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Bainit



Bainit (benannt nach Edgar C. Bain) ist ein Zwischenstufengefüge, das bei der Wärmebehandlung von kohlenstoffhaltigem Stahl entstehen kann (siehe Eisen-Kohlenstoff-Diagramm). Es bildet sich bei Temperaturen, die zwischen denen für die Perlit- bzw. Martensitbildung liegen. Anders als bei der Bildung von Martensit sind hier Umklappvorgänge im Kristallgitter und Diffusionsvorgänge gekoppelt, dadurch werden verschiedene Umwandlungsmechanismen möglich. Aufgrund der Abhängigkeit von Abkühlungsgeschwindigkeit, Kohlenstoffgehalt, Legierungselementen und der daraus resultierenden Bildungstemperatur, besitzt der Bainit kein charakteristisches Gefüge. Bainit besteht, ebenso wie Perlit, aus den Phasen Ferrit und Zementit (Fe3C) unterscheidet sich aber vom Perlit in Form, Größe und Verteilung. Grundsätzlich wird in zwei Hauptgefügeformen unterschieden, dem oberen Bainit (auch körniger Bainit) und dem unteren Bainit.

Bainitisieren oder auch isothermisches Umwandeln in der Bainitstufe ist ein Austenitisieren mit anschließendem Abschrecken auf Temperaturen oberhalb Martensitstarttemperatur Ms. Die Abkühlgeschwindigkeit muss dabei so gewählt werden, dass keine Umwandlung in der Perlitstufe stattfinden kann. Beim Halten auf der Temperatur oberhalb Ms wandelt sich der Austenit möglichst vollständig zu Bainit um.

Durch eine langsame Umklappung des Austenits entstehen, von den Korngrenzen oder Störstellen ausgehend, stark an Kohlenstoff übersättigte Ferrit-Kristalle mit kubischraumzentriertem Kristallgitter (krz-gitter). Der Kohlenstoff scheidet sich aufgrund der höheren Diffusionsgeschwindigkeit im krz-Gitter in Form kugeliger oder ellipsoider Zementitkristalle innerhalb des Ferritkorn aus. Ebenso kann der Kohlenstoff in den Austenitbereich eindiffundieren und Carbide bilden.

Der obere Bainit entsteht im oberen Temperaturbereich der Bainitbildung, er hat ein nadelförmiges Gefüge, das sehr stark an Martensit erinnert. Durch die günstigen Bedingungen für die Diffusion diffundiert der Kohlenstoff an die Korngrenzen der Ferritnadeln. Es entstehen hier unregelmäßige und unterbrochene Zementitkristalle. Wegen der regellosen Verteilung hat das Gefüge oft ein körniges aussehen. Bei nicht ausreichender metallografischer Analyse kann das Gefüge leicht mit Perlit oder auch dem Widmanstätten-Gefüge verwechselt werden.

Der untere Bainit entsteht nur bei kontinuierlicher Abkühlung im unteren Temperaturbereich der Bainitbildung. Durch die Ferritbildung reichert sich der Austenit an Kohlenstoff an, bei weiterer Abkühlung wandeln sich die Austenitbereiche in Ferrit, Zementit, nadeligen Bainit und Martensit um. Durch das Bainitisieren werden Eigenspannungen vermindert und die Zähigkeit erhöht, so dass sich dieses Verfahren für rissempfindliche Stähle und kompliziert geformte Bauteile anbietet.

Inhaltsverzeichnis

Bainitmorphologien

 Bainit ist ein Gefüge, das aus Austenit bei Temperaturen unterhalb der Perlitbil­dung bis hin zur Martensitbildung sowohl isotherm als auch bei kontinuierlicher Abkühlung entsteht. Man unter­scheidet oberen und unteren Bainit[1]. Oberer Bainit besteht aus nadel­för­migem Ferrit, der in Paketen angeord­net ist. Zwi­schen den einzel­nen Ferritnadeln liegen mehr oder weniger kon­tinuierliche Filme aus Karbiden parallel zur Nadel­achse vor[2][3]. Unterer Bainit be­steht da­gegen aus Ferritplatten, in­nerhalb derer sich die Karbide unter einem Winkel von 60° zur Nadelachse bilden. Unter bestimm­ten Um­wand­lungs­bedin­gungen können auch andere Bainitmor­phologien wie inverser, granularer oder langnadeli­ger Bainit ent­stehen[4], wie es Bild 2.10 (Bainitmorphologien) verdeutlicht[5].

Definitionen des Bainit

Zur Zeit finden sich in der Literatur drei verschiedene Definitionen für Bainit, die zu erheblichen Missver­ständnissen führen. Man unterscheidet

  • die mikrostrukturelle Definition,
  • die kinetische Definition und
  • die Oberflächenreliefdefinition,

die an spezielle Phänomene der Phasen­umwand­lung anknüpfen, so daß über ihre generelle Gültigkeit oder Nichtgültigkeit nicht ohne weiteres entschieden werden kann.

Die mikrostrukturelle Definition

Danach wird bei Eisenbasiswerkstoffen Bainit als nicht­lamellares Produkt des eutektoiden Zerfalls aus Ferrit und Karbid beste­hend angesehen[6]. Die beiden Produktphasen bilden sich diffu­sionskon­trolliert zeitlich nachein­ander[7], wobei die Karbide sich entweder im zuerst gebilde­ten Ferrit oder an dessen Grenzfläche ausscheiden[8]. Fehlt die Aus­schei­dung der zwei­ten Phase aus thermodynamischen oder kineti­schen Gründen, wie es bei der Um­wandlung siliziumhaltiger Stähle möglich ist, so dürfte man nach dieser Defini­tion eigentlich nicht mehr von Bainit sprechen. Die getroffenen Festlegungen erlauben dagegen, auch bei Nichteisen­metallen von bainitischen Umwandlungen zu sprechen.

Die kinetische Definition

Diese Definition geht davon aus, dass im isothermen und im kon­tinuierli­chen ZTU - Dia­gramm für Beginn und Ende der Bainitumwandlung von denen der Perlitumwandlung unterscheidbare Kurven auftreten und somit eine eigene Bil­dungskinetik des Bainits existiert. Die Bainitumwandlung soll durch einen umwand­lungs­trägen Bereich, dessen Ausdehnung stark von Legierungselementen beeinflusst wird, von der Perlitumwandlung getrennt sein. Da bei ei­nigen Stählen sich trotz des Fehlens des um­wandlungs­trägen Bereiches Bainit nachwei­sen läßt[9], erweist sich diese Definition als unge­eignet.

Die Oberflächenreliefdefinition

Die Verwandtschaft der bainitischen Umwandlung mit der marten­sitischen zeigt sich im Auftreten eines Oberflächenreliefs[10]. Das ist damit verträglich, Bainit als plattenför­mi­ge Phase anzusehen, die oberhalb Ms durch Scherung aus dem Austenitgitter entsteht. Die Um­wandlung geschieht durch einen koordinierten, nicht thermisch aktivierten Atomtrans­fer über die sich bewegende Phasengrenzfläche[11]. Die Kinetik der Um­wandlung wird durch die Diffusion von Interstitionsatomen im Austenit bestimmt, die sowohl vor als auch nach der Scherung erfol­gen kann. Diese Oberflächenreliefdefi­ni­tion ist die zurzeit gebräuchlichste Bainitfestlegung.

