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Mirtazapin



Steckbrief
Name (INN) Mirtazapin
Wirkungsgruppe

Antidepressivum

Handelsnamen

Remeron®, Mirtazapin-CT®, Remergil®, Mirtabene®, Mirtel®, Mirtaron®, Lanazipin®

Klassifikation
ATC-Code AX11
CAS-Nummer 61337-67-5
Verschreibungspflichtig: Ja


Fachinformation (Mirtazapin)
Chemische Eigenschaften

IUPAC-Name: (RS)-(±)-2-Methyl- 1,2,3,4,10,14b-hexahydropyrazino [2,1-a]pyrido[2,3-c][2]benzazepin
Summenformel C17H19N3
Molare Masse 265,35 g/mol

Mirtazapin ist das Pyridyl-Analogon des Mianserin und ein Arzneistoff aus der Gruppe der tetrazyklischen Antidepressiva.

Es wird in Deutschland seit 1996 unter dem Handelsnamen Remergil® vertrieben.

Inhaltsverzeichnis

Pharmakologie

Mirtazapin gilt als ein noradrenerg und spezifisch serotonerg wirkendes Antidepressivum (NaSSA): Es besetzt im Gehirn verschiedene Bindungsstellen für Botenstoffe und verändert damit den Einfluss dieser Botenstoffe auf den Gehirnstoffwechsel. Insbesondere steigert es die Freisetzung von Noradrenalin und Serotonin und erhöht so deren Wirkung. Neuere Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass die serotonerge Wirkung nur sehr schwach ausgeprägt ist.[1]

Wirkprinzip (Pharmakodynamik)

Mirtazapin bewirkt eine Blockade zentraler präsynaptischer α2-Rezeptoren und dadurch eine Hemmung verschiedener Koppelungs- und negativer Feedbackmechanismen, über den normalerweise die Freisetzung der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin gehemmt wird. Laut Hersteller tritt als Folge eine verstärkte Freisetzung von Serotonin und Noradrenalin auf.[2] Eine relevante Verstärkung der Serotoninfreisetzung konnte jedoch in Studien und Tierversuchen nicht bestätigt werden.[1][3] Vielmehr konnte in Tierversuchen hauptsächlich eine Steigerung der Noradrenalin- und Dopaminfreisetzung beobachtet werden.[3] Die Substanz hemmt ferner die Serotoninrezeptoren vom Typ 5-HT2 und 5-HT3, nicht jedoch jene vom Typ 5-HT1, wodurch die Serotoninwirkung auf den 5-HT1-Rezeptortyp relativ verstärkt wird; dies ist für die Bezeichnung spezifisch serotonerg verantwortlich. Letztlich sorgt die ausgeprägte Hemmwirkung auf den H1-Rezeptor für die stark sedierenden Eigenschaften von Mirtazapin. [3]

Es liegt nur eine schwache Affinität zu cholinergen, insbesondere muskarinischen, Neuronen vor, weswegen nur geringe anticholinerge bzw. kardiovaskuläre Nebenwirkungen auftreten. Die Wiederaufnahme von Noradrenalin oder Serotonin wird kaum beeinflusst und auch die Affinität zu β-adrenergen und dopaminergen Neuronen ist gering. [3]

Die Wirkung von Mirtazapin wird vermutlich von seinen beiden Enantiomeren vermittelt, jedoch auf jeweils verschiedene Weise: Während das (S)-(+)-Enantiomer für die α2- und 5-HT2-Rezeptorblockade verantwortlich ist, bewirkt das (R)-(−)-Enantiomer die Blockade des 5-HT3-Rezeptors. [2]

Siehe auch: Antihistaminika

Verstoffwechselung (Pharmakokinetik)

Mirtazapin wird nach oraler Gabe schnell resorbiert, aber teilweise vor Übertritt in den Körperkreislauf (präsystemisch) in der Darmwand und in der Leber verstoffwechselt (metabolisiert). Die höchsten Plasmakonzentrationen sind spätestens nach zwei Stunden erreicht; die Bioverfügbarkeit beträgt etwa 50 %. Die Metabolisierung, vor allem durch N-Demethylierung, N-Oxidation und 8-Hydroxylierung, erfolgt in erster Linie über die Cytochrom P450 Isoenzyme CYP2D6 und CYP3A4. Bei einmal täglicher Verabreichung wird innerhalb von vier bis sechs Tagen ein Fließgleichgewicht erreicht. Die Plasmahalbwertszeit beträgt bei Erwachsenen 20 bis 40 Stunden. Der Hauptmetabolit Demethyl-Mirtazapin hat nur eine geringe pharmakologische Aktivität. Die Bildung anderer aktiver Metaboliten ist mengenmäßig unbedeutend.

