Wissenschaftler enthüllen die verborgene Symmetrie von Flüssigkeiten

Max-Planck-Institut für Metallforschung gelingt in geschmolzenem Blei der erste experimentelle Nachweis von inneren Strukturen in Flüssigkeiten.

19.12.2000

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart haben jetzt erstmals nachgewiesen, dass Flüssigkeiten über eine fünfzählige innere Symmetrie verfügen (Nature, 14. Dezember 2000). Dieses Ergebnis ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Stabilität kondensierter Materie: Danach sind Kristalle und Flüssigkeiten in ihrer Symmetrie nicht miteinander verwandt. Das hat zur Folge, dass sich die Atome beim Übergang vom flüssigen in den kristallinen Zustand erst neu ordnen müssen, bevor das Kristallwachstum einsetzen kann.

Symmetrien sind ein wichtiger Schlüssel, mit dem Physiker die Geheimnisse der Natur zu enträtseln und zu ordnen suchen. So gehen die Entdeckung des Periodensystems der Elemente oder der Quarks auf Symmetrie-Prinzipien zurück. Auch die Schönheit der Kristalle und ihre besonderen Eigenschaften hängen entscheidend von ihren inneren Symmetrien ab. Kristalle zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Raum lückenlos und vollkommen periodisch ausfüllen. Die Natur spielt hier gewissermaßen dreidimensionales Tetris, aber mit unzählig vielen gleichen Kugeln. Bereits vor mehr als 100 Jahren fanden die Wissenschaftler heraus, dass dieses atomare Tetris nur ganz wenige Rotations-Symmetrien zulässt - die so genannten zwei-, drei-, vier- und sechsfachen Symmetrie-Achsen. Darauf beruht ein berühmter Lehrsatz der Kristallkunde, wonach Kristalle entweder als Rechtecke, Dreiecke, Würfel oder Sechsecke vorkommen können. Alle anderen Symmetrien, wie zum Beispiel ein Fünfeck, sind nicht im Einklang mit dem dreidimensionalen Raum. Im Tetris-Spiel entstünden plötzlich Lücken und Spalten...

In Flüssigkeiten ballen sich die Atom-Kugeln ähnlich eng aneinander wie in Kristallen - ihre Dichte ist deshalb annähernd gleich. Im Unterschied zu Kristallen besitzen Flüssigkeiten jedoch keine vorgegebene feste Form und sind hochbeweglich. Könnte man die Atome in der Flüssigkeit direkt sichtbar machen, würde man beobachten, dass sie keine periodische Anordnung ausbilden und sich ständig neu anordnen. Dieser Prozess läuft in weniger als einer Pikosekunde ab (in dieser Zeit durchquert Licht gerade einmal die Dicke eines Haares). Hat die Natur in Flüssigkeiten tatsächlich keine Symmetrie eingebaut? Was ist ihr Bauprinzip? Wissenschaftler haben sich deshalb schon seit längerem gefragt, zu welchen Strukturen man gelangen würde, wenn man gleiche Kugeln lokal möglichst eng zusammenpackt. Bei ihren Modellierungen fanden sie eine überraschende Antwort: Nicht Würfel oder Sechsecke, sondern fünfeckige Gebilde (Bild 1), erlauben in Flüssigkeiten eine idealere Anordnung der Atome als im symmetrischen Bauplan eines Kristalls. Dies legte bereits vor mehr als 50 Jahren die Vermutung nahe, dass Flüssigkeiten aus lokalen Strukturen bestehen könnten, die diese "verbotene" fünfzählige Symmetrie aufweisen. Doch bisher war es nicht möglich, diese Gebilde direkt nachzuweisen. Sie entstehen und vergehen innerhalb der oben genannten extrem kurzen Zeitabstände und galten bisher als eine "verborgene Symmetrie" in der Natur.

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