Wissenschaftler mehrerer Universitäten wollen unter Leitung des Marburger Chemikers Professor Thomas Carell ein interaktives
Internet-Studium "Organische
Chemie an der Grenze zu den Biowissenschaften" aufbauen. Dafür hat das Bundesministerium für Bildung und
Forschung soeben 2,4 Millionen Mark für die nächsten zweieinhalb Jahre bewilligt. Davon fließt 1 Million Mark an die Philipps-Universität.
Das Projekt soll das Studium der Organischen Chemie neu strukturieren, modernisieren und damit im internationalen Vergleich wesentlich
wettbewerbsfähiger machen. In modularen Unterrichtseinheiten soll neben klassischen Basiskenntnissen vor allem das sich rasant
entwickelnde "Grenzgebiet-Wissen" im Bereich der Biowissenschaften, einschließlich der
Bioinformatik, vermittelt werden.
Neben weiteren Marburger Wissenschaftlern (Professoren Gernot Frenking,
Theoretische Chemie, Informatikimplementierung; Christina
Schachtner, Erziehungswissenschaft) sind an dem Reformvorhaben Hochschullehrer der Universitäten Leipzig, Bonn und Kiel, der
Humboldt-Universität Berlin und der Technischen Universität München beteiligt.
Die Initiatoren gehen davon aus, dass der in den Naturwissenschaften derzeit zu beobachtende dramatische Erkenntnisgewinn nicht mehr mit
herkömmlichen Unterrichtsmethoden zu vermitteln ist. Ihrer Überzeugung nach wird es nur durch den Einsatz neuer multimedialer Formen des
Lehrens und Lernens gelingen, Wissenschaft aktuell, spannend und effizient erlernbar zu machen, da die modernen Unterrichtsinhalte ständig
modifiziert, auf den neuesten Stand gebracht und für die Studierenden verständlich aufbereitet werden müssen: "Nur so können wir die jungen
Menschen für die für unser Land so wichtigen Naturwissenschaften begeistern." Die beteiligten Hochschullehrer sind sicher, dass die
multimediale Präsentation des Lehrstoffes im Internet bei den vielen Studierenden der Chemie, der
Biologie und der
Medizin im Grund- und
im Hauptstudium großen Anklang finden wird.
Um das ständig zunehmende komplexe Wissen optimal erlernbar zu machen, sollen gezielt neue grafische Techniken und Animationen
eingesetzt werden. Gerade im Grenzgebiet zwischen Natur- und Biowissenschaften ist insbesondere bei dynamischen Vorgängen wie z. B.
Reaktionsabläufen ein Verständnis ohne anspruchsvolle Grafik kaum mehr zu erreichen. Auch große Biomoleküle,
Protein-Protein-Wechselwirkungen oder im zellulären Geschehen stattfindende Prozesse lassen sich im herkömmlichen Vorlesungsbetrieb
mit Folien oder an der Tafel nicht mehr anschaulich darstellen. Lehrbücher sind bereits kurz nach dem Erscheinen veraltet. Die künftigen
Lernmodule sollen dagegen so gestaltet werden, dass sie auch im Rahmen von lebenslangem Lernen permanent für die berufliche Fortbildung
genutzt werden können.
Nach den derzeitigen Planungen sollen die wesentlichen Veranstaltungen des neuen Grundstudiums bereits innerhalb eines halben Jahres im
Internet verfügbar sein. Im zweiten Jahr sollen die medienintensiven Module folgen. Anschließend ist die Einbeziehung der
Internet-Möglichkeiten in den aktiven Unterricht der jeweiligen Hochschulen geplant. Der neue Studiengang soll sowohl in Deutsch als auch
in Englisch angeboten werden, um ihn auch für Ausländer attraktiv zu machen.