Die pharmakokinetischen Eigenschaften von Mirtazapin sind enantioselektiv, d. h. nicht identisch für beide Enantiomere des Mirtazapin: So hat das (R)-(−)-Enantiomer eine längere Plasmahalbwertszeit als das (S)-(+)-Enantiomer (ca. 18 vs. ca. 10 Stunden). Auch wirkt sich ein etwaiger genetischer CYP2D6-Polymorphismus auf die beiden Enantiomere unterschiedlich aus. Während die Verstoffwechselung des (R)-(−)-Enantiomers davon unbeeinflusst bleibt, muss bei sogenannten schwachen Metabolisierern (engl. poor metabolizers) mit einer deutlich längeren Halbwertszeit für das (S)-(+)-Enantiomer gerechnet werden. [4]

Indikation

Mirtazapin ist ausschließlich zur Behandlung von depressiven Erkrankungen zugelassen. Eine Verschreibung etwa als Hypnotikum erfolgt gegebenenfalls Off-Label. Dasselbe gilt für die Anwendung als Adjuvans in der Schmerztherapie, wobei die vorhandenen Studiendaten für die wesentlich besser geprüften Trizyklika wie Amitriptylin sprechen. Off-Label kann Mirtazapin zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung genutzt werden. Bei schweren Fällen lindert es die Symptome möglicherweise stärker als SSRI.[5][6][7]

Unerwünschte Wirkungen

Besonders zu Beginn der Behandlung kann es zu starker Müdigkeit kommen. Eine Appetitsteigerung ist relativ häufig zu beobachten, ein Teil der Patienten klagt über Gewichtszunahme, welche aber nicht nur durch Nahrungszufuhr, sondern auch durch verstärkte Wassereinlagerung im Gewebe bedingt sein kann. Bei plötzlichem Absetzen treten mitunter Symptome (leichte Unruhe, vorübergehende Schlafstörungen, leichtes Schwitzen) auf. Das Risiko einer Agranulozytose unter Mirtazapin-Therapie ist – trotz anfänglicher Befürchtungen wegen der starken Strukturähnlichkeit – offenbar geringer als unter Mianserin. Wie fast alle Antidepressiva hat auch Mirtazapin eine negative Wirkung auf die Libido, was aber von Patient zu Patient unterschiedlich ausgeprägt ist. Weiterhin können in seltenen Fällen Missempfindungen der Haut auftreten (vgl. hierzu Parästhesie).

Darreichungsformen, Dosierung

Mirtazapin existiert als Handelspräparat in Form von Filmtabletten und Schmelztabletten, sowie als Lösung zum Einnehmen. Eine parenterale Anwendung ist mit Konzentrat zur Bereitung von Infusionslösung möglich.

Die mittlere Tagesdosis von Mirtazapin in der Depressionsbehandlung liegt bei 15 bis 45 mg. Bei schweren depressiven Episoden kann eine Aufdosierung bis auf 90 mg therapeutisch sinnvoll sein. Die abendliche Gabe ist wegen der beruhigenden Wirkung zu bevorzugen. Bei Infusionsbehandlung werden 6 bis 21 mg Mirtazapin pro Tag verabreicht.

Quellen

  1. a b Gillman P (2006): A systematic review of the serotonergic effects of mirtazapine in humans: implications for its dual action status. In: Hum. Psychopharmacol. Bd. 21, S. 117-125. PMID 16342227
  2. a b Fachinformation Mirtazapin]
  3. a b c d medizin-medien.info - Mirtazapin - Stellenwert in der Depressionsbehandlung (PDF 371 KB)
  4. Timmer CJ, Sitsen JM, Delbressine LP: Clinical pharmacokinetics of mirtazapine. In: Department of Drug Metabolism and Kinetics (Hrsg.): Clinical pharmacokinetics. 38, Nr. 6, Oss, The Netherlands June 2000, (Print) ISSN 0312-5963 (Print), S. 461–474 (PMID 10885584).
  5. Korean J Psychopharmacol., Dezember 2002 ;13(4): S. 254-261. Korean.
  6. Chung, M.Y. at al. (2004): Efficacy and tolerability of mirtazapine and sertraline in Korean veterans with posttraumatic stress disorder: a randomized open label trial. In: Hum. Psychopharmacol. Bd. 19, S. 489-494. PMID 15378676
  7. Double-blind placebo-controlled pilot study of sertraline in military veterans with posttraumatic stress disorder. PMID 11910265
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Mirtazapin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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