Keimbildung

 Bainitnadeln ( Sheaves ) sind langge­streckte Platten, deren dickere Enden an Korn­grenzen beginnen. Sie umfassen ferritische Untereinheiten ( Subunits ), die mehr oder weniger komplett, wie in Bild 2.11 angedeutet, durch Karbide oder Restaustenit voneinander getrennt sind. Die anein­anderstoßenden Unterein­heiten sind durch Klein­winkel­korn­grenzen vonein­ander getrennt [12] und zeigen ihrerseits eine längliche Latten- oder Platten­form, wie sie nach [13] für in einem Spannungs­feld gebildete Phasen am günstigsten ist. Man ist sich derzeit darüber einig, daß in unlegierten unter­eutektoiden und siliziumhaltigen über­eutektoi­den Stählen die Bildung des unteren und des oberen Bainits mit einem kohlen­stoff­über­sättigtem Ferritkeim be­ginnt. Lediglich in siliziumfreien unlegierten über­eutektoi­den Stählen kann bei höheren Umwand­lungstemperaturen auch Zementit die zuerst gebildete Phase sein. Man spricht dann von inversem Bainit.

Die Ferritkeimbildung des Bainits erfolgt meist an den Auste­nitkorngren­zen aufgrund thermi­scher Gitter­schwin­gungen durch eine koopera­tive Gitter­sche­rung und seltener an anderen Gitterstörungen. Nach Überschreiten eines kritischen Radius wird der Keim wachs­tumsfähig und bildet eine Untereinheit ( Subunit ). An den Grenzflächen des ersten Bainitkeims bilden sich neue Keimstellen ( sym­patheti­sche Keimbildung ). Eine Keimbil­dung im Austenit ist trotz des dort erhöhten Kohlen­stoff­gehaltes möglich, da eine hochenergetische α-γ-Grenzfläche durch eine nieder­energe­tische α-α-Grenzfläche ersetzt wird [14], so daß damit die notwendige Energie zur Keimbildung zur Verfügung steht. Die Keimbil­dungs­geschwin­digkeit wächst mit steigender Unter­kühlung unter die Gleichge­wichtstempera­tur. Dafür werden die Untereinheiten kleiner und zahlreicher, weil das Wachstum der Unter­ein­heiten stoppt, sobald neue an ihren Phasengrenzen keimen. Die Größe der Unter­ein­heiten ist unabhängig von der Austenitkorngröße und der Bainitnadelgröße. Letztere wird von den Austenitkorngrenzen und schon vorhandenen Nadeln begrenzt. Dem gegenüber geht [15] in einer neu­eren Arbeit da­von aus, daß die Keimbil­dung des Bainits wie die des Martensits auf dem Vorhandensein von präfor­mier­ten Keimen beruht. Es werden wachs­tumsfähige Embryonen kriti­scher Größe angenommen, so daß das Problem der Keimbildung auf den Beginn des Keimwachstums reduziert wird. Die sympathetische Keimbildung wird damit erklärt, daß es durch die wachsen­den Bainitna­deln zu Anpassungsver­formungen im Austenit mit Verset­zungsanord­nungen in der Nähe der wachsenden Nadel kommt, die präformierten Keimen entsprechen.

Keimwachstum

 Im Temperaturbereich der bainitischen Umwandlung findet praktisch keine Diffusion der Matrixatome statt, während gleichzeitig eine hohe Diffusionsfähigkeit der Kohlenstoff- und Stickstoffatome gegeben ist. Die Phasengrenzfläche zwischen Austenit und Ferrit ist teilkohä­rent und kann als aus Grenzflächenversetzungen aufgebaut angesehen werden. Die Um­wandlung geschieht durch thermisch aktiviertes Gleiten dieser Grenz­fläche durch das Atom­gitter, wobei größere Bewegungen der Matrixatome ohne Platzwechsel­vorgänge erfolgen [16]. Diese scherungsbedingte, martensitähnliche Umwandlung ist durch die Diffu­sion der Interstitionsatome kontrolliert, die im Vergleich zur Geschwindigkeit einer gleiten­den Grenzfläche langsam abläuft.

[17] betrachten die gekoppelten Vor­gänge der Kohlenstoffdif­fu­sion und der Gitter­scherung im Zu­sammenhang mit der thermisch aktivierten Bewegung der Um­wand­lungsfront. Während der War­tezeit der Umwandlungs­front vor einem Hindernis bis zum nächsten akti­vierenden Ereignis können Diffusionsvorgänge ablaufen, die die freie Enthalpie der Pro­duktphasen absenken und damit die treibende Kraft für die Grenz­flächenbewe­gung erhöhen. Nach Über­windung des Hindernisses läuft die Umwandlungsfront dann wieder frei, ohne Behinderung durch Diffu­sionsprozesse, bis sie auf das nächste Hindernis trifft.

Dieser Vorstellung steht ein Diffusionsmodell gegenüber [18], in dem das Wachsen des bainitischen Ferrits der diffusionskontrollierten Bewegung von Stufen (Ledges ) in der α-γ-Grenzfläche zugeschrieben wird, also dem gleichen Mechanismus, der auch im Zusammen­hang mit der Bildung des voreutektoiden Ferrits mit Widmannstätten-Struktur diskutiert wird. [19] stellt jedoch fest, daß die im verformten Austenit auftretenden Verformungszwillinge von wachsenden Bainitnadeln überlaufen werden und sich als Gitterstörungen im Ferrit wieder­finden. Eine Umwandlung durch diffusionskon­trollierte Bewegung von Stufen müßte aber an Zwillings­grenzen stoppen, da dort die notwen­dige Gitterko­härenz gestört ist. Auch die Übernahme des Gitter­fehlers in den Ferrit widerspricht einer diffusionskontrollierten Umwandlung. Wichtig ist nach dem in [20] geführten Nachweis, daß ein Oberflächenrelief auch durch eine diffu­sions­kontrol­lier­te Um­wandlung ent­stehen kann und damit kein ein­deutiges Anzeichen einer scherungskon­trollierten Umwandlung ist.

Thermodynamik

Die treibende Kraft einer Umwandlung ist durch die Differenz der freien Enthalpien der Ausgangsphasen und der Produktphasen gegeben. Dabei müssen sich nicht unbedingt die Gleichgewichtsphasen einstellen, die die größte Differenz der freien Enthalpie zu den Ausgangsphasen besitzen. Sowohl die martensitische als auch die bainitische Umwandlung führen zu einem metastabilen Zustand. Diese Zustände liegen mit ihrem Energie­inhalt über dem Gleichgewichtszustand in einem relativen Minimum [21] und können sich unter be­stimm­ten Voraussetzungen unter Energieabgabe in Richtung Gleichgewicht verschieben. Solche metastabilen Zustände können bei der bainitischen Umwandlung zum Beispiel durch kohlenstoff­reichen Ferrit im Gleichge­wicht mit ε-Karbid erreicht werden. Auch das Auf­treten von Konzentrationsgradienten, durch die die Unterschiede der freien Enthaltpie innerhalb der Phasen sehr verschieden sein können, führen zu metastabilen Zuständen.

 Bild 2.12 zeigt die Abhängigkeit der freien Enthalpie der Phasen α und γ von ihrem Kohlen­stoffgehalt. Eine Gleichgewichtsreaktion von γ mit der Kohlenstoffkon­zen­tration Xγ erfolgt zu α mit der Kohlenstoffkonzen­tration Xγα und γ mit der Kohlenstoff­kon­zen­tration Xαγ. Die beiden Gleichgewichtskonzentrationen liegen auf einer Tangente mit der Gleichung

\Delta G (X) = G^{\gamma \alpha} + (X-X^{\gamma \alpha}) \frac {G^{\alpha \gamma} - G^{\gamma \alpha}} {X^{\alpha \gamma} - X^{\gamma \alpha}},

die sowohl an der α- als auch an der γ-Parabel anliegt[22].

Um die Gleichgewichtskonzentration von Xγα in α bzw. Xαγ in γ zu erreichen ist eine starke Kohlen­stoff­diffusion notwendig. Dabei sinkt die freie Enthalpie der γ-Phase etwas von Gγ auf Gαγ, während die freie Enthalpie eines in α umgewandelten Volumenelements stark auf Gγα erniedrigt wird. Das Gesamtsystem senkt dabei seine freie Enthalpie um den Betrag ΔG ab. Die Triebkraft für die Umwandlung ist durch ΔGα gegeben.

