytisch genutzt werden.

Bei der Kapillarelektrophorese findet diese Trennung in einem dünnen Kapillarrohr in einer Elektrolytlösung statt. Die Probenvolumina können im Bereich von nur 10 nl (!) liegen. Typische Analysenzeiten liegen zwischen 2 und 10 Minuten.


Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Erfinder der Elektrophorese wird der schwedische Forscher Arne Tiselius (1902-1971) angesehen. Er hat die Technik als Erster analytisch-chemisch genutzt, für seine Arbeit wurde er 1948 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Bei der von Arne Tiselius eingeführten klassischen Elektrophorese verwendet man Gele oder Papierstreifen, die mit einer Elektrolytlösung getränkt sind. Durch Anlegen eines elektrischen Feldes kam es zur Auftrennung von geladenen Substanzen, indem Kationen zur Kathode und Anionen zur Anode gezogen wurden, Neutralstoffe wanderten nicht. Die klassische Gel- oder Papierelektrophorese hat zwei entscheidende Nachteile. Eine quantitative Auswertung ist nur mit Remissionsmessung möglich, wobei z.B. Proteine erst nach Färbung, und daher stark fehlerbehaftet, untersucht werden können. Um das Austrocknen des Gels bzw. des Papierstreifens zu verhindern, darf keine allzu große Spannung angelegt werden, da die Joul'sche Wärme quadratisch mit der Spannung ansteigt. Niedrige Spannungen führen aber zu sehr langen Analysenzeiten, so dass für eine 10 cm lange Gelstrecke die Analysenzeit oftmals mehrere Stunden betragen kann. Um die Detektions- und Kühlprobleme in den Griff zu bekommen, wurde versucht, die elektrophoretische Trennung auf offene Rohre, wie in der HPLC und GC üblich, zu übertragen. Dabei traten jedoch neue Probleme durch Konvektionsströmungen im Elektrolyten auf. Die erste Trennung in einer offenen Glasröhre wurde 1967 von Hjertén beschrieben.

Entwicklung der Kapillarelektrophorese

Die eigentliche Entwicklung der Kapillarelektrophorese begann mit den Pionierarbeiten von Mikkers, Everearts und Verheggen gegen Ende 1970-er Jahre. Dabei wurde der Erfolg durch den Einsatz dünner Kapillaren aus Glas und Teflon mit Innendurchmessern zwischen 200 und 500 µm erzielt. Die bekannten hocheffizienten Trennleistungen der Kapillarelektrophorese (CE) konnten aber erst durch die von Jorgenson und Lukacs 1981 benutzten, aus der GC bekannten, fused-silica Kapillaren mit Innendurchmessern von 50 bis 200 µm erzielt werden. Das günstigere Oberflächen-Volumen Verhältnis bei den Kapillaren verhinderte den störenden Einfluss der thermisch induzierten Konvektion stark und Kapillaren aus Quarz ermöglichen den Einsatz von Detektoren, wie sie in der HPLC verwendet werden. In den letzten Jahren etablierte sich die CE als nennenswerte Alternative zur HPLC, auch wurden viele Trennprinzipien von der HPLC auf die CE übertragen. Etabliert hat sich die CE in der Analytik vor allem aufgrund der hohen Trenneffizienz, der guten Automatisierbarkeit und der breiten Adaptierbarkeit der Trennbedingungen.

