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Gelatine



Gelatine ist ein geschmacksneutrales tierisches Eiweiß (Polypeptid), das außer Tryptophan alle essentiellen Aminosäuren enthält. Zur Gewinnung wird das zunächst unlösliche Bindegewebe von (vor allem) Haut und Knochen von Schweinen und Rindern aber auch von Geflügel und Fischen einem Aufschlussverfahren (Hydrolyse) unterworfen, das die Peptid-Bindungen aufspaltet, sodass sich das so wasserlöslich gemachte Kollagen extrahieren lässt. Der Aufschluss kann durch Kochen (Herstellung einer Boullion in der Küche) oder durch Behandlung mit Säuren und Basen und anschließender Extraktion (industrielle Herstellung) erfolgen. Gelatine kann 1-2 % Mineralien und bis zu 15 % Wasser enthalten.

Gelatine quillt in Wasser und löst sich dann beim Erwärmen (ab ca. 50 °C) auf. Sie ist das einzige Hydrokolloid, bei dem die (beim Abkühlen) gelierte Lösung beim Erwärmen wieder flüssig wird. Dieser temperaturabhängige Gel/Sol Übergang ist reversibel und ist z.B. auch verantwortlich dafür, dass Gummibärchen im Mund schmelzen (und nicht kleben wie z.B. Stärkeprodukte). Gelatine ist temperaturempfindlich. Wird sie längere Zeit über 80 °C erhitzt, baut sie ab, d.h. verliert mehr und mehr ihre Gelierkraft (gemessen in Bloom).

Wie alle anderen Proteine besitzt auch Gelatine amphotere Eigenschaften. Deshalb gibt es einen pH-Wert, an dem die (positive) elektrische Ladung der Aminogruppen der der (negativen) Ladung der Carboxylgruppen entspricht. Dieser isoelektrische Punkt der Gelatine ist von der Herstellungsart abhängig (saurer Aufschluss: pH 5, alkalischer Aufschluss: pH 7-9). Am isoelektrischen Punkt ist Gelatine am unlöslichsten, was als Bestimmungsmethode dienen kann (stärkste Trübung des Gels).

Gelatine wird zum Gelieren von Nahrungsmitteln (z.B. Gummibärchen, Götterspeise, Sülze) eingesetzt. Außerdem verwendet man sie zur Herstellung von Filmschichten (vor allem Fotopapier) und zur Herstellung arzneilicher (Weich- und Hart-)Kapseln, um die wichtigsten Einsatzgebiete zu nennen.

Für die vegetarische Ernährung ist Gelatine nicht geeignet, weil sie aus Bindegewebe (das nur in Tier und Mensch vorkommt) hergestellt wird. Vegetarische (technologisch aber nur bedingte) Alternativen zu Gelatine sind Agar-Agar sowie Pektin und Carrageen.

Inhaltsverzeichnis

Herstellung

In Europa verwendete Speisegelatine wird zu ca. 70% aus Schweineschwarten hergestellt (ca. 5 kg Schweineschwarten ergeben 1 kg Gelatine). 28% Prozent des Rohstoffs stammen vom Rind. Hierbei handelt es sich in erster Linie (18%) um Rinderspalt (Mittelschicht der Haut), sowie 10% aus Rinder- und Schweineknochen. Die Knochen werden geschrotet, entfettet und während der Mazeration von Calciumcarbonat, Calciumphosphat und Calciumfluorid befreit. Die entmineralisierte Substanz nennt man Ossein. Für die Herstellung des restlichen Anteils (2%) der Gelatine wird Geflügel und Fischhaut verwendet.[1]

Während im Ossein und Rinderspalt vorhandene Bindungen basisch mit Kalkmilch über einen längeren Zeitraum (3-6 Monaten) und unter Bildung von Ammoniak aufgespalten werden, erfolgt der saure Aufschluss der Schweineschwarte mit Schwefel- oder Salzsäure innerhalb eines Tages. Nach dem Auswaschen verbleibt das reine, durch die Behandlung jetzt warm- bis heißwasserlösliche Kollagen, aus dem dann in mehreren (bis zu 5) Ansätzen (Boullions) bei steigender Temperatur (und damit einhergehend) Gelatine mit immer niedrigerer Gelierkraft extrahiert wird. Die so erhaltenen Gelatinelösungen werden eingedickt und abgekühlt, wobei sie gelieren und die gelierte Masse in Nudelform auf ein Trockenband extrudiert werden kann. Das Band durchläuft dann einen Trockentunnel, an dessen Ende die Gelatine bis auf einen Wassergehalt von 10-15% getrocknet ist. Zur Herstellung von Blattgelatine wird entsprechend nicht in Nudelform extrudiert, sondern ein Gelatinefilm erzeugt, für den als Trockenband ein weitmaschiges Netz dient.

Wegen der BSE-Krise wurden im Jahr 1999 von der EU-Kommission strenge Richtlinien für die Herstellung von Gelatine festgelegt.