Bei veränderten Umwandlungsbedingungen kann unter der Voraussetzung einer hinreichenden Triebkraft eine Nichtgleichgewichtsreaktion ablaufen, bei der in den Produktphasen von Xγα bzw. Xαγ verschiedene Kohlenstoffkonzentrationen eingestellt werden. In Bild 2.13 ist angenommen, daß Austenit mit Konzentration Xγ in Ferrit mit der Konzentration Xα > Xγα umwandelt. Erfolgte die Umwandlung rein diffusionskontrolliert, so würde die Trieb­kraft ΔGα allein durch die Bewegung des Diffusionsfeldes vor der Umwandlungsfront dissipiert werden (ΔG = ΔGα) an der sich dann die Konzentration Xm < Xαγ einstellen würde[23]. Wird aber ein Anteil ΔGs für die Bewegung der Phasengrenzfläche und den sche­rungs­bedingten, kooperativen Atomtransfer über die sich bewegende Grenzfläche benötigt[24], so stellt sich dort die Konzentration Xi < Xm ein.

 Die Aufteilung von ΔGα in ΔGd und ΔGs ergibt sich aus der Bedingung, daß die Diffusion mit der gleichen Geschwindig­keit wie die Scherung ablaufen muß. Durch diese Koppelung von Diffusion und Scherung bilden sich die Kohlenstoff­konzen­trationen dyna­misch vor der sich bewegenden Grenzfläche aus, wie Bild 2.14 zeigt. Die höchste Kohlen­stoffkon­zentration des Austenits Xi stellt sich in der Grenz­fläche ein. Der Kohlenstoff diffundiert von dort in den Austenit ab, wodurch der Kohlen­stoffgehalt des Austenits Xγ steigt (gestri­chelte Kurve in Bild 2.14). Nähert sich Xγ an den Wert Xm, so wird eine weitere Reaktion un­mög­lich, da keine Enthalpieabsenkung des Gesamtsystems ΔG mehr auftritt. Die bainiti­sche Um­wandlung kommt zum Erliegen und kann nur durch Absenken von Xγ z.B. durch Karbid­bil­dung oder durch Absenken der Temperatur fortgesetzt werden.

Restaustenit

Voraussetzung für eine vollständig ablaufende bainitische Umwandlung ist die Karbidbildung aus dem Austenit. Da Karbide große Mengen an Kohlen­stoff aufnehmen, stellen sie Kohlen­stoffsenken dar, die Kohlenstoff aus dem Austenit absaugen. Kohlen­stoffanreiche­rungen im Austenit, die - wie oben gezeigt - die Umwandlung zum Erliegen bringen würden, sind dann nicht mehr möglich. Wird die Karbidbildung, z.B. durch Silizium als Legierungs­element verhindert oder verzögert, so werden größere Austenitmengen nicht umgewandelt. Sie liegen dann nach dem Abschrecken auf Raumtempera­tur ganz oder teilweise als Restaustenit vor. Die Restaustenitmenge ist davon abhängig, wie weit sich die Martensitstarttem­peratur im ver­bliebenen Austenit abge­senkt hat.

Unterer Bainit

 Der untere Bainit entsteht bei relativ niedrigen Umwandlungs­temperatu­ren von unterhalb der Übergangstemperatur zum oberen Bainit bis unterhalb der Martensitstarttemperatur. Theore­tisch kann sich unterer Bainit bis zur Martensitfinishtempe­ratur bilden.

Bildungskinetik

[25] stellt für die Bainitbildung eine Änderung der Umwandlungskinetik bei Unter­schreiten einer Temperatur von 350°C fest und identifiziert das Umwandlungsprodukt als unteren Bainit. Dieser wächst mit einer Aktivie­rungsenergie von 14 000 cal/mol ( 0,61 eV ), die im Zusammenhang mit der Kohlenstoffdiffusion im über­sättigten Ferrit als geschwin­digkeits­bestimmender Prozeß diskutiert wird. Wegen des steigenden Kohlen­stoff­gehaltes nimmt bei sinkenden Umwand­lungstemperaturen der Volumen­sprung bei der α→γ Umwand­lung zu.

[26] gibt als Aktivierungs­energie für die Bildung des unteren Bainits Werte von 7 500 bis 13 000 cal/mol ( 0,33 bis 0,56 eV ), [27] solche von 14 500 bis 16 500 cal/mol ( 0,63 bis 0,72 eV ) an. Dabei wird von einem eigenen Um­wandlungs­mechanismus für den unteren Bainit ausgegangen.

Kohlenstoffaufteilung an der Umwandlungsfront

 Bei den niedrigen Umwandlungstemperaturen kann wegen der geringen Diffusionsfähigkeit des Kohlenstoffs im Austenit und den gemessenen hohen Umwandlungsgeschwindigkeiten kein nen­nens­werter An­teil des Kohlen­stoffs vom Ferrit in den Austenit abdiffundie­ren. Es findet also zunächst eine martensitische Umwandlung des Austenits bei nahezu voller Kohlenstoff­übersätti­gung statt, so daß der Kohlen­stoffgehalt des gebildeten Ferrits fast gleich dem des Austenits bleibt. Bild 2.15 verdeutlicht diesen Sach­verhalt. Der hohe Kohlenstoff­gehalt im Ferrit kann sich nach der Umwandlung entweder durch Karbidbildung im Ferrit, oder durch Abdiffusion in den Restaustenit vermindern[28].

Karbidbildung

  Zunächst dachte man daran, daß bei der Bildung des unteren Bainits die Karbide unmittelbar an der Grenzfläche aus dem Austenit so ausgeschieden werden, daß sich die Grenzflächenenergie minimiert [29][30] konnte jedoch nachweisen, daß sich die Karbi­de während der Umwandlung aus dem Ferrit aus­schei­den.

Ähnlich wie beim angelassenen Martensit bilden sich die Karbide im Inneren der Ferritna­deln in gleichen kristallogra­phi­schen Richtungen mit Winkeln zur Nadelachse von etwa 60° ( vgl. Bild 2.16 ). Dabei handelt es sich meist zunächst um ε-Karbid ( Fe2,4C ), das nach längeren Um­wand­lungs­zeiten in Zemen­tit über­geht. Die Ausscheidung der Karbide hinter der Um­wand­lungs­front senkt die Kohlen­stoff­über­sättigung des Ferrits und damit die freie Enthal­pie des Gefüges. Die Karbidform entspricht dem Zustand minimaler Ver­zerrungsenergie. Die Zahl und die feine Verteilung der Karbide sind für die guten mechanischen Eigenschaften des unteren Bainits verantwort­lich.

Im Zusammenhang mit der Lage der ausgeschiedenen ε-Karbide in einem Winkel von 60° zur Ferrit­nadel­achse wurde vermutet, daß sich die Ausschei­dungen an Verformungszwillin­gen ausbilden. Es konnte aber keine Korrespondenz zwischen der Orientierung der Karbid­aus­schei­dungen und den Zwillings­ebenen im Ferrit festgestellt werden. Daher nahm an, daß die Karbid­ausschei­dung aus energetischen Gründen orientiert erfolgt.

Man wies aber nach, daß durch den wach­sen­den Ferrit bei der Verformung des Austenits Zwillinge entstehen. Die­se Zwillinge im Auste­nit wer­den von der Umwandlungs­front ge­schert und in das krz Gitter "übergeführt". An diesen Gitterstö­rungen bilden sich im weiteren Verlauf der Umwand­lung Karbide. So ist es zu erklären, daß die Habitus­ebene der Karbid­aus­scheidung keiner Zwillingsebene im Ferrit entspricht.

