Saarbrücken: Bekanntlich ist nichts von Bestand - erst recht nicht der Hochglanz von Autos: Straßenstaub, Autowaschanlagen, die Witterung und andere Einflüsse strapazieren die Oberfläche der Karossen. Kratzfeste Autolacke waren für viele Autofahrer bisher ein Traum. Auf der
Hannover Messe präsentierten Wissenschaftler des Instituts für Neue Materialien (INM) unlängst eine weltweit zum Patent angemeldete Erfindung - den ersten superkratzfesten Autolack. Messebesucher konnten sich am Stand des Saarbrücker Instituts überzeugen: Selbst Stahlwolle kann dem hauchdünnen Superlack nichts anhaben.
Die neuartige Beschichtung ist nur ein Hundertstel Millimeter dünn und hat nahezu die Kratzfestigkeit von mineralischem
Glas. Möglich macht dies eine "Rüstung" aus nanoskaligen Keramikpartikeln, die 4000 mal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