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Vakuumenergie




Die Vakuumenergie ist die Energie des „leeren Raumes“ bei vollständiger Abwesenheit von Feldern und Teilchen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik.

Inhaltsverzeichnis

Beobachtungen und Abgrenzung

Als ein experimentelles Indiz für die Vakuumenergie und der dadurch bedingten Vakuumfluktuationen werden häufig der Casimir-Effekt und die Lambverschiebung interpretiert. Jedoch ist es möglich, den Casimireffekt auch ohne den Rückgriff auf Vakuumfluktuationen herzuleiten.[1] Der Lambshift ist ein Phänomen in einer wechselwirkenden Quantenfeldtheorie, das dementsprechend nicht auf die Vakuumenergie zurückgeführt werden kann. Dieses Missverständnis entsteht dadurch, dass er zwar eine Folge virtueller Teilchen-Antiteilchen-Paarbildung ist, welche jedoch nicht aus dem Vakuum stattfindet, sondern auf Wechselwirkungen von Feldern zurückgeht.

Die Vakuumenergie gilt als einer der möglichen Kandidaten für die Dunkle Energie, welche in der Astronomie eine Erklärung für die beobachtete beschleunigte Expansion des Universums bieten würde. Die Stärke der Vakuumenergie stellt in diesem Kontext eines der größten Probleme der modernen Physik dar, da die experimentell gefundenen und theoretisch vorhergesagten Werte für die Vakuumenergie als dunkle Energie etwa um den Faktor 10120 abweichen. Der beobachtete Wert für die Energiedichte des Vakuums ist mit 10-9 J/m3 deutlich niedriger als in den theoretischen Berechnungen.

Historische Entwicklung

Nach Aufgabe des den leeren Raum erfüllenden Äthers als Medium für die Fortpflanzung von Wellen und Bezugsrahmen für die Bewegung von Körpern herrschte in der klassischen Physik die Vorstellung eines weder Materie noch irgendeine Form von Energie enthaltenden Vakuums. Doch schon das von Max Planck im Jahr 1911 gefundene Strahlungsgesetz seiner „zweiten Theorie“ legte eine Nullpunktsenergie des elektromagnetischen Feldes im Vakuum nahe, da eine von der Temperatur unabhängige Größe ½ hν auftrat. Allerdings maß Planck dem zunächst keine Bedeutung hinsichtlich eines experimentellen Nachweises zu.[2][3] Bei ähnlichen Überlegungen gelangten Albert Einstein und Otto Stern 1913 zu dem Schluss, dass die Nullpunktsfluktuationen des elektromagnetische Feldes am absoluten Nullpunkt der Temperatur bei hν lägen.[3] Aufbauend auf den Arbeiten Plancks schlug Walther Nernst zum einen Nullpunktsfluktuationen für das elektromagnetische Feld um den Wert ½ hν vor[3] und zum anderen, dass das gesamte Universum von Nullpunktsenergie erfüllt sei.[4]

Im Jahr 1927 formulierte Werner Heisenberg seine Unschärferelation, die als Grundlage der Nullpunktsenergie in jedem quantenmechanischen System gilt.[5]

Georges Lemaitre, der wegweisende theoretische Arbeiten zum Urknall und zur Expansion des Universums geleistet hatte, fand 1934 eine Übereinstimmung der Vakuumenergie mit der kosmologischen Konstanten Einsteins (1917), deren Einführung Einstein später jedoch als die "größte Eselei" seines Lebens bezeichnete.[6]

Bei einer Untersuchung der van-der-Waals-Kräfte in Kolloidlösungen verwendete Hendrik Casimir zusammen mit Dirk Polder 1947 einen quantenmechanischen Ansatz, welcher zu einer Diskussion mit Niels Bohr führte. Bohr äußerte hierzu, „das muss etwas mit Nullpunktsfluktuationen zu tun haben“.[7] Casimir ging der Idee nach, die Anziehung zwischen neutralen Atomen könne vielleicht nur auf Vakuumfluktuationen beruhen, und veröffentlichte 1948 seine grundlegende Arbeit Über die Anziehung zwischen zwei perfekt leitenden Platten.[8] Darin beschrieb er eine theoretische Versuchsanordnung mit zwei Metallplatten im Vakuum, die sich seinen Berechnungen nach aufgrund der Vakuumenergie des elektromagnetischen Quantenfelds anziehen sollten.

