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Salzstock Gorleben



Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen ist ein mögliches Endlager für hochradioaktive Abfälle.

Inhaltsverzeichnis

Die Standortauswahl

Ende 1973 begann die Suche nach einem geeigneten Endlagersalzstock. Geplant war (und ist auch heute noch) ein Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle in einem Salzstock. Es wurden 24 Salzstöcke betrachtet. Das gleichfalls geplante Nukleare Entsorgungszentrum sollte ebenfalls am Standort des Endlagers gebaut werden. Die Bundesregierung beauftragte die Firma KEWA (Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-Gesellschaft) mit der Standortsuche.

Am 1. Juli 1975 schlug die KEWA drei Standorte in Niedersachsen zur näheren Untersuchung vor: Die Salzstöcke Lutterloh, Lichtenhorst und Wahn. Der Standort Gorleben gehört nicht in diese günstigste Kategorie.[1] Die Untersuchungen der Standorte begannen mit Bohrungen.

Im November 1976 forderte die Niedersächsische Landesregierung die Bundesregierung auf, die Untersuchungen an den drei Standorten auszusetzen, bis sie von sich aus einen Standort benannt hat.

Im Februar 1977 benannte die Niedersächsische Landesregierung schließlich den Salzstock Gorleben als einzigen Standort für das Endlager sowie das Entsorgungszentrum. Der Festlegung von Gorleben ging die Arbeit einer Projektgruppe voraus, die innerhalb weniger Monate 140 Salzstöcke untersuchte. Von diesen Salzstöcken blieben vier übrig: Lichtenhorst, Wahn, Maria Glück (Höver) und Gorleben. Von diesen wurde Gorleben ausgesucht. Die Auswahlkriterien betrafen unter anderen Flächennutzung, Besiedlungsdichte, Strahlenschutz und Endlagergeologie. Heute ist festzustellen, dass geowissenschaftliche Argumente nur einen geringen Stellenwert aufwiesen. Anders ist beispielsweise nicht zu verstehen, warum der Salzstock Höver (Maria Glück), der viel zu klein ist für ein Endlager, bis in die letzte Auswahlrunde gekommen ist. Die letztliche Entscheidung für Gorleben ist nach dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht vor allem aus strukturpolitischen Gründen zur wirtschaftlichen Entwicklung des damaligen Zonenrandgebietes gefallen [2].

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der ursprüngliche und methodisch richtige Ansatz, drei potenziell geeignete Salzstöcke parallel zu untersuchen und einer vergleichenden Bewertung zuzuführen, durch die Benennung Gorlebens aufgegeben wurde. Sicherheitsorientierte geowissenschaftliche Argumente spielten bei der Festlegung auf Gorleben nicht die Hauptrolle.[3] Die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung für Gorleben ist bis heute einer der Gründe, warum der Widerstand gegen den Standort so vehement ist.

Übertägige Standorterkundung

Die übertägige Erkundung des Standortes Gorleben begann im April 1979 und dauerte bis 1983. Einige ergänzende übertägige Arbeiten wurden nach der Deutschen Wiedervereinigung ab 1992 auf ehemaligem DDR-Gebiet noch durchgeführt.

Die Untersuchungen umfassten hauptsächlich 44 Salzspiegelbohrungen, geophysikalische Untersuchungen, u. a. reflexionsseismische Messungen, hydrogeologische Untersuchungen (rund 500 Aufschluss- und Pegelbohrungen), vier Tiefbohrungen bis ca. 2.000 m in die Randzonen des Salzstocks, zwei Schachtvorbohrungen bis ca. 1.000 m Tiefe zur Bestätigung der ausgewählten Schachtansatzpunkte, ein seismisches Stationsnetz zur Überwachung der Erdbebentätigkeit sowie vielfältige sonstige Untersuchungen, z.B. Langzeitpumpversuche, hydrologische Untersuchungen an den Vorflutern, geologische Kartierungen.

