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Kalina-Kreisprozess



Unter dem Kalina-Kreisprozess oder Kalina Cycle Verfahren versteht man ein in den 1970er Jahren vom russischen Ingenieur Alexander Kalina entwickeltes Wärmeaustauschverfahren zur Dampferzeugung auf einem niedrigem Temperaturniveau zur Energieerzeugung. Herkömmliche Wasserdampfturbinen benötigen Wasserdampf mit Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius, um eine rentable Energieerzeugung zu gewährleisten - bei geothermischen Kraftwerken ist dies nur durch kostspielige Tiefbohrungen zu erreichen. Um auch Wasser mit Temperaturen um 90 Grad nutzen zu können, entwickelte Kalina einen Kreislauf, bei dem die Wärme des Wassers an ein Ammoniak-Wasser-Gemisch abgegeben wird. Der jetzt schon bei wesentlich niedrigeren Temperaturen entstehende Dampf wird dann zum Antrieb von Turbinen genutzt. Technisch entspricht das Verfahren einem Binärverfahren mit indirekter Nutzung der Wärmequelle, teilweise spricht man auch von einem Clausius-Rankine-Kreisprozess, gegenüber einem Organic Rankine Cycle (ORC) soll der Wirkungsgrad 10-60% höher sein. Hierdurch kann schon bei geringeren Bohrtiefen ein Erdwärmekraftwerk betrieben werden. Zur Zeit arbeiten weltweit nur wenige geothermische Kraftwerke nach diesem Wirkprinzip, das bekannteste ist in Island, das Verfahren erlebt jedoch wegen der hohen Energiepreise derzeit eine Renaissance.

Das Verfahren ist durch verschiedene Patente geschützt, die die kalifornische Firma Exergy hält - die europäischen Lizenzen für einen Verfahrenstyp, den sogenannten SG1 Cycle, hat sich Siemens Industrial Solutions and Services gesichert, der daraus weiterentwickelte SG2 Cycle wird durch den Anlagenbauer M+W Zander gehalten. Die verschiedenen Verfahrenstypen unterscheiden sich im apparativen Aufwand und der damit erreichbaren Effektivität.

Technische Beschreibung

Im Verdampfer wird die „Arbeitslösung“, ein Gemisch aus Ammoniak und Wasser, verdampft und in der Turbine auf einen Druck entspannt, der niedriger liegt, als der bei der Kühlwassertemperatur mögliche Kondensationsdruck für das Ammoniakgemisch. Kalina macht hier von der Eigenschaft von Gemischen Gebrauch, durch Verringerung der Gesamt-Ammoniakkonzentration aus flüssiger und dampfförmiger Phase bei konstanter Temperatur den Siededruck abzusenken bzw. bei konstantem Druck die Siedetemperatur anzuheben. Die Konzentrationsänderung erfolgt im Absorber/Kondensator durch Zumischen einer „armen“ Ammoniaklösung aus dem Austreiber zum Turbinendampf. Durch die Konzentrationserniedrigung vergrößert sich das Druckgefälle für die Turbine. Dafür muss im Absorptionsteil der mehrfache Turbinenmassenstrom umgewälzt werden. Absorptions- und Kondensationswärme werden an das Kühlwasser abgeführt.

Die entstandene „Basislösung“ wird mittels einer Pumpe auf den notwendigen Kondensationsdruck der Arbeitslösung gebracht und der größere Teilstrom davon in den Austreiber gefördert. Dort wird mit Hilfe von Abwärme aus dem Turbinenabdampf fast reines Ammoniak ausgetrieben. Die verbleibende arme Lösung fließt über ein Drosselventil zum Kondensator zurück. Der Ammoniakdampf wird nun im Absorber/Kondensator mit dem anderen Teilstrom der Basislösung zusammengeführt und kann dort als nun wieder Arbeitslösung endgültig beim dafür notwendigen Siededruck unter Wärmeabgabe an das Kühlwasser kondensieren. Nach Druckerhöhung wird die Arbeitslösung wieder in den Abhitzedampferzeuger gefördert.

Der besondere Vorteil der Kalina-Schaltung liegt im wesentlichen in den günstigeren Wärmeübertragungsverhältnissen im Dampferzeuger und Kondensator begründet. Dabei wird die Eigenschaft der Gemische genutzt, durch Konzentrationsänderungen Temperaturänderungen zu bewirken. Hier geschieht das durch Änderung der Konzentration der Einzelphasen aus Dampf und Flüssigkeit bei konstanter Gesamtkonzentration und konstantem Druck. Dabei verdampft das Gemisch unter stetig ansteigenden Temperaturen bzw. kondensiert unter stetig sinkenden Temperaturen. Durch die nichtisotherme Verdampfung des Gemisches liegen die Verdampfungstemperaturen näher an der Ideallinie der Wärmequelle als die des Wassers, das bei konstanter Temperatur verdampft.Ein weiterer Effekt ist, dass mehr Flüssigkeits- und Überhitzungswärme übertragen werden kann. Die Verluste bei der Wärmeübertragung werden dadurch geringer bzw. die mittlere Temperatur der Wärmezufuhr wird angehoben, was nach Carnot eine Verbesserung des Prozesswirkungsgrades bedeutet. Umgekehrt wird auch bei der Wärmeabfuhr in ähnlicher Weise durch die sinkenden Siedetemperaturen des Gemisches bei der Kondensation die mittlere Temperatur der Wärmeabfuhr abgesenkt, mit dem gleichen positiven Effekt auf den Wirkungsgrad. Der thermodynamische Vorteil kleiner Temperaturdifferenzen bei der Wärmeübertragung wird jedoch mit großen Heizflächen der Wärmeübertrager erkauft, die zusätzlich noch durch schlechteren Wärmeübergang infolge von Diffusions- und Absorptionsvorgängen belastet werden.

Der tatsächlich mögliche Effizienzgewinn gegenüber einen einfachen Rankine-Prozess wird in der Literatur unterschiedlich angegeben. Während Gajewski e.a. ihn mit ca. 5 % angeben, sprechen H.M. Leibowitz und D.W. Markus (Energy Inc., Hayward, California) dagegen von einem möglichen Effizienzgewinn von bis zu 50 %. Diese weit auseinanderliegenden Angaben sind auch ein charakteristisches Zeichen für den frühen Entwicklungsstand dieser Technik. Kritisch für den Kalina-Prozess sind neben den nur begrenzt beherrschbaren Zersetzungsproblemen des Ammoniaks insbesondere die prozessbedingt erforderlichen wesentlich größeren Wärmeübertragerflächen. Dies fällt um so mehr ins Gewicht als der Flächenbedarf für den Wärmetransport mit sinkender Quellentemperatur stark zunimmt. In einem einfachen ORC-Prozess entfallen auf die Wärmeübertrager ca. 20 % der Anlagenkosten. Gajewski et al haben die minimalen Mehrkosten für einen Kalina-Prozess mit ca. 40 % gegenüber einem Rankine-Prozess ermittelt.

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Kalina-Kreisprozess aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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