Fischgelatine wird aus dem in Fischhäuten enthaltenen Kollagen hergestellt, u. a. um damit jüdischen und islamischen Speisegesetzen zu entsprechen (siehe Koscher und Halal). Nun stellt Fisch eines der allergensten Lebensmittel dar und es können allergische Reaktionen auf Fisch ausgeprägt vorliegen. Allerdings liegen keine Berichte über klinische Reaktionen auf Gelatine in handelsüblichen Lebensmitteln vor. Da aber ausreichende Daten aus Provokationsstudien mit Personen fehlen, die eine Fischallergie haben und spezifisches IgE gegen Fischgelatine aufweisen bzw. positiv auf einen Pricktest mit Fischkollagen oder Fischgelatine reagieren, wurden 2004 die vom schweizerischen Duft- und Aromahersteller Givaudan vorgelegten Daten anlässlich eines Antrags auf Zulassung von Fischgelatine zur Verkapselung von Aromastoffen von der EFSA als unzureichend bewertet. Andererseits wurde aber auch die Meinung geäußert, "dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass Fischgelatine unter den vom Antragsteller spezifizierten Verwendungsbedingungen eine schwere allergische Reaktion bei der Mehrzahl der Personen mit Fischallergie auslösen wird."[2]

Verwendung

Gelatine wird teilweise in Halbfettprodukten und Lightprodukten wie Halbfettmargarine, Halbfettbutter und fettreduzierten Käsesorten verarbeitet, außerdem in Süßwaren wie Gummibärchen, Weingummis, Weichkaramellen, Marshmallows, Schaumwaffeln, Lakritz oder Schokoküssen. Des Weiteren kann sie in Backwaren, Milchprodukten (etwa Quark, Kefir und Joghurt) und Desserts (z. B. Götterspeise, Jelly Pudding vulgo Wackelpudding, Mädchenröte), in Fleisch-, Fisch- und Wurstwaren wie zum Beispiel Sülze und Aspik, Pfefferminzbonbons und Weihnachtskonfekt, aber auch als Schönungsmittel in Getränken wie Wein, Apfelwein und Fruchtsäften sowie in manchen Ländern sogar im Bier zum Einsatz kommen.

Gelatine ist auch in den üblichen Filmen und Fotopapieren enthalten, in den meisten fotografischen Edeldruckverfahren stellt sie den Träger der Pigment- bzw. Chemikalienschicht dar. In der Maskenbildnerei in Film und Theater oder auch bei Rettungsübungen dient gefärbte Gelatine zur realistischen Wunddarstellung. Die Organe, wie man sie zum Beispiel in Krankenhausserien zu sehen bekommt, sind auch oft aus Gelatine gefertigt. Zudem wird sie bei der Sportart Paintball als Hülle für biologisch abbaubare Munition verwendet. Zur Bestimmung von Schusskanälen bzw. der Eindringtiefe eines Projektils wird Ballistische Gelatine verwendet.

Gelatine wird in der pharmazeutischen Industrie zur Herstellung bzw. in der Apotheke zur Weiterverarbeitung von Hart- und Weichkapseln und in geeigneten Fällen zur Viskositätserhöhung von Lösungen als Gelatine A (saurer Aufschluss) bzw. Gelatine B (alkalischer Aufschluss)(s. Verdickungsmittel) eingesetzt. Obwohl es durchaus noch mehr Arten von Gelatine gibt, finden praktisch nur diese beiden dort Anwendung. In der Medizin dient Gelatine unter anderem zur Beschichtung von Implantaten wie beispielsweise Gefäßprothesen.

Bei der Gelatineherstellung entstehen außer der Gelatine Nebenprodukte, die weiter genutzt werden: Fleischknochenmehl (zum Beispiel als Tierfutter oder Dünger), Knochenfett (zum Beispiel zur Seifenherstellung) und Calciumcarbonat (zum Beispiel für die Zahnpastaherstellung).

Gelatinehaltige Impfstoffe

Rindergelatine in Form von Polygelin als Stabilisator ist bzw. war in mehreren Impfstoffen enthalten, so in jenen gegen FSME, Japan-Enzephalitis, Tollwut, Varizellen und im MMR-Impfstoff. Obwohl allergische Reaktionen auf Impfstoffe mit einer Häufigkeit von ca. 1 Reaktion zu 500.000 Impfdosen insgesamt selten sind, spielt die Allergie gegen Gelatine (in Kombination mit Thiomersal) als allergische Reaktion vom Soforttyp (bis hin zur Anaphylaxie) eine wichtige Rolle und gilt für ca. die Hälfte aller diesbezüglichen Komplikationen verantwortlich, sodass diese nun zunehmend aus Impfstoffen entfernt wird.

Quellen

  1. Gelatinemarktdaten (Gelatine Manufacturer of Europe)
  2. Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums für diätetische Produkte, Ernährung und Allergien auf Ersuchen der Kommission bezüglich einer Mitteilung durch die Givaudan Schweiz AG betreffend Fischgelatine zur Verwendung als Aromaträger gemäß Artikel 6 Absatz 11 der Richtlinie 2000/13/EG. (Frage EFSA-Q-2004-126)

Literatur

  • Wilfried Babel: Gelatine - ein vielseitiges Biopolymer. In: Chemie in unserer Zeit, 30 (1996), S. 86-95, ISSN 0009-2851
  • Jörg Florian Liesegang: Die Gelatine in der Medizin. Dissertation, Universität Heidelberg 2007 (Volltext) – Geschichtliches zu der Verwendung in der Medizin des 17.–20. Jahrhunderts
  • Reinhard Schrieber, Herbert Gareis: Gelatine Handbook. Theory and Industrial Practice. Wiley-VCH, Weinheim 2007, ISBN 978-3-527-31548-2
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Gelatine aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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