Die Erkundungsergebnisse und ihre Bewertung wurden in zwei Berichten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (1983) und des Bundesamtes für Strahlenschutz (1990) zusammenfassend dargestellt. Darin heißt es (PTB 1983): „Eine erste Bewertung des Deckgebirges hinsichtlich seiner Barrierenfunktion für potentielle kontaminierte Grundwässer zeigt, daß die über den zentralen Bereichen des Salzstocks Gorleben vorkommenden tonigen Sedimenten keine solche Mächtigkeit und durchgehende Verbreitung haben, daß sie in der Lage wären, Kontaminationen auf Dauer von der Biosphäre zurückzuhalten.“[4]

Diese Bewertung gilt auch heute noch und wird ergänzt durch andere negative Standortmerkmale, z.B. vorauseilende selektive Subrosion, Gorlebener Rinne mit Füllung aus mächtigen grundwasserleitenden Schmelzwassersanden, kurze Laufzeiten des Grundwassers von der Salzstockoberseite zur Biosphäre. Die Erwartungen, die man sich von der Barriere Deckgebirge versprochen hatte, wurden nicht erfüllt.[5] Trotz dieser Erkundungsbefunde wird der Standort Gorleben immer noch als „eignungshöffig“ bezeichnet. Dies gelang durch eine Veränderung der Sicherheitsphilosophie: Die Bedeutung des Deckgebirges als Barriere gegen die Ausbreitung von Radionukliden wurde zurückgenommen und im Gegenzug der Salzstock alleine als entscheidende Barriere angesehen. Auf Grundlage dieser Änderung der Sicherheitsphilosophie wurde mit der untertägigen Erkundung begonnen.

Untertägige Erkundung

1986 begann das Abteufen von Schacht 1, und im Oktober 1996 erfolgte der Streckendurchschlag zwischen den Schächten 1 und 2 auf der 840 m Sohle. Hauptziel der untertägigen Erkundung ist der Nachweis von Steinsalzpartien, die für die Endlagerung benötigt werden. Hierbei sind die Lage und Ausdehnung des Hauptanhydrits und des Kaliflözes Staßfurt bedeutsam, da sie Begrenzungen für endlagergeeignete Bereiche des Salzstocks darstellen. Insbesondere der Hauptanhydrit gilt wegen seiner verbreiteten Kluftbildung als potenzieller Lösungsbringer, über den das Endlager ersaufen kann.

Der Erkundungsbereich 1 ist weitgehend aufgeschlossen und untersucht. Dabei wurden umfassende geowissenschaftliche und geotechnische Untersuchungen sowie bergtechnische Messungen und Versuche durchgeführt. Die bisherigen Ergebnisse lassen sich nach Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR 1998) wie folgt zusammenfassen:

  • In der Grenze zwischen Kernzone und südlicher Salzstockflanke sind die beteiligten Schichten sehr stark deformiert und in ihrer Mächtigkeit reduziert. Bereichsweise fehlen Hauptanhydrit und Begleitschichten. Der Hauptanhydrit ist in einzelne Schollen zerlegt. Größere isolierte Lösungs- und Gasvorkommen sind in den Hauptanhydritschollen möglich.
  • Zwischen der Kernzone und der nördlichen Salstockflanke ist die Grenze in Falten gelegt, und die beteiligten Schichten befinden sich weitgehend noch in ihrem ursprünglichen sedimentären Verband. Der Hauptanhydrit ist zerbrochen, jedoch nicht in einzelne Schollen zerlegt.
  • Kernzone des Salzstocks mit Hauptsalz: Hier liegt ein unkomplizierter Sattel vor ohne Lösungs- und Gasvorkommen.
  • In den schachtnahen Bereichen liegt im Grenzbereich Zechstein 2/Zechstein 3 eine intensive Verfaltung der Schichten mit starker Mächtigkeitsreduktion vor. Im Grenzbereich Kaliflöz Staßfurt zu Zechstein 3 liegen teilweise Störungen vor, die durch sekundäres Steinsalz verheilt sind. Begrenzte Lösungs- und Gasvorkommen können in den Störungsbereichen vorkommen, haben aber keine Verbindung zum Salzspiegel.

Mit diesen Ergebnissen für den Erkundungsbereich 1 gilt für die nördliche und südliche Grenze des Hauptsalzes, dass für das Szenario „durchgehender Hauptanhydrit vom Salzspiegel bis zum Erkundungsbereich und somit potenzieller Lösungsbringer“ bisher keine Indizien vorliegen. Eine Eignung von Gorleben kann daraus nicht abgeleitet werden. Insbesondere bei Berücksichtigung der Ergebnisse der übertägigen Erkundung wird der Standort von vielen als ungeeignet bewertet. Danach sollen die negativen Eigenschaften des Deckgebirges nicht durch gute Eigenschaften des Salzstockes selbst kompensiert werden können.