Aufbau einer CE-Apparatur

Eine mit Elektrolyt befüllte Kapillare, welche mit ihren beiden Enden in mit dem Elektrolyten befüllte Gefäße (vials) taucht, bildet den Hauptbestandteil der CE-Apparatur. Über diese Elektrolytgefäße wird die Hochspannung für den Trennvorgang zugeführt. Bei den meisten Applikationen verwendet man 20-100 cm lange, mit Polyimid beschichtete fused-silica-Kapillaren mit einem Innendurchmesser von 50-250 µm. Die Polyimidbeschichtung ermöglicht eine bessere Handhabung, da die Kapillaren nicht so leicht brechen. Durch eine Hochspannungsquelle kann eine Spannung von bis zu 30 kV zur Kathode oder zur Anode angelegt werden. Durch den Einsatz von Quarzkapillaren wird eine UV-Detektion ermöglicht, doch muss vor dem Einsatz der Kapillare in den stark gefärbten Polyimidfilm ein Detektorfenster gekratzt oder gebrannt werden, durch welches hindurch detektiert wird. Neben den UV-Detektoren können Fluoreszenzdetektoren, induktive Leitfähigkeitsdetektoren, elektrochemische oder radioaktive Detektoren eingesetzt werden. Eine Kombination der CE mit Massenspektrometrie (MS) gestaltet sich technisch weit schwieriger als bei der HPLC, da aus der Kapillare sehr geringe Flüssigkeitsmengen eluieren. Für eine Kopplung mit der Massenspektrometrie muss der Fluss zumeist mittels eines "Sheath-Liquids" aufgefüllt werden. Trotz der technisch anspruchsvolleren Kopplung ergeben sich durch Kopplung mit ToF-Massenspektrometern weitaus höhere Empfindlichkeiten sowie bessere Möglichkeiten zur Speziation als mit den herkömmlichen Detektoren.

Ablauf einer Analyse

Um die Probe in die Kapillare einzubringen, wird das Elektrolytgefäß am Kapillareinlass gegen ein Probengefäß ausgetauscht. Die Probeninjektion selbst kann auf mehrere Arten erfolgen. Sie kann hydrodynamisch durch das Anlegen von Druck am Kapillareinlass oder durch Anlegen eines Vakuums am Kapillarauslass durchgeführt werden. Das injizierte Probenvolumen wird dann durch die Größe von Druck bzw. Vakuum und durch die Zeit bestimmt.

Auch kann die Probe hydrostatisch aufgebracht werden (Siphoninjektion). In diesem Fall wird das Probengefäß am Einlass um 5-20 cm angehoben bzw. das Gefäß am Kapillarauslass abgesenkt und so durch den Niveau-Unterschied ein hydrostatischer Fluss erzeugt. In diesem Fall wird das injizierte Probenvolumen durch den hydrostatischen Druckunterschied und die Zeit bestimmt. Tatsächlich wird aber nicht das Probenvolumen, das in der Größenordnung von nur ca. 10 nl liegt, bestimmt. Vielmehr wird das Verfahren gegen einen unter gleichen Bedingungen injizierten Standard geeicht.

Eine weitere Möglichkeit ist die elektrokinetische Injektion durch Anlegen einer Spannung. Sie wird vor allem für sehr verdünnte Proben benutzt. Dabei lässt man die Ionen sich im elektrischen Feld am Kapillareneinlass ansammeln. Ferner zieht in diesem Fall der Elektroosmotische Flow (EOF, siehe unten) ein gewisses Probenvolumen ein.

Nach Aufbringung der Probe wird das Probengefäß wieder durch ein Elektrolytgefäß ersetzt und die Elektrophorese-Spannung angelegt. Diese verursacht eine elektrophoretische Wanderung und Trennung der ionischen Analyten in der Kapillare sowie den EOF.

Während der EOF den Elektrolyten und die dazwischen gelagerte Probe durch die Kapillare treibt, wandern die Analytionen entsprechend ihrer spezifischen Wanderungsgeschwindigkeit dem EOF voraus bzw. entgegen und sammeln sich so in spezifischen Zonen. Werden gegen Ende der Kapillare diese Zonen am Detektionsfenster vorbeigetrieben, so nimmt der Detektor sie der Reihe nach als ionenspezifische "Peaks" auf. Diese Detektorreaktionen werden von einem Schreiber oder einem Computer aufgezeichnet und analog wie bei der HPLC nach ihrer relativen Wanderungsgeschwindigkeit identifiziert und nach ihrem Flächeninhalt quantitativ ausgewertet.