Bei dem von [31] entwickelten Mechanismus der Karbidbildung wird, wie in Bild 2.17 skizziert, von langen Ferritkeimen (1) ausgegangen, an denen im zweiten Schritt durch sym­patheti­sche Keimbildung weitere Ferriteinheiten entstehen (2). Der zwi­schen den Ferrit­einheiten eingeschlossene Austenit reichert sich durch Diffusion aus dem Ferrit stark an Kohlen­stoff an, bis es zur Karbidbildung aus dem Austenit kommt (3). Im letzten Schritt schließen sich die Lücken um die Karbide, da nunmehr weitere Ferritbildung in den - jetzt an Kohlenstoff verarmten - Austenitbereichen erfolgen kann. Wandernde Kleinwinkel­korn­grenzen gleichen vorhandene Orientierungsunterschiede zwischen den Ferriteinheiten aus, so daß ihre ehemaligen Begrenzungen nahezu verschwinden (4).

Orientierungsbeziehung

Nach [32] tritt zwischen Austenit und Ferrit des unteren Bainits überwiegend die Kurdjumov-Sachs Orientierungsbeziehung auf.

(2.6)

(0\overline 11)_\alpha \| (111)_\gamma

[1\overline 1\overline 1]_\alpha \| [\overline 110]_\gamma

Gleichzeitig bestehen Orientierungsbeziehungen nach Nishiama-Wasser­mann.

(2.7)

(011)_\alpha \| (111)_\gamma

[0 \overline 11]_\alpha \| [\overline 1\overline 12]_\gamma

Die beiden Orientierungsbeziehungen unterscheiden sich nur um etwa 5°. Als Orientie­rungs­beziehung zwischen Ferrit und Zementit gilt für den unteren Bainit

(2.8)

(00\overline 1)_{Fe_3C} \| (112)_\alpha

[100]_{Fe_3C} \| [1\overline 10]_\alpha

[010]_{Fe_3C} \| [111]_\alpha

In einer neueren Untersuchung findet man dagegen die Orientierungs­beziehung nach Bagaryatski

(2.9)

[100]_{Fe_3C} \| [1\overline 10]_\alpha

[010]_{Fe_3C} \| [1\overline 1\overline 1]_\alpha

[001]_{Fe_3C} \| [211]_\alpha

erfüllt. Schließlich gelingt es [33] nicht, für den unteren Bainit eine Orientierungs­bezie­hung zwischen Zementit und Austenit nachzuweisen. Daraus schließt man, daß der Zemen­tit beim unteren Bainit innerhalb des Ferrits ausgeschieden wird und nicht aus dem Austenit.

Die ε-Karbide weisen nach [34] Orientierungsbeziehungen zum Austenit als auch zum Ferrit auf, die sich durch

(0001)_\epsilon \| (11\overline 1)_\gamma

(01\overline 10)_\epsilon \| (2\overline 11)_\gamma

(0001)_\epsilon \| (\overline 101)_\alpha

(0\overline 110)_\epsilon \| (1\overline 21)_\alpha

beschreiben lassen. Danach kann für das ε-Karbid nicht entschieden werden, ob es aus dem bainitischen Ferrit, oder aus dem Austenit ausge­schieden wird.

Restaustenitstabilisierung

Da bei den Temperaturen im unteren Bainitbereich kaum Kohlenstoff­partitio­nierung statt­findet, kann die bainitische Reaktion meist vollständig ab­laufen, so daß kein oder nur wenig Restaustenit zurück­bleibt. Wird die Reaktion jedoch vorzei­tig durch Abschrecken abgebro­chen, so wandelt sich der noch nicht bainitisch umgewandel­te Austenit martensitisch um und es kann je nach Kohlenstoffgehalt und Legierungs­zusammensetzung Restaustenit zurückblei­ben.

Durch Zulegieren von Silizium wird die Karbidbildung im C-übersättigten Ferrit unterdrückt. Der Kohlenstoff diffundiert daher in den noch nicht umgewandelten Austenit und erhöht dort den Kohlenstoffgehalt, bis die bainitische Umwandlung zum Erliegen kommt. Der dann noch nicht umgewan­delte Austenit ist so stark mit Kohlenstoff angereichert, daß er auch nach Abschrecken auf Raumtempera­tur als Restaustenit vorliegt.

Übergangstemperatur vom unteren zum oberen Bainit

 Ein weiterer umstrittener Aspekt der Bainitbildung ist die Übergangs­temperatur vom unteren zum oberen Bainit. Man geht davon aus, daß diese - wie in Bild 2.18 gezeigt - mit steigenden Kohlenstoffgehalten von 400°C auf etwa 550°C bei 0.5 Masse% C ansteigt. Bei weiter steigen­den Kohlenstoff­gehalten stellt sich bei gleich­bleibender Umwandlungsge­schwindig­keit eine höhere Übersättigung des gebildeten Ferrits ein, so daß der Kohlenstoff immer langsa­mer in den Austenit abdiffundiert. Entsprechend werden immer höhere Um­wandlungs­tempera­turen für eine hinreichende Kohlenstoffdiffusion in den Austenit benötigt, damit sich dort Karbid­ausscheidungen bilden können. Über­schreitet der Zustand der Legierung die extrapo­lierte Acm-Linie des Fe-Fe3C-Diagramms, so wird die Legierung quasi über­eutek­toid und es kommt zur Karbidausscheidung aus dem Austenit, was der Bildung des oberen Bainits entspricht. Deshalb sinkt die Übergangstemperatur oberhalb 0.7 Mas­se% C auf 350°C ab. Unterhalb dieser Tem­pera­tur verläuft die Karbid­aus­scheidung aus dem Austenit langsa­mer als die aus dem Ferrit und es bildet sich unterer Bainit.

 Das An­steigen der Übergangstemperatur für kleine Kohlenstoff­gehalte, wie man es be­obachtet hat, rührt jedoch von der Defi­ni­tion her, daß die Über­gangstemperatur die höchste Temperatur ist, bei der sich noch Karbid aus dem Ferrit ausscheidet. Da sich im Zuge der Bil­dung des oberen Bainits, beson­ders nach langen Um­wandlungszeiten, wegen der Kohlenstoff­anreicherung im Austenit und damit steigenden Übersättigung des Ferrits, durchaus auch Karbid im Fer­rit ausscheiden kann, repräsentiert die gefunde­ne Kurve nicht den Über­gang der Bil­dungs­mecha­nismen. Man führt vielmehr den Übergang vom oberen zum unteren Bainit auf das hypothetische Fe-ε-Karbid-Zu­stands­dia­gramm zurück. Bild 2.19 zeigt, daß sich unter 350°C Umwandlungs­temperatur ε-Karbid aus dem Ferrit ausscheidet. Dementsprechend legt man die Über­gangstempe­ratur konstant bei 350°C unabhängig vom Kohlenstoff­gehalt fest. Die Ausscheidung von ε-Karbid ist nach dieser Theorie der wichtigste Mechanismus der Bildung des unteren Bainits. Das metastabile ε-Karbid wandelt sich dann nach längeren Umwandlungszeiten in stabilen Zementit um.

 Eine weitere Betrachtungsweise der Übergangs­tempera­tur wird wie folgt vorgeschlagen: Man geht davon aus, daß bei Unterschreiten der Übergangstempera­tur ein Wechsel des Umwandlungs­mecha­nismus stattfindet, der eine eigene Kinetik und eine eigene Einsatztemperatur besitzt, die sich zwischen der Bainit- und der Martensitstarttemperatur einordnet ( vgl. Bild 2.20 ). Die Über­gangstemperatur steigt, wie die beiden anderen Kurven mit sinken­dem Kohlenstoff­gehalt an, da auch für die Bildung unteren Bainits die erforderliche Triebkraft und damit die Unter­kühlung mit dem Kohlenstoffgehalt abnimmt. Das experimentell beobachtete Absinken der Über­gangs­temperatur bei niedrigen Kohlenstoff­gehalten wird hier als Härtbar­keitspro­blem bewertet. Der Austenitzerfall beginnt schon nach kürzester Zeit, so daß sich schon beim Abkühlen auf Umwandlungs­temperatur oberer Bainit bildet. Erst bei tieferen Umwandlungs­temperaturen kühlen die Pro­ben schnell genug ab. Die Ausscheidung von ε-Karbid aus dem übersättigten Ferrit wird als Wettlauf der Ausscheidung gegen die Ab­diffusion des Kohlen­stoffs in den Austenit dargestellt. Entsprechend reicht nur bei höher kohlenstoffhaltigen Stählen der im Ferrit vorhandene Kohlenstoff zur ε-Karbidbil­dung aus, was experimentell bestätigt wurde.