Erste entsprechende Versuche zum Nachweis der Casimirkraft im Vakuum wurden 1958 von Marcus Spaarnay durchgeführt,[9] allerdings mit einem Messfehler von etwa 100 %.[10] Allmählich erreichten die Messungen der Casimirkraft (Wert für zwei Spiegel von 1 cm² Fläche im Abstand 1 µm: 10-7 N[7]) eine höhere Genauigkeit, z. B. betrug der Messfehler bei van Bloklands und Oveerbeeks 1978 25 %[11] und bei Steven Lamoreaux 1996 nur noch 5 %.[12]

In den letzten Jahren fand auch die kosmologische Konstante, die in engem Bezug zur Krümmung der Raumzeit steht, wieder mehr Beachtung, zumal sie nun als kleine positive Energiedichte des Vakuums angesehen wird.[13] Eine neuere Erklärung für die kosmologische Konstante liefert beispielsweise ein zyklisches Universum.[14]

Details

Die Quantenfeldtheorie betrachtet ein Vakuum nicht als völlig leer. Selbst im Grundzustand, dem niedrigstmöglichen Energieniveau, ermöglicht die Heisenbergsche Unschärferelation die Bildung von sogenannten "virtuellen Teilchen" und Feldern. Virtuelle Teilchenpaare sind Teilchen-Antiteilchen-Paare, die nur kurz bestehen und sich danach wieder auslöschen. Die Vakuumenergie kann folglich Teilchen des Standardmodells in diesem ansonsten leeren Raum entstehen lassen. Die ständig erfolgende gegenseitige Auslöschung (Annihilation) der entstehenden Teilchenpaare verhindert eine globale Verletzung des geltenden Energieerhaltungssatzes.

Stephen Hawking hat die Teilchenerzeugung der Vakuumenergie auch als Mechanismus für die „Verdampfung“ von Schwarzen Löchern beschrieben (Hawking-Strahlung).

Einige Forscher vermuten auch, dass die Vakuumenergie die in der Kosmologie diskutierte Dunkle Energie ist, die wesentlichen Einfluss auf die Kosmologische Konstante und damit auf die zeitliche Entwicklung des Universums hat. Es gibt dafür aber noch keine überzeugende theoretische Grundlage. Besonders problematisch ist hierbei, dass nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie die Gesamtenergie des Universums gleich Null sein muss.

John Archibald Wheeler errechnete unter Berücksichtigung der bis zur Plancksche Länge von 10-33 cm geltenden Quantengesetze eine Energiedichte des Vakuums von 1094 g/cm3. Die Höhe dieses Ergebnisses stellt ein massives Problem dar. Nach Einsteins Gleichung E = m×c² (Äquivalenz von Masse und Energie) wäre dann die Gravitationskraft des Vakuums sehr viel größer als die Gravitationskraft der gesamten Materie des Universums, wodurch die beobachtete Ausdehnung des Universums unmöglich wäre.

In der Science Fiction wird die Vakuumenergie u.a. im Roman "Das Lied der fernen Erde" (engl. "The Songs of Distant Earth" von Arthur C. Clarke) aufgegriffen. Darin ermöglicht erst die Entdeckung der Vakuumenergie die Entwicklung eines gewaltigen Antriebes, der als "Quantenstrahltriebwerk" bezeichnet wird und durch den Menschen in Raumschiffen zu neuen Welten gelangen können.

Einzelnachweise

  1. R. L. Jaffe: The Casimir Effect and the Quantum Vacuum In: Phys.Rev. D72 (2005) [1]
  2. Planck, M. (1911) Eine neue Strahlungshypothese. Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 13, 138-148.
  3. a b c Haisch, B., Rueda, A. & Dobyns, Y. (2000) Inertial mass and the quantum vacuum fields. Annalen der Physik 10, 393-414. http://www.arxiv.org/pdf/gr-qc/0009036
  4. Nernst, W. (1916) Über einen Versuch von quantentheoretischen Betrachtungen zur Annahme stetiger Energieänderungen zurückzukehren. Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 4, 83.
  5. Heisenberg, W. (1927) Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik", Zeitschrift für Physik 43, 172-198.
  6. Luminet, J.-P. (2007) The Rise of Big Bang Models, from Myth to Theory and Observations http://arxiv.org/pdf/0704.3579
  7. a b Lambrecht, A. (2005) Das Vakuum kommt zu Kräften. Physik in Unserer Zeit 2, 85-91.
  8. Casimir, H.G.B. (1948) On the attraction between two perfectly conducting plates. Proc. Con. Ned. Akad. van Wetensch B51 (7), 793-796.
  9. Spaarnay, M.J. (1958) Measurement of attractive forces between flat plates. Physica 24, 751.
  10. Onofrio, R. (2006) Casimir forces and non-Newtonian gravitation. New Journal of Physics 8, 237.
  11. van Blokland, P.H.G.M & Oveerbeek, J.T.G (1978) The measurement of the van der Waals dispersion forces in the range 1.5 to 130 nm. Journal of the Chemical Society Faraday Transactions I74, 2637.
  12. Lamoreaux, S.K. (1997) Demonstration of the Casimir force in the 0.6 to 6 mm range. Physical Review Letters 78 (1), 5-8.
  13. Carroll, S.M. (2001) The Cosmological Constant http://relativity.livingreviews.org/Articles/lrr-2001-1/
  14. Steinhardt, P.J. & Turok, N. (2002) A Cyclic Model of the Universe. Science 296 (5572), 1436-1439.
 
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