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Atomstromfilter



Ein Atomstromfilter (auch Atomstromseparator) ist ein fiktives Gerät, dessen vorgeblicher Zweck es sein soll, den elektrischen Strom, der aus Kernkraftwerken stammt, auszufiltern und nur nicht durch Kernkraft erzeugten Strom ins Stromnetz des Haushalts weiterzugeben.

Physikalisch ist es allerdings unmöglich, die Produktionsart des Stroms festzustellen. Die Angebote, die man unter anderem im Internet findet, sind daher zumeist als Scherz gemeint. Sie karikieren die unbestimmten Technikängste und die technische Unbedarftheit mancher Verbraucher. Die Eigendynamik dieses Scherzes hat allerdings sogar zu einer Warnung der Verbraucherzentralen vor diesem „Produkt“ geführt[1].

Technische Machbarkeit

Anbieter vermeintlicher Atomstromfilter geben an, das Gerät würde den Atomstrom herausfiltern und den Haushalt vor etwaiger Radioaktivität schützen. Aus physikalischer Sicht ist dagegen aber einzuwenden, dass es keine unterschiedlichen „Stromarten“ gibt und sie deshalb auch nicht sortiert werden können.

Die Ansicht, dass in den Landesnetzen der Strom – etwa wie Wasser durch Wasserleitungen – vom Erzeuger zum Verbraucher fließt und dabei gefiltert werden kann, ist aus technischer Sicht falsch. Das träfe nur auf Gleichstrom zu, bei dem sich die Elektronen sehr langsam (Richtwert etwa 1 Millimeter pro Sekunde) in eine Richtung bewegen. Lediglich die Information, dass an einen Leiter eine Spannung angelegt wurde, breitet sich annähend mit Lichtgeschwindigkeit aus. Wiederum kann hier als Analogie eine Wasserleitung dienen, die unter Druck gesetzt wird, wobei sich der Druckanstieg mit Schallgeschwindigkeit in der Leitung ausbreitet, unabhängig davon, ob Wasser fließt oder nicht.

Bei Wechselstrom ändern die Elektronen im Takt der Netzfrequenz (in Europa 50 Hertz) ihre Bewegungsrichtung, schwingen also lediglich um einen Ausgangspunkt und bleiben im Mittel an der gleichen Stelle des Stromleiters. Transportiert wird nur die Wirkungsausbreitung, also die Energie und der Teilchenimpuls, den sich die Elektronen gegenseitig zuschieben.

Kraftwerke in Europa sind heute immer in einem Verbundnetz geschaltet. Jedes Kraftwerk trägt mit seinen Generatoren zum Schwingen der Elektronen im Stromnetz bei und liefert so Leistung an das Netz. Alle am Netz angeschlossenen Kraftwerke liefern den Wechselstrom phasenrichtig (im Gleichtakt) mit allen anderen Kraftwerken an das Netz, was ein aufwendiger technischer Vorgang ist. Stromverbraucher setzen die übertragene Energie um, indem die Elektronen – zum Beispiel in einer Glühlampe – durch das Anschließen an das Landesnetz durch dessen Wechselspannung in Schwingungen versetzt werden. Es kommt dabei keinerlei Information darüber an, mittels welcher Energiequelle diese Schwingung angeregt wurde. Die Energie, die das Kernkraftwerk ins Netz einspeist, ist also nur eine Anregung von Schwingungen von Elektronen, die an jeder Stelle des Netzwerkes von Natur aus vorhanden sind und ihren Ort bei Wechselstrom nicht ändern.

Ein angeblicher Weitertransport von Radioaktivität ist aber auch aus anderen Gründen ohne Grundlage. Selbst bei fließenden Elektronen (Gleichstrom) kann keinerlei Gefährdung von ihnen ausgehen. Elektronen sind Elementarteilchen, die in keinem Fall irgendeine Art von „radioaktiver Belastung“ tragen können.

Kernkraftwerke sind zudem Wärmekraftwerke, d.h. die Kernkraft wird zunächst als Wärme frei, mit der Wasser erhitzt wird, das über mehrere voneinander getrennte Kreisläufe schließlich Turbinen antreibt, die elektrischen Strom in Spulen induzieren. Die Schwingungen werden nicht durch Kernspaltungsprozesse angeregt, sondern in den Spulen der Generatoren. Es besteht keinerlei physische Verbindung zwischen Kernzerfall und Stromerzeugung. Auch ein hypothetischer Transport von Partikeln entlang der Leitung ist somit ausgeschlossen. Der Atomstromfilter ist in jedem seiner Aspekte ein wissenschaftlicher Witz, der dem Amüsement oder vielleicht auch der Irreführung dient.

Geschichte

Der Scherz „Atomstromfilter“ geht auf Techniker von Kernkraftwerken zurück, die sich über die ideologisch gefärbte Ablehnung der Kernenergie in den 1970er Jahren lustig machten. Der Begriff hat sich danach verselbständigt und wurde in Kreisen von Kernkraftgegnern und Esoterikern für ernsthaft erachtet. Es gibt jedoch auch eine große Gemeinde von ernsthaften Kernkraftgegnern, die über diesen Scherz kräftig lachen. In den 1980er Jahren gab es solche Geräte auch tatsächlich zu kaufen.

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung der Verbraucherzentrale Sachsen vom 14.10.2002: Atomstromfilter: Scherz, Schwindel oder Betrug? – Sachsens Verbraucherschützer warnen vor dubiosen Angeboten
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Atomstromfilter aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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