Oberer Bainit

 Bei Umwandlungstemperaturen unterhalb des Bereichs der Perlitbildung und oberhalb des Bereichs der Bildung des unteren Bainits entsteht oberer Bai­nit. Die Kohlenstoff­diffusion im Austenit ist für diese Phasen­umwandlung von entscheiden­der Bedeu­tung.

Bildungskinetik

Im Temperaturbereich zwischen 350°C und 400°C findet man für die Um­wandlung eine Aktivierungsenergie von 34 000 cal/mol ( 1,48 eV ), die etwa der für die Kohlenstoff­diffusion in γ-Eisen ( 1,34 eV ) entspricht. Oberhalb 350°C wird im Ferrit ein konstanter Kohlenstoff­gehalt von 0,03% beobachtet, der der Gleichgewichtskonzentration nahekommt. Gleichzeitig wird eine linear mit steigender Umwandlungs­temperatur sinkende Längen­änderung der Probe beobachtet.

Alternativ findet man für die Aktivierungsenergie der Bildung von oberem Bainit Werte von 18 000 bis 32 000 cal/mol ( 0,78 bis 1,39 eV ), oder solche von 22 000 bis 30 000 cal/mol ( 0,95 bis 1,30 eV ).

Kohlenstoffaufteilung an der Umwandlungsfront

 Der Ferrit des oberen Bainits enthält einen geringeren Kohlenstoffgehalt als der Austenit, aus dem er ent­stand, ist aber dennoch übersättigt [35]. Diese Übersättigung vermindert sich mit steigender Umwandlungstemperatur durch die steigende Abdiffusion in den Austenit, der sich durch diesen Mechanismus stark an Kohlenstoff anreichert [36]. Bei tiefen Umwand­lungs­temperatu­ren wird in der Nähe der Grenzfläche schnell ein Kohlen­stoffgehalt von Xm erreicht ( vgl. Bild 2.14 ), da die Kohlenstoff­diffusion in den Austenit verzögert ab­läuft. Die bainiti­sche Reaktion kommt dadurch rasch zum Erliegen und kann nur durch erneute sym­patheti­sche Keimbildung weiterlaufen. Damit läßt sich die mit sinkender Umwandlungs­temperatur abnehmende Breite und wachsende Anzahl der Bainitaggregate erklären. Die hohe Anreicherung von Kohlenstoff im Austenit wird durch Karbidbil­dung vermindert. Ist Karbid­bildung unmöglich, z.B. durch hohe Si - Gehalte, so verbleiben große Mengen Restaustenit im Gefüge.

Karbidbildung

 Wird der Austenit von wachsenden Ferritnadeln einge­schlossen, so rei­chert er sich so stark an, daß sich Karbide aus dem Austenit ausscheiden können. Es handelt sich dabei immer um Zementit, der direkt aus dem angereicherten Austenit ausgeschieden wird. Die Karbide des oberen Bainits liegen stets in Form mehr oder weniger kontinuier­licher Karbidfil­me zwi­schen den Ferritnadeln vor ( vgl. Bild 2.21 ). Bei steigendem Koh­lenstoffgehalt der Legie­rung wer­den die Ferritnadeln dünner, die Karbidfilme diskontinu­ier­lich und treten häufiger auf. Man stellt fest, daß die Keimbildung der Karbide durch die Spannungen, die durch das Einformen der wachsenden Ferritnadeln in den umgebenden Austenit entstehen, erleichtert wird. Aus den Untersuchungen der Orientierungs­beziehung von Karbid, Austenit und Ferrit schließt man, daß die Karbide im oberen Bainit ebenfalls durch eine Gitter­sche­rung entstehen. Dieser Theorie widerspricht [37] und zeigt, daß sowohl die Bildung des bainiti­schen Ferrits als auch der Karbide mit einer diffusionskon­trollierten Umwandlung zu erklären sind.

Orientierungsbeziehung

Man beobachtet zwischen Austenit und Ferrit des oberen Bai­nits die Orientie­rungsbezie­hung nach Nishiyama - Wassermann, die auch beim unteren Bainit gültig ist. Im Rahmen der Genauigkeit der erzeugten Beu­gungsbilder kann ebenfalls die Kurdjumov - Sachs - Beziehung gültig sein. Für die Orientierung zwischen Zementit und Austenit schlägt [38] die Bezie­hung

(010)_{Fe_3C} \| (110)_\gamma

[001]_{Fe_3C} \| [\overline 225]_\gamma

[100]_{Fe_3C} \| [5\overline 54]_\gamma

Pickering dagegen

(010)_{Fe_3C} \| (110)_\gamma

[001]_{Fe_3C} \| [\overline 112]_\gamma

[100]_{Fe_3C} \| [1\overline 11]_\gamma

vor.

Nach Pickering werden keine Orientierungsbeziehungen zwi­schen Fer­rit und Zementit beobachtet, woraus er schließt, daß sich der Zementit nicht aus dem Ferrit, sondern aus dem Auste­nit ausscheidet.

Restaustenitstabilisierung

Reichert sich der Austenit stark mit Kohlenstoff an, so kann, falls die Anreicherung nicht durch Bildung von Karbiden verringert wird, die Bainit­bildung zum Erliegen kommen. Dieses Phä­nomen wird im Rahmen der kineti­schen Definition des Bainits als "Phänomen der unvoll­stän­di­gen Umwand­lung" bezeichnet. Im Temperaturbereich dieser unvollständigen Umwand­lung ist die Keimbildung des Zementits behindert. Das kann durch Zugabe von Chrom oder Silizium erreicht werden. In beiden Fällen erweist sich der angerei­cherte Austenit als sehr stabil gegen Abschrecken auf Raumtem­peratur, so daß erhebliche Mengen an Restau­ste­nit zurückblei­ben können, die die mechanischen Ei­genschaften der Legie­rung wesentlich beeinflussen.

Einfluß der Legierungselemente auf die Bainitbildung

Die Abschätzung des Einflusses der Legierungselemente auf die Bainitbil­dung ist relativ komplex, da sich die Kinetik der auftretenden Reaktionen oft nicht proportional zu den Anteilen an Legierungszusätzen ändert. Erschwe­rend kommt hinzu, daß sich die Elemente in ihrer Wirkung gegen­seitig beeinflussen. Legierungskomponenten, die mit den Eisenphasen ein Substitutionsmischkristall bilden, beeinflussen die bainitische Umwandlung nur indirekt, da in diesem Temperaturbereich der Bainitbil­dung keine Substitutionsatomdiffusion auftritt [39][40]. So kann die Wachstumskinetik des Bai­nits durch eine Beeinflussung der Diffusionsrate des Kohlenstoffs durch das Legierungs­element verändert werden. Qualita­tiv betrachtet senken die Elemente Mn, Ni, Cr und Si die Bainit­starttemperatur ab und ver­längern die Umwand­lungs­zeit. Die Elemente Cr, Mo, V und W führen im ZTU-Diagramm zu einer Trennung des Perlitbereichs vom Bainitbereich und zur Bildung eines umwand­lungs­trägen Bereichs.