Das Gorleben-Moratorium

In der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000 wurde neben dem Ausstieg aus der Atomkraftnutzung auch ein Moratorium für das geplante Endlager Gorleben vereinbart. Danach wird zur Klärung konzeptioneller und sicherheitstechnischer Fragen die Erkundung in Gorleben für mindestens drei, längstens jedoch zehn Jahre unterbrochen. Seit Beginn des Moratoriums im Oktober 2000 finden deswegen keine weiteren Erkundungen des Salzstocks statt.

Bei diesen Fragen geht es nicht um die Eignung oder Nichteignung von Gorleben, sondern um generelle Fragen, die mit der Endlagerung verbunden sind, so z.B. Isolations- und Nachweiszeitraum, Gasentwicklung, Schutzziele und Sicherheitsindikatoren, Mehrbarrierenkonzept). Der abschließende Synthesebericht des Bundesamtes für Strahlenschutz wurde 2005 veröffentlicht [6]. Danach sind keine eindeutigen Vor- oder Nachteile eines Wirtsgesteins gegenüber einem anderen festzustellen. Deshalb sind Vergleiche zwischen verschiedenen potenziellen Standorten notwendig, um den relativ besten Standort zu identifizieren. Dies gilt auch für Gorleben. Der Standort muss sich danach mit andere Standorten einer vergleichenden Bewertung stellen.

Einer solchen vergleichenden Standortbewertung, wie sie auch vom Bundesumweltministerium gefordert wird, stößt auf Widerstand. Verschiedene Kreise aus der Industrie, Politik und Verwaltung drängen darauf, Gorleben weiter bis zu Ende zu erkunden. Ihnen genügt ein Endlagerstandort, der die für eine Genehmigung erforderlichen Mindestanforderungen erfüllt.

Auf der anderen Seite stehen die Vertreter, die eine neue Standortsuche mit einem Standortvergleich unter Einbezug von Gorleben fordern. Dies wird als dringend nötig angesehen, um die Auseinandersetzungen um Gorleben zu entschärfen und neue Handlungsoptionen zu eröffnen. Zudem sei eine vergleichende Standortbewertung aus methodischen Gründen notwendig und in vielen Ländern bereits Standard, z.B. in der Schweiz und in Schweden. Nur in Deutschland solle an Gorleben, bei dessen Auswahl sicherheitsorientierte Kriterien keine besondere Rolle gespielt hätten, festgehalten werden.

Im Dezember 2006 hat Bundesumweltminister Gabriel darauf hingewiesen, dass er die Erkundung von Gorleben wieder aufnehmen würde, wenn sein Konzept zum Vergleich von Standorten akzeptiert würde.

Siehe auch

Quellen

  1. Lüttig G. et al.: Bericht der Arbeitsgruppe Barrieren.- In: Niedersächsisches Umweltministerium (Hrsg.): Internationales Endlagerhearing, 21.-23. Sept. 1993, Braunschweig.
  2. Albrecht, E.:Interview mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht über Atomstrom, Wederaufarbeitung und Entsorgung.- Bonner Energie-Report, 4. Jg, Nr. 10 v. 06.06.1983, S. 18-21, Bonn.
  3. Albrecht, I. et al.: Studie zur Entwicklung von Grundlagen für ein Verfahren zur Auswahl von Endlagerstandorten und Beurteilung ihrer Langzeitsicherheit, Abschlussbericht, im Auftrag des Niedersächsischen Umweltministeriums, November 1994, Hannover
  4. Physikalisch-Technische Bundesanstalt: Zusammenfassender Zwischenbericht über bisherige Ergebnisse der Standortuntersuchung in Gorleben. Mai 1983, Braunschweig.
  5. Appel, D. & Kreusch, J.: Das Mehrbarrierensystem bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Salzstock. Studie im Auftrag von Greenpeace e.V. Deutschland, 2006, Hannover.
  6. Bundesamt für Strahlenschutz: Konzeptionelle und sicherheitstechnische Fragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle - Wirtsgesteine im Vergleich. Synthesebericht des Bundesamtes für Strahlenschutz, November 2005, Salzgitter

Koordinaten: 53° 1′ 35" n. Br., 11° 20′ 50" ö. L.

 
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