Von 0 auf 100 in 12 Minuten: Fahrplan für Lithium-Schwefel-Akkus

Internationale Studie zeigt Potenzial schnellladender Lithium-Schwefel-Batterien für E-Mobilität und Energiewende

11.07.2025
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Symbolbild

Einmal Kaffee holen und das Auto ist vollgeladen – so stellen sich viele die Mobilität der Zukunft vor. Doch heutige Batterien sind davon noch ein gutes Stück entfernt. Zwar laden moderne Lithium-Ionen-Batterien von 20 auf 80 Prozent in etwa 20 bis 30 Minuten, eine vollständige Ladung dauert jedoch deutlich länger – und das schnelle Laden belastet die Zellen stark.

© Christina Anders, Uni Kiel

Jakob Offermann (links) und Dr. Mozaffar Abdollahifar (rechts) mit einer Lithium-Ionen-Batterie.

Eine neue internationale Übersichtsstudie im Fachjournal „Advanced Energy Materials“ zeigt nun, wie Lithium-Schwefel-Batterien (LSBs) diese Grenzen überwinden könnten. Forschende aus Deutschland, Indien und Taiwan – koordiniert von Dr. Mozaffar Abdollahifar aus der Gruppe von Professor Rainer Adelung von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) – haben dafür hunderte aktuelle Studien systematisch analysiert und legen dar, mit welchen Mechanismen sich LSBs auch bei hohen Ladegeschwindigkeiten stabil und leistungsfähig betreiben lassen. Ihr Ziel: Ladezeiten von unter 30 Minuten – im Idealfall sogar nur zwölf Minuten – bei gleichzeitig höherer Energiedichte und größerer Reichweite.

Lithium-Schwefel-Batterien: Mehr Reichweite, schneller laden

LSBs gelten als vielversprechende Nachfolger der etablierten Lithium-Ionen-Batterien. In diesen werden Lithium-Ionen in feste Elektrodenmaterialien ein- und ausgelagert, bei LSBs laufen chemische Reaktionen ab, bei denen neue Verbindungen entstehen. Zum Einsatz kommt dabei eine metallische Lithium-Anode in Kombination mit einer Schwefel-Kathode, was theoretisch eine Kapazität von 2600 Wattstunden pro Kilogramm – rund zehnmal so viel wie bei konventionellen Systemen. E-Fahrzeuge könnten damit künftig deutlich längere Strecken mit nur einer Ladung zurücklegen.

Ein weiterer Vorteil: Schwefel ist kostengünstig, weltweit verfügbar, umweltfreundlich und ungiftig – auch ökonomisch spricht vieles für einen Umstieg auf Schwefel als Kathodenmaterial.

Technische Herausforderungen der LSB-Technologie

Bislang stehen der breiten Anwendung jedoch technische Hürden im Weg: Schwefel ist ein elektrischer Isolator und muss mit leitfähigen Zusatzstoffen kombiniert werden – was das Batteriegewicht erhöht. Die Kathode dehnt sich beim Laden und Entladen um bis zu 80 Prozent aus, was die mechanische Stabilität und Lebensdauer beeinträchtigen können.

Hinzu kommt der „Shuttle-Effekt“: Während der Entladung entstehen lösliche Lithium-Polysulfide, die zur Anode wandern und dort unerwünschte Nebenreaktionen verursachen – mit negativen Folgen für Effizienz und Stabilität. „Außerdem können an der Lithium-Metall-Anode Dendriten – nadelartige Strukturen – wachsen, die Kurzschlüsse auslösen und im schlimmsten Fall Brände verursachen können“, erklärt Erstautor Jakob Offermann.

Strategien für schnelles Laden bei hoher Sicherheit

Die Studie untersucht gezielt Arbeiten mit besonders schnellen Ladezeiten (ab 2C, d. h. Laden in unter 30 Minuten) und hoher Schwefelbeladung – beides entscheidend für die Praxis. Wichtige Lösungsansätze sind:

  • Kathoden-Design: Leitfähige Kohlenstoffstrukturen, wie Nanoröhren, Graphen oder Aktivkohle verbessern den Ionentransport und die Schwefelausnutzung – auch bei hoher Materialbeladung. Defektreiche und dotierte Kohlenstoffe helfen zusätzlich den Shuttle-Effekt zu verringern.
  • Katalytische Materialien: Metalloxide, Chalcogenide oder Einzelatom-Katalysatoren beschleunigen die Schwefelreaktionen und reduzieren den Shuttle-Effekt.
  • Optimierte Separatoren: Funktionelle Trennschichten fangen Polysulfide ein und fördern den schnellen Ionentransport.
  • Neue Elektrolytsysteme: Hochkonzentrierte und feste Elektrolyte sowie spezielle Additive verbessern die Leitfähigkeit, die Verträglichkeit mit Lithium-Metall und unterdrücken Nebenreaktionen.
  • Stabile Anoden: Schutzschichten wie 3D-Lithium-Strukturen und künstliche Grenzflächen verhindern Dendritenbildung.
  • Neue Schwefel-Formen: Monoklines γ-Schwefel erlaubt eine direkte Festkörperreaktion – ganz ohne Shuttle-Effekt.
  • Materialentwicklung mit Hilfe künstlicher Intelligenz: KI-Methoden beschleunigen die Materialsuche, sagen Batterieperformance voraus und helfen, Ladeprozesse effizienter und sicherer zu gestalten.

LSBs als Schlüsseltechnologie der Zukunft

„Unsere Analyse zeigt, dass Schnellladezeiten unter 30 Minuten – teils sogar unter 15 Minuten – bei gleichzeitiger Kapazitätssteigerung realistisch sind“, sagt Mozaffar Abdollahifar. „Derzeit erreichen erste Prototypen vielversprechende Werte von etwa 2 mAh pro Quadratzentimeter bei praxistauglichen Ladegeschwindigkeiten. Um jedoch bestehende Lithium-Ionen-Batterien wirklich zu übertreffen, müssen Materialbeladung und Leistungsfähigkeit weiter gesteigert werden.“

Die Studie vereint Materialienwissenschaft, Elektrochemie, Nanotechnologie und Batterietechnik zu einem ganzheitlichen Ansatz für schnellladende Batterien. Sie präsentiert eine neue Methodik, die als Leitfaden für die Entwicklung leistungsstarker, langlebiger und sicherer LSBs dient. Mit klaren Kriterien und einem systematischen Vorgehen bietet die Arbeit einen praxisorientierten Fahrplan für die Umsetzung von Schnelllade-LSBs in den Bereichen Mobilität und Energiespeicherung.

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