Kohlenstoff ist der wesentliche Einflußfaktor bezüglich der Morphologie des Bainits. Bei steigendem Kohlenstoffgehalt kommt das Breitenwachstum der Bainitnadeln wegen der er­schwerten Kohlenstoffdiffusion früher zum Erliegen. Entsprechend werden die Bainitnadeln dünner und zahlreicher. Ein steigender Kohlenstoffgehalt fördert außerdem die Karbidbildung sowohl aus dem Ferrit (beim unteren Bainit), als auch aus dem Austenit (beim oberen Bainit). Mit steigendem Kohlenstoffgehalt wird die Inkubationszeit verlängert und die Bainit­starttem­pera­tur ( Bs ) abge­senkt.

Durch Zugabe von Chrom wird ebenfalls die Inkubationszeit verlängert und Bs abge­senkt. Die Steigerung der Austenitbeständigkeit kann so weit führen, daß in bestimmten Tempera­tur­bereichen über lange Zeiten keine Umwandlung mehr stattfindet und ein umwandlungs­träger Bereich auftritt.

Silizium hebt die AC1- und die AC3-Temperatur des metastabilen Fe-Fe3C-Diagramms an und verschiebt die eutektoide Konzentration zu geringeren Kohlenstoffgehalten. Die Kinetik der Perlit- und der Bainitbildung wird durch Silizium nur unwesentlich beeinflusst [41]. Silizi­um ist in Zementit praktisch unlöslich.

Mangan erhöht stark die Austenitstabilität sowohl in der Perlit als auch in der Bainitstufe[42], was in Manganstählen zu hohen Restaustenitgehal­ten führen kann und die Um­wand­lungs­zeiten in der Bainitstufe relativ lang werden läßt. Dadurch wird, auch für die bainiti­sche Um­wandlung, die Durchvergütbarkeit verbessert. Mangan ist im Zementit löslich und bildet mit Kohlenstoff Mn3C mit einer zum Zementit isomorphen Struktur.

Ein Zusatz von Nickel führt wie Cr oder Mn zu einer Erniedrigung von BS. Bei hohen Nickelgehal­ten schnürt sich der Bereich der vollständigen bainitischen Umwandlung stark ein, beispielsweise auf den Temperaturbe­reich bis 10°C über der Martensitstarttemperatur bei Zug­abe von 4% Nickel[43].

Molybdän erhöht die AC3 Temperatur ohne die AC1 Temperatur zu beein­flussen. Es ver­zögert vor allem die voreutektoi­de Ferritausscheidung und die Perlitbildung[44]. Das erleichtert bei großen Bauteilen das Abkühlen auf die Temperaturen der bainitischen Um­wandlung ohne Voraus­scheidung von Ferrit oder Perlit.

Die Ferrit- und die Perlitbildung werden ebenfalls durch Bor stark verzögert. Der Perlitbe­reich verschiebt sich zu längeren Um­wandlungszeiten, während die Bainitbildung unbeein­flußt bleibt. Vor allem bei der kontinuierlichen Umwandlung können so rein bainiti­sche Gefüge erzeugt werden. Dabei ist es wichtig, daß vorhandener Stickstoff durch Alumi­nium oder Titan gebunden wird, da die sonst entstehenden Bornitride eine Versprödung ver­ursachen.

Die bainitische Umwandlung in Siliziumstählen

 Bei siliziumhaltigen Stählen ergeben sich, im Vergleich zu den schon beschriebenen Mecha­nismen der bainitischen Umwandlung in siliziumfreien Stählen, einige Besonderheiten, da Silizium die Bildung von Zementit unterdrückt. Da die Karbidbildung Voraus­setzung für eine voll­ständige bainitische Umwandlung ist, kommt es in Siliziumstählen zu unvoll­ständi­gen Umwandlungen mit hohen Restaustenitgehalten. Untersuchun­gen an Silizium­stählen kön­nen wichtige Hinweise für die Aufklärung der Bildung des bainitischen Ferrits liefern, da die Umwandlungsprodukte nicht durch eine nachfolgende Karbidbildung ver­ändert werden.

Silizium ist in Zementit praktisch unlöslich. Das Wachstum eines Zementit­keimes setzt also die Abdiffusion von Silizium voraus, die bei den Umwandlungs­temperaturen der Bainitbildung nur sehr langsam erfolgen kann. Um den Zementitkeim baut sich ein Silizium­gradient auf, der lokal die Aktivität des Kohlenstoffs stark erhöht ( vgl. Bild 2.22 )[45]. Da­durch wird der Kohlen­stoffzufluß zum Zementitkeim reduziert, so daß der Keim nicht weiter wachsen kann.

Die Umwandlung im Bereich des oberen Bainits läuft in Siliziumstählen wegen der er­schwerten Karbidbildung in zwei Phasen ab. In der ersten Phase entsteht bainitischer Ferrit mit relativ hoher Bildungsgeschwin­dig­keit, wobei der umgebende Austenit stark mit Kohlenstoff angereichert wird. In der zweiten Phase, die in Siliziumstählen erst nach sehr langen Zeiten einsetzt [46], bilden sich dann Karbide aus diesem angereicher­ten Au­ste­nit. Durch die Absenkung des Kohlenstoffgehaltes im Austenit kann die Ferritbil­dung weiter­laufen, und es bildet sich Sekundärferrit durch seitliches Wachsen der vorhandenen Ferritna­deln. Im Bereich des unteren Bainits scheiden sich schon nach kurzen Umwand­lungs­zeiten ε-Karbide innerhalb des Ferrits aus, da Silizium die ε-Karbidbildung wenig beeinflußt. Lediglich die Umwandlung des ε-Karbids in Zementit wird durch das vorhandene Silizium unterdrückt. Durch die vorhandene Karbidbildung weist der untere Bainit geringe­re Restaustenitmengen als der obere Bainit auf. Die gefundenen Karbide können nicht als Zementit identifiziert werden, da sie erhebliche Mengen an Silizium enthalten. Auch [47][48] berichten vom Auftreten von Silicokarbiden nach länge­rer Umwandlung im Temperaturbereich des oberen Bai­nits.

Bei höherem Siliziumgehalt und Umwandlungstemperaturen zwischen 350°C und 400°C können große Restaustenitbereiche entstehen, die nur wenig mit Kohlenstoff angereichert sind, und sich negativ auf die mechanischen Eigen­schaften der Legierung auswirken. Im Austenit, der zwischen wachsenden Ferritnadeln einge­schlos­sen ist, finden sich Verformungs­zwillinge, die auf den lokal hohen Kohlenstoff­gehalt des Austenits zwischen den Ferritnadeln deuten.

Phänomen der unvollständigen Umwandlung

man beobachtet, daß die bainitische Umwandlung bei Annäherung an BS immer unvoll­ständiger verläuft, bis sie bei BS zum Erliegen kommt. Nach einiger Zeit, in der nichts geschieht, setzt Perlitbildung ein. Wird nun durch Zugabe von Legierungselementen der Temperaturbereich der Perlit­bildung zu höheren oder der Bainitbildung zu tieferen Tempera­turen verschoben, so entsteht ein Temperaturbereich, in dem Umwandlungen, wenn über­haupt, erst nach sehr langen Zeiten ablaufen. Man erklärt dieses Phänomen mit der unter­drückten Karbidbildung bei höheren Temperatu­ren. Der Austenit reichert sich schnell mit Kohlen­stoff an, so daß die Umwandlung schon nach kurzer Zeit zum Stillstand kommt.

