Ein Kristall hat eine definierte Struktur, an der sich im Nachhinein nicht mehr
viel ändern lässt - dieses Dogma haben spanische Chemiker nun durchbrochen: Sie
haben ein schichtartiges Material hergestellt, dessen
Porosität sich schlagartig
erhöhen lässt. Dies könnte die Geburtsstunde einer neuen Art von Materialien mit
maßgeschneiderten, auf äußere Signale antwortenden Poren sein. Mikroporöse
Stoffe können "Gast"-Moleküle aufnehmen und sind heiß begehrt, etwa als
selektive
Katalysatoren, Ionenaustauscher oder Speicher für
Wirkstoffe.
Als Ausgangsmaterial wählte das Team um Ernesto Brunet gamma-Zirconiumphosphat,
das eine Schicht-Struktur hat. Aus den Oberflächen der einzelnen Lamellen ragen
Phosphatgruppen [PO4] heraus, die sich leicht ersetzen lassen, ohne dass sich
die Struktur der Lamellen verändert. Als Ersatz für einen Teil der Phosphate
wählten die Forscher kurze Polyethylenglykol-Ketten mit je einer
Phosphonsäuregruppe [PO(OH)2] an beiden Kettenenden. Diese "Diphosphonate"
verdrängen je ein Phosphat an zwei gegenüber liegenden Lamellen und verbrücken
sie. Wie Säulen in einem Säulengewölbe unterteilen die Ketten den
Lamellen-Zwischenraum. Nun tauschen die Forscher die noch verbliebenen
Phosphatgruppen durch Hypophosphitgruppen [H2PO2] aus. Diese sind so in die
Lamellenoberfläche eingebettet, dass ihre apolaren PH2-Seiten in den
Zwischenraum ragen. Anders als bei der Vorstufe stehen die Säulen auf Grund der
apolaren Wechselwirkungen zwischen den Lamellen nicht aufrecht, sondern kommen
flach (parallel zu den Lamellen) zu liegen, der Schichtabstand ist deutlich
verringert.
Wird dieses Material mit dem basischen Methylamin behandelt, quillt es in einem
sehr engen pH-Bereich abrupt auf, der Schichtabstand nimmt um fast 70% zu. Wie
das? Polare Moleküle wie Methylamin haben zunächst keinen Zutritt zum apolaren
Milieu der Zwischenräume. Aber die Verankerungen der Säulen, die
Phosphonatgruppen, sind polar. Ab einem
pH-Wert von etwa 4,5 ist die Anziehung
zwischen den sauren Phosphonaten und dem basischen Methylamin so groß, dass an
den Rändern der Kristalle einzelne Methylamonium-Ionen eindringen. Im Verhältnis
zum Schichtabstand sind diese relativ groß. Wie ein Keil treiben sie die starren
Lamellen auseinander und bringen die Säulen dazu sich aufzurichten. Einige
eingedrungene Keile reichen aus, um die apolaren Anziehungskräfte zwischen den
Lamellen komplett aufzuheben und alle Säulen aufzurichten. Der Schichtabstand -
und damit die Porosität - nimmt schlagartig zu. "Eine derart hohe
Empfindlichkeit der mikrokristallinen Porosität gegenüber der Einlagerung
kleiner Moleküle ist bislang einzigartig," sagt Brunet.