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Glykoside



Glykoside (R-O-Z) sind chemische Verbindungen, bei denen ein Alkohol (R-OH) über eine glykosidische Bindung an einen Zuckerteil (Z) gebunden ist. Es handelt sich somit um das Vollacetal eines Zuckers. OR kann nach IUPAC-Nomenklatur sowohl ein anderer Zucker als auch eine beliebige andere Hydroxylverbindung sein, allerdings kein Acylrest. Liegt statt eines Acetals ein Thioacetal R-S-Z oder Selenoacetal R-Se-Z vor, so spricht man von einem Thioglykosid bzw. Selenoglykosid. N-Glykosyl-Verbindungen R-NR´-Z sollen besser als Glykosylamine bezeichnet werden. C-Glykosylverbindungen R-CR´R´´-Z sollen als Glykosylderivate bezeichnet werden.[1] Der Zuckerteil Z wird allgemein als Glykon bezeichnet. Wenn es sich bei R-OH um einen Nichtzucker handelt, wird es Aglykon oder Genin genannt, da die Bezeichnung des kohlenhydratfreien Aglykons meist auf genin endet.[2]  

Inhaltsverzeichnis

Die glykosidische Bindung

Bei der glykosidischen Bindung liegt die Aldehydfunktion der Aldosen (z. B. Glukose) oder die Ketofunktion der Ketosen (z. B. Fruktose) als zyklisches Vollacetal vor. Ein Acetal ist das Kondensationsprodukt aus einem Aldehyd oder Keton und einem (Halbacetal) oder zwei Alkoholen (Vollacetal). Vollacetale sind stabil gegen basische und neutrale bis schwach saure wässrige Lösungen, hydrolysieren jedoch in Gegenwart starker Säuren. Kohlenhydrate (Zucker) sind Polyhydroxycarbonylverbindungen, d. h. sie haben mehrere Alkoholfunktionen, und liegen daher meist als energetisch sehr günstiges zyklisches Halbacetal vor, reagieren also mit sich selbst unter Ringbildung. Das ehemalige Carbonylsauerstoffatom bildet eine exozyklische OH-Gruppe, der Sauerstoff der Hydroxylgruppe bildet den endozyklischen Ringsauerstoff. Da die Halbacetalform der Aldosen in wässriger Lösung mit der offenkettigen aldehydischen Form im Gleichgewicht liegt, reduziert eine Glukose-Lösung Fehlingsche Lösung. Zucker bilden mit den verschiedensten Alkoholen HOR ein zyklisches Vollacetal, bei dem statt einer exozyklischen Hydroxylgruppe ein exozyklischer Substituent OR vorliegt. Ein solches Vollacetal ist in wässriger Lösung stabil und reduziert Fehlingsche Lösung daher nicht, es sei denn das Aglykon selbst wirkt reduzierend, z. B. wenn es sich wiederum um einen Zucker handelt. In stark saurer wässriger Lösung werden Glykoside zu einem oder mehreren Monosaccharid(en) und dem Alkohol gespalten. Das klassische Nachweis-Kriterium für ein Glykosid ist daher die Beständigkeit gegen Fehlingsche Lösung ohne vorherige Hydrolyse und Reduktion von Fehlingscher Lösung nach saurer Hydrolyse. Bei Vorliegen eines reduzierenden Aglykons, z. B. einem weiteren Zucker, greift dieses Kriterium allerdings nicht. Da erste Untersuchungen pharmazeutischer pflanzlicher Formulierungen (Formulierung = Darreichungsform) mit diesen klassischen Untersuchungsmethoden erfolgten, werden in der Pharmazie die unten angegebenen pflanzlichen Wirkstoffe als Glykoside bezeichnet, obwohl die Glykoside eine weit über diese kleine Gruppe hinausgehende Bedeutung haben.

Stereochemie

Durch die Bildung des glykosidischen Vollacetals wird die prochirale Carbonylfunktion chiral, d. h. es bildet sich ein neues Stereozentrum, das sogenannte anomere Kohlenstoffatom oder anomere Zentrum. Die beiden resultierenden Diastereomere (Anomere) werden als α- bzw. β-Glykosid bezeichnet.

Bildet der Zucker einen Fünfring, so handelt es sich um ein Glykofuranosid (abgeleitet von Furan). Bildet er einen Sechsring, so spricht man von einem Glykopyranosid (abgeleitet von Pyran).

Bedeutung

Was die Peptid-Bindung bei den Aminosäuren ist, ist die glykosidische Bindung bei den Kohlenhydraten, da sie durch eine leicht reversible Kondensationsreaktion eine stabile Verknüpfung zu anderen Zuckern oder den verschiedensten Alkoholen ermöglicht. Dadurch ergibt sich für die Kohlenhydrate, die mit Abstand den größten Teil der Biomasse ausmachen, eine gewaltige Strukturvielfalt.

Enzyme

In biologischen Systemen werden Glykoside durch Glykosidasen zum freien Zucker und dem aglykonischen Alkohol hydrolysiert. Diese Glykosidasen sind mehr oder weniger spezifisch für bestimmte Zucker und eine der anomeren Formen und Ringgrößen. So kann eine α-Mannopyranose-spezifische Glykosidase, eine α-Mannosidase, kein Galaktosid hydrolysieren. Eine α-Galaktosidase kann aber nicht nur α-Galaktopyranoside spalten, sondern manchmal auch ähnliche Glykoside, wie zum Beispiel β-Arabinopyranoside. Glykosyltransferasen hingegen sind hochspezifische Enzyme, die die Übertragung aktivierter Kohlenhydrate (UDP-Zucker) auf einen Alkohol unter Ausbildung einer glykosidischen Bindung katalysieren.

Biologie und Pharmazie

Glykoside sind in der Natur weit verbreitet. Einige spezielle Glykoside sind sekundäre Pflanzenstoffe. Dabei klassifiziert man Glykoside anhand der verschiedenen möglichen Aglykone. Die Synthese von Glykosiden ermöglicht es der Pflanze u.a., toxische Stoffe in nicht-toxischer Form zu speichern. Dabei wird das Glykosid z. B. in einer Vakuole gespeichert, was der Kompartimentierung von einer entsprechenden Glykosidase dient. Kommen das Glykosid und die zugehörige Glykosidase, z. B. durch Zerstörung der Pflanzenzelle zusammen, wird das Glykosid hydrolytisch gespalten und der Giftstoff wird freigesetzt und kann seine Wirkung entfalten.

In der Heilkunst sind Glykoside in ihrer Wirkung sehr unterschiedlich. Sie werden je nach Aglykon in folgende Untergruppen aufgeteilt:

Literatur

  • Jochen Lehmann, Kohlenhydrate: Chemie und Biologie, 2. neu bearb. und erw. Aufl., Stuttgart, New York: Thieme, 1996

Fußnoten

  1. Die Bezeichnung C-Glykosid bzw. N-Glykosid wird als Laborjargon zwar meist toleriert und sogar in wissenschaftlichen Publikationen verwendet, ist jedoch fachlich zweifelhaft, da ein fundamentaler Unterschied im chemischen Verhalten besteht.
  2. Beispiel: Dioscin (ein Steroidglykosid oder Saponin) wurde zuerst in Dioscorea-Arten entdeckt und nach ihnen benannt. Das kohlenhydratfreie Aglykon heißt Diosgenin und ist ein Steroidderivat.
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Glykoside aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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