Auch an dem Phänomen der unvollständigen Umwandlung entzündet sich die Kontroverse um den Mechanismus der Bainitbildung. [49] führen den umwandlungsträgen Bereich auf einen "Solute Drag Like Effect" ( SDLE ) zurück. Dieses Modell geht davon aus, daß Substitu­tionsatome im Tempera­turbereich der Bainitbildung nicht frei durch das Atomgitter diffun­dieren können, sich aber in der bewegten Phasengrenzfläche anreichern. Handelt es sich dabei um Elemente, die die Kohlenstoffaktivität erniedri­gen, so sinkt die treibende Kraft für die Abdiffusion des Kohlenstoffs aus dem Ferrit in den Austenit. Dieser Effekt erniedrigt die Umwandlungs­geschwindigkeit und kann im Extremfall die sich während der Umwand­lung bewegende Phasengrenzfläche schon nach kurzer Zeit, durch Bildung von Karbiden innerhalb dieser Grenzfläche, zum Stillstand bringen. In einer direkten Stellungnahme widerspricht [50], da es Beispiele für Legierungs­elemente gibt, die die Kohlen­stoff­aktivität erniedrigen, aber keinen um­wand­lungs­trägen Bereich verursachen. Ferner läßt sich mit dem SDLE nur der umwand­lungs­träge Bereich zwischen Bainit und Perlit erklären, nicht aber der zweite umwandlungsträge Bereich, der zwischen unterem Bainit und oberem Bainit gefunden wurde.

Mechanische Eigenschaften bainitischer Eisenbasislegie­rungen

Verfestigungsmechanismen

Die wichtigsten im bainitischen Gefüge auftretenden Verfestigungsmecha­nismen sind die Korn­grenzen­ver­festigung, die Versetzungsverfestigung, die Mischkristallverfestigung und die Dispersions­ver­festigung.

Bei der Korngrenzenverfestigung stellt sich die Frage, wie eine Korngröße im bainitischen Gefüge zu definieren ist. Eine Möglichkeit ist die ehemalige Austenitkorngröße, die indirekt die Länge der Bainitna­deln und die Größe der Pakete bestimmt, die sich aus mehreren Nadeln zusammen­setzen. [51] findet für die Austenitkorngröße keine Beziehung zu den Festig­keits­eigenschaften, während er für die Paketgröße die Beziehung

σLatten˜l − 1

findet.

Man definiert die Breite der einzelnen Bainitnadeln als Korngröße und bestimmt

\sigma_{Kg} = \alpha_3 \cdot d^{- \frac 1 2}

die der Hall-Petch-Beziehung entspricht. Da die Ferritnadeln mit sinkender Umwandlungs­temperatur kleiner und zahlreicher werden, kann der beobachtete Festigkeits­anstieg begründet werden.

Je nach Umwandlungstemperatur liegen im bainitischen Ferrit hohe Ver­setzungsdichten von 109 bis 1010 cm–2 vor. Die Versetzungsdichte nimmt wegen der abnehmenden Einfor­mung des Ferrits bei steigenden Umwandlungs­temperatu­ren ab. Sie ist umso höher, je mehr Karbide vorhan­den sind.

Nur ein Teil dieser Versetzungen nehmen als Gleitversetzungen an der plastischen Ver­formung teil. Ihre Bewegung durch das Metallgitter wird durch die räumliche Struktur der nichtgleit­fähigen Versetzungen, die gelösten Fremdatome, die Karbide sowie durch Korn- und Phasengrenzen behindert [52]. Der Anteil der Versetzungsverfestigung läßt sich quan­ti­ta­tiv durch

\sigma_{vers} = \alpha_1 \cdot G \cdot b \cdot \sqrt{\rho}

abschätzen. α1 ist dabei eine Konstante, G der Schubmodul, b der Betrag des Burgersvektors und ρ die Gesamtversetzungsdichte.

Die Wechselwirkung zwischen Gleitversetzungen und in den je­weiligen Gleitebenen liegen­den Interstitions- oder Substituti­onsatomen führen zu einem Spannungsanteil

\sigma_{MK} = \alpha_2 \cdot G \cdot C^M

wobei α2 und M Konstanten sind und C die Fremdatomkonzentration. Der im bainiti­schen Ferrit gelöste Kohlenstoff wächst mit sinkender Umwand­lungstemperatur an, was zu zuneh­mender Mischkristallverfestigung führt.

Die Karbide im oberen Bainit beeinflussen die Festigkeitseigenschaften nur dahingehend, daß sie die Rißbildung und -ausbreitung begünstigen. Mit den Gleitversetzungen treten sie nicht in Wechselwirkung, da sie an den Ferritnadelgrenzen liegen. Im unteren Bainit verursachen die im Ferrit gebildeten Karbide eine Ausscheidungsverfestigung, die den Spannungs­anteil

\sigma_{K} = A \cdot n_e \ln \left( \frac B n_e \right)

liefert. Dabei ist ne die Anzahl an Karbidteilchen pro mm2 und A, B Konstanten.

Zur Bestimmung der Festigkeitseigenschaften von Gemischen verschiedener Phasen wird die Mischungsregel

\sigma = \sum_{i=1}^N {V_i \sigma_i}

vorgeschlagen. Dabei stellt Vi den Volumenanteil des Gefüges i und σi den Festig­keitskennwert dar. Diese Abschätzung hat sich für die Mischung von oberem Bainit und Martensit als geeignet erwie­sen. Bei der Mischung von unterem Bainit mit Martensit treten jedoch größere Un­genau­igkeiten auf. Die Mischung von Bainit mit Restaustenit läßt sich danach beur­teilen, solange der Restaustenit nicht in Martensit umwandelt.

Einfluß des Restaustenits auf die mechanischen Eigenschaften

Man stellt fest, daß sich die Restaustenitmenge und -morphologie aufgrund der hohen Duktili­tät und Umwandlungsfähigkeit des Rest­austenits stark auf die Zähig­keits­eigen­schaften von unter­­schiedli­ch hoch siliziumhaltigen Stählen auswirkt. Bei der Ver­formung von Zuständen mit höherer Kohlenstoffkonzen­tration wandelt der Rest­austenit in Martensit um, während bei der Verformung von Zustän­den mit niedrige­rem Kohlen­stoffgehalt Zwil­lings­bildung im Austenit beobachtet wird. Die Rest­aus­tenit­men­ge, bei der die größte Bruch­dehnung auftritt, wird mit 33 bis 37 Vol% angegeben. Proben mit hö­herem Restaustenitge­halt ( bis zu 50 Vol% ) weisen wieder schlechte­re Zähigkeits­eigenschaften auf. Der Grund für dieses Verhalten liegt in der Mor­phologie des Restauste­nits. Bei ge­ringeren Restaustenit­gehal­ten liegt der Rest­austenit film­artig zwischen den Ferritnadeln und wirkt als Gleit­film zwischen den härteren Ferrit­aggregaten, wodurch die Ver­form­barkeit des Gefüges verbessert wird. Der Beitrag des Rest­austenits an der ge­samten Ver­formung ist wegen der dehnungs­induzierten Martensit­bildung sehr hoch, so daß eine Ver­größerung der Rest­austenit­menge ei­ner Ver­besserung der Bruch­dehnung gleichkommt. Bei höheren Restaustenit­mengen ordnet sich der Restaustenit blockför­mig an und sein Verfor­mungsmechanismus wechselt von der deh­nungsinduzier­ten Martensitbildung zur Verformung durch Zwil­lings­bildung. Da bei weiter steigendem Restaustenitge­halt der blockförmig angeordnete Anteil des Rest­austenits steigt, führt dies ab einer Restaustenit­menge von 37 Vol% wieder zu sinkenden Bruchdeh­nungen. Dieser Zusammenhang ist auch für den mit steigen­der Um­wandlungs­tempera­tur sinkenden KIC-Wert verantwortlich.