Theorie der Kapillarelektrophorese

Die Ionen bewegen sich mit einer konstanten Geschwindigkeit im elektrischen Feld. Wird die Spannung erhöht, so steigt die Feldstärke und die Wanderungsgeschwindigkeit wird größer.

v = µe · E
v = Wanderungsgeschwindigkeit; µe = elektrophoretische Mobilität; E = elektrische Feldstärke;

Ausschlaggebend für eine elektrophoretische Trennung sind die unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten von Ionen im elektrischen Feld. Daraus kann man schließen, dass sich Ionen in ihrer Mobilität unterscheiden und daraus unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeiten resultieren. Die elektrophoretische Mobilität ist eine stoffspezifische Konstante eines Ions und ist in einem Medium bei bestimmten pH-Wert definiert. Sie ist gut beschreibbar durch die Kräfte, welche auf den ionischen Analyten wirken. Auf den Analyten wirkt einerseits eine beschleunigende, andererseits eine bremsende Kraft, die Reibungskraft. Die beschleunigende Kraft ist eine elektrische, die sich durch Multiplikation der effektiven Ionenladung mit der elektrischen Feldstärke errechnen lässt.

Fe = z · F · E
Fe = elektrische Kraft; z = effektive Ionenladung; F = Faradaykonstante; E = elektrische Feldstärke;

Die effektive Ionenladung beschreibt die absolute Ionenladung abzüglich des Ladungsanteils der entgegengesetzt geladenen Moleküle in der Umgebung. Die Reibungskraft lässt sich annähernd durch das Stoke'sche Gesetz beschreiben:

FR = 6·π·η·r·v
FR = Reibungskraft; η = Viskosität des Lösungsmittels; r = Ionenradius;

Da diese Kräfte zueinander im Gleichgewicht stehen, ist ihr Quotient proportional zur Wanderungsgeschwindigkeit und zur Mobilität. Daraus ergibt sich folgende Gleichung:

µe = z · F/6·π·η·r

Aus dieser Gleichung kann man herauslesen, dass kleinere Moleküle eine höhere Mobilität und damit eine höhere Wanderungsgeschwindigkeit besitzen als große Moleküle.

Elektroosmotischer Fluss

Bei der Kapillarelektrophorese spielt zusätzlich der elektroosmotischer Fluss (EOF) eine tragende Rolle, der die elektrophoretische Wanderung meist überlagert. Seine Stärke hängt vom pH-Wert des Elektrolyten und von der Ladung in der Nähe der Kapillaroberfläche ab. Der EOF tritt als Folge des Grenzflächenphänomens zwischen Kapillarinnenwand und der Elektrolytlösung bei Anlegen eines elektrischen Feldes auf.

Die Oberfläche der Kapillarinnenwand ist bei Verwendung eines alkalischen Puffers als Elektrolyten durch die Dissoziation der Silanolgruppen negativ geladen. Es lagern sich nun positiv geladene Ionen aus dem Elektrolyten an der Oberfläche der negativ geladenen Kapillarinnenwand an und es kommt zur Ausbildung einer Doppelschicht. So entsteht einerseits eine starre Schicht, die direkt an der Wand anliegt und andererseits eine diffuse Schicht, die beweglich ist (Stern-Doppelschicht). Nach Stern nimmt das Potential in der starren Schicht linear ab, währenddessen es in der diffusen Schicht einen exponentiellen Spannungsabfall gibt. Es kommt zur Ausbildung eines sogenannten Zeta-Potentials, das für die Elektroosmose verantwortlich ist.

Legt man nun ein elektrisches Feld an, so wandern die Kationen aus der Elektrolytlösung zur Kathode und ziehen die gesamte Flüssigkeit mit. Das hat zur Folge, dass nicht nur Kationen, sondern auch neutrale Verbindungen und sogar Anionen, natürlich mit unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten, zur Kathode gezogen werden, wenn der EOF stark genug ist.

