Nobelpreis an deutschen Physiker Ketterle und zwei Amerikaner

10.10.2001
Stockholm (dpa) - Der deutsche Physiker Wolfgang Ketterle sowie die beiden US-Forscher Eric Cornell und Carl Wieman erhalten in diesem Jahr den Physik-Nobelpreis. Die Wissenschaftler werden für die Erschaffung eines neuen Materiezustands geehrt. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit. Dieses so genannte Bose-Einstein-Kondensat ist neben fest, flüssig, gasförmig und dem Plasma die fünfte Erscheinungsform der Materie. Die Experimente Ketterles könnten zudem als erster Schritt zu einem Atomlaser angesehen werden.    Der am 21. Oktober 1957 in Heidelberg geborene Ketterle (43) folgte vor elf Jahren einem Ruf an das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA). Damit geht im vierten Jahr in Folge ein wissenschaftlicher Nobelpreis an einen gebürtigen Deutschen, der in den USA forscht. Erster Physik- Nobelpreisträger war 1901 der Deutsche Wilhelm Conrad Röntgen. Für ihn gehe «ein Traum in Erfüllung», sagte Ketterle in einem Telefongespräch mit der dpa. Er freue sich auch auf die zunehmende Popularität: «Wahrscheinlich zieht unser Erfolg mehr Studenten an, und wir haben Aussicht auf mehr Forschungsgelder.» Der Physiker lebt mit seiner Frau Johanna und drei Kindern in Brookline (US-Staat Massachusetts). Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) gratulierte Ketterle und wünschte ihm für seine weiteren Arbeiten viel Erfolg. Für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist der vierte Nobelpreis in Folge an gebürtige Deutsche, die in den USA forschen, kein Hinweis auf Defizite in der deutschen Forschungspolitik. Der Umzug Ketterles sei in einem üblichen Alter erfolgt. Ein späteres Angebot auf einen Direktorenposten bei einem Max-Planck-Institut hatte Ketterle abgelehnt.    Die diesjährigen Nobelpreisträger haben «Atome dazu gebracht, unisono zu singen» und damit einen neuen Materiezustand entdeckt, heißt es in der Begründung der Königlich-Schwedischen Akademie. Dieses Bose-Einstein-Kondensat war bereits von Albert Einstein vorausgesagt worden, der sich auf Berechnung des indischen Physikers Satyendra Nath Bose von 1924 stützte. Laut Einstein sollten sich Atome einiger Gase bei ganz tiefen Temperaturen plötzlich in dem niedrigsten möglichen Energiezustand sammeln und zu einem «Superatom» verschmelzen. Kondensat heißt der Zustand, weil der Weg dahin dem Kondensieren von Wasserdampf an einer Glasscheibe ähnelt. Erst rund 70 Jahre nach der Vorhersage konnten die diesjährigen Nobelpreisträger diesen extremem Zustand herstellen. Das gelang 1995 zunächst den beiden Physikern Cornell (39) vom National Institute of Standards and Technology in Boulder (US-Staat Colorado) und Wiemann (50) von der University of Colorado ebenfalls in Boulder. Sie erzeugten mit 2000 Rubidium-Atomen ein Kondensat, nur 20 Milliardstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt bei minus 273 Grad. Unabhängig davon schuf Ketterle wenig später diesen exotischen Materiezustand mit Natriumatomen. Ketterle konnte sogar einen kurzen Strahl von Tropfen erzeugen, die auf Grund der Schwerkraft herunter fielen. «Das kann als ein Anfang zu einem 'Laserstrahl' mit Materie anstelle von Licht gesehen werden», schreibt die Akademie. Die Physiker erhalten den Preis auch für «frühe grundsätzliche Studien über die Eigenschaften der Kondensate». Das Kondensat werde umwälzende Anwendungen unter anderem in der Nanotechnologie haben. Ketterle habe zu den besten Physikstudenten der Technischen Universität München gezählt, sagte sein späterer Doktorvater, Prof. Herbert Walther vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik, der dpa. Dort knallten am Dienstag die Sektkorken: In Garching hatte Ketterle 1986 seine Doktorarbeit mit der Bestnote «summa cum laude» abgeschlossen. Unter Kollegen gelte er als ebenso kompetent wie freundlich.

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