Verformungs- und Festigkeitsverhalten

Die isotherme Bainitumwandlung bietet eine Reihe von Vorteilen. Im Gebiet des unteren Bainits werden neben hohen Festigkeiten sehr gute Zähigkeits­eigenschaften erreicht, wie es sich für Stähle mit einem Kohlen­stoff­gehalt von 0,1 bis 1% zeigt. Dabei wurde der Chromge­halt von 0 bis 1% und der Silizi­umge­halt von 0,1 bis 0,6% variiert. Bei Um­wandlungs­temperatu­ren von 400 bis 600°C wurde ein Streckgrenzenverhält­nis von 0,6 bis 0,8 ermittelt. Für Zugfestigkeiten über 850 N/mm2 zeigten die in der Bainitstufe umgewandelten Stähle eine überlegene Duktilität gegen­über normal vergüteten Stählen. Diese sehr guten mechanischen Eigen­schaften des Bainits bleiben bis zu tiefsten Temperaturen erhalten. Ferner sind die Bruchdehnung, Brucheinschnürung und Kerb­schlagzähigkeit höher als bei ver­gleichbarer Festigkeit nach normaler Vergütung. Auch die Zeit­standfestigkeit, Dauer­schwing­festigkeit und Zeitschwingfestigkeit werden durch dieses Wärmebehandlungsver­fahren günstig beein­flußt.

Der Übergang von unterem zu oberem Bainit bewirkt einen Sprung in der Über­gangstempe­ra­tur der Schlagzähigkeit. Oberer Bainit zeigt dabei die höheren Übergangstempera­tu­ren, was auf die unterschiedliche Karbid­struktur zurückzuführen ist. Die Facetten­größe der Spaltbruchflächen stimmt mit der Größe der Bainitkolonien überein. Eventuell anwesender Martensit führt dabei zu einer Verkleinerung der Facetten­größe.

Mitunter zeigen bainitische Stähle eine recht geringe Streckgrenze. [53] macht dafür eine nur unvollständig durchgeführte Umwandlung verantwortlich. Nach seinen Untersuchun­gen erreicht die Streckgrenze nur dann ihr Maximum, wenn ein möglichst hoher Umwand­lungs­grad erreicht wird. Neben der Streckgrenze reagiert die Dauerfestigkeit besonders empfind­lich auf eine unvollständige Umwandlung.

Werkstoffe mit bainitischen Gefügezuständen werden erfolgreich für Ventil- und Tellerfedern eingesetzt, da die bainitischen Gefüge Vorteile in der Dauerfestigkeit und Zeitfestigkeit dieser Bauteile bringen. man kann zeigen, daß die Dauerfestigkeit bainitisch umgewandelter Proben über der von vergüteten Proben mit vergleichbarer Zugfestigkeit liegt. Es ist dabei auf eine möglichst vollständige bainitische Umwandlung zu achten. Dabei zeichnet sich das bainiti­sche Gefüge dadurch aus, daß es durch innere oder äußere Kerben sowie von Rissen erzeug­te Spannungs­spitzen wirksam abbauen kann [54].

Die Umwandlung in der Bainitstufe ist aber nicht nur aufgrund der guten mechanischen Eigen­schaften interessant, sondern auch unter dem Aspekt einer verzugsarmen und praktisch härterißfreien Wärmebehandlung. Infolge der relativ hohen Umwandlungstempera­turen sind sowohl die Abschreck- als auch die Umwandlungsspannungen sehr viel geringer als bei der üblichen Härtung. Zudem ist die Umwandlung in der Bainitstufe mit erheblich kleineren Volumenänderungen verbunden als die martensitische Umwandlung.

Zyklisches Verformungsverhalten bei Raumtemperatur

Bei der zyklischen Beanspruchung von Stählen kann man nach [55] vier Ermüdungs­stadien unter­scheiden: Das elastisch-plastische Wechselverformungsstadium, das Mikroriß­bildungs­stadium, das Stadium der stabilen Rißausbreitung und schließlich den Ermüdungs­bruch. Bei gehärteten Stählen überwiegt das Wechselverformungs­stadium und Mikrorißbil­dung tritt erst kurz vor dem Ermüdungsbruch auf. Bei normali­sierten oder vergüteten und dabei hoch angelassenen Stählen kann die stabile Rißausbreitung je nach Beanspruchungshöhe einen erheblichen Teil der Lebens­dauer umfassen.

 Bei elastisch-plastischer Wechselverformung liefert der Spannungs-Totaldeh­nungs­-Zusam­men­hang Hysteresisschleifen [56], denen bei hinreichend stabilisiertem Werkstoff­verhalten nach Bild 2.23 verschiedene Kenn­größen entnommen werden können. Bei spannungskon­trol­lier­ter Versuchsführung lassen sich die Totaldeh­nungsamplitude εa,t und die plastischen Deh­nungs­amplituden εa,p als Funktion der Lastspielzahl N bestimmen. Zyklische Ver­festigung (Entfe­stigung) ist dabei mit einer Abnahme ( Zunahme ) von εa,p und damit auch von εa,t ver­bunden. Bei totaldeh­nungskontrollierter Ver­suchs­führung stellen sich dagegen die Span­nungsamplituden σa und die plastischen Dehnungsamplituden εa,p als abhängige Größen ein. Eine zyklische Ver­festigung (Entfestigung) ist dabei mit einer Zunahme (Abnahme) von σa und einer Abnahme (Zunahme) von εa,p verknüpft [57]. Werden die abhängigen Größen bei gegebener Beanspruchungsamplitude als Funktion des Logarithmus der Lastspiel­zahl aufgetragen, so ergeben sich sog. Wechselverformungskurven. Entnimmt man diesen zuge­hörige Wertepaare von σa und εa,p bzw. εa,t und trägt diese gegeneinander auf, so erhält man die zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve. Dieser können wie einer Spannungs-Deh­nungs-Kurve des Zugversuchs, zyklische Streck- und Dehn­grenzwerte entnommen werden.

Die Wechselverformungskurven erlauben Rück­schlüsse auf das Werkstoffverhalten während der zyklischen Beanspru­chung. Normalisierte Stähle zeigen meist nach einer quasi-elastischen Inkuba­tionszeit ein Lastspielzahlintervall starker Wechselentfestigung, an das sich ein Lebens­dauerbereich mit Wechselverfestigung anschließt. Die beobachtete Wechsel­entfestigung ist auf das Auf­treten von Dehnungsinhomogenitäten zurückzuführen, die als Ermüdungs­lüders­bänder über die Meßstrecke laufen[58].

Auch vergütete Stähle zeigen nach einer Inkubations­zeit eine starke Wechsel­entfestigung, die bis zur Anrißbildung anhält. Mit steigender Spannungsamplitude sinkt dabei sowohl die Inku­ba­tions­­zeit, als auch die Lebensdauer ab. Da wegen der vorhandenen sehr hohen Verset­zungs­dichte eine Neubildung von Versetzungen unwahrscheinlich ist, müssen die auftretenden plasti­schen Verformungen durch Umordnung der vorhandenen Versetzungs­struktur erzeugt werden. Bei gehärteten Werkstoffzuständen bieten sich für die Ver­setzungen verstärkt Möglichkeiten zur elastischen Wechselwirkung mit den in erhöhter Nicht­gleichgewichtskon­zentration gelösten Kohlenstoff­atomen, was zu einer Wechselver­festigung führt. Da durch Anlassen der Anteil des gelösten Kohlenstoffs geringer wird, reduzieren sich die Wechselwir­kungsmöglichkeiten der Ver­setzungen mit den Kohlenstoffatomen und Umbildungen der Verset­zungs­struktur führen zu Wechselentfestigungen.

Für die stabile Rißausbreitung sind die zyklischen plastischen Deformationen an der Rißspitze maßgeblich. Die Rißaus­breitung wird durch die Schwingbreite der Span­nungsintensität ΔK bestimmt. Der Rißlän­genzuwachs pro Lastwechsel wird durch

\frac {da} {dN} = c ( \Delta K )^n

beschrieben, wobei c und n Konstanten sind. Bei doppelt logarithmischer Auftragung von da/dN über ΔK ergibt sich ein linearer Zu­sammenhang. Unterhalb eines Schwellwertes von ΔK tritt kein Rißwachs­tum mehr auf. Bei sehr hohen ΔK-Werten führt instabile Rißaus­breitung zum Bruch.

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