Beschrieben wird der elektroosmotische Fluss durch folgende Gleichung:

veo = µeo · E
veo = elektroosmotischer Fluss (EOF); µeo = elektroosmotische Mobilität; E = elektrische Feldstärke;

Da die Oberflächenladung an der Kapillarinnenwand stark pH-abhängig ist, ändert sich der elektroosmotische Fluss mit dem pH-Wert des Elektrolyten. Bei niedrigem pH-Wert wird er kleiner, bei hohem größer. Die Stärke des EOF ist auch abhängig von der Temperatur und der Elektrolytkonzentration. Steigt die Elektrolytkonzentration, sinkt der EOF bzw. umgekehrt. Auch durch den Zusatz von organischen Lösungsmitteln wie Methanol nimmt der EOF ab.

In der HPLC entsteht durch den angelegten Druck ein hydrodynamisches bzw. laminares Strömungsprofil. Das Strömungsprofil, das sich durch den elektroosmotischen Fluss ergibt ist dahingegen extrem flach. Das hat den Vorteil, dass es zu einer geringeren Bandenverbreiterung und damit zu einer höheren Peakschärfe kommt.

Techniken

In der CE werden verschiedenste Techniken verwendet, eine davon ist die Kapillarzonenelektrophorese (CZE). Die Probenauftragung erfolgt hier als möglichst schmales Band. Nach Anlegen des elektrischen Feldes bewegt sich jede Komponente der Probe aufgrund ihrer Mobilität, so dass sich im Idealfall reine Zonen mit nur einer Komponente ausbilden. Es erfolgt eine Auftrennung aufgrund der Ladung und der Mobilität. Neutrale Moleküle werden zwar durch den elektroosmotischen Fluss zur Kathode gezogen, aber nicht aufgetrennt.

Durch Einführung der mizellarelektrokinetischen Chromatographie (MEKC) konnten auch neutrale Moleküle aufgetrennt werden. Im Falle der MEKC werden Mizellen durch den Zusatz von Detergentien wie Natriumdodecylsulfat (SDS) zum Elektrolyten gebildet. Dadurch erfolgt die Auftrennung der neutralen Moleküle entsprechend ihrer Verteilung zwischen den Mizellen.

Weiters wurden Verfahren wie die Kapillargelelektrophorese (CGE) und die isoelektrische Fokussierung (CIEF) entwickelt. In der Kapillargelelektrophorese ist die Kapillare mit einem polymeren Gel, z.B. Polyacrylamid, befüllt. Damit nutzt man zusätzlich Molekularsiebeffekte zur Verbesserung der Trennung.

Bei der isoelektrischen Fokussierung werden amphotere Probenbestandteile entlang eines pH-Gradienten getrennt. Es kommt zu einer Trennung, da beispielsweise Aminosäuren als amphotere Verbindungen nur solange wandern, bis ihr isoelektrischer Punkt erreicht ist, sie also nach außen hin neutral sind.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Isotachophorese (ITP). Dabei wird ein diskontinuierliches Puffersystem aus Leit- und Endelektrolyt verwendet. Da sich die Mobilitäten von Leitelektrolyt (höchste Mobilität) und Endelektrolyt (niedrigste Mobilität) unterscheiden, bildet sich bei Anlegen eines konstanten Stroms unter Einhaltung des Ohm'schen Gesetzes ein Potentialgradient aus.

Literatur

  • Jandik, Petr und Günther Bonn: Capillary Electrophoresis of Small Molecules and Ions VCH,New York, Weinheim, Cambridge(UK), 1993; ISBN 1-56081-533-7
  • Camilleri, Patrick: Capillary Electrophoresis -Theory and Practice 2nd ed. CRC-Press BocaRaton, Boston, New York, Washington,D.C., London 1998 ISBN 0-8493-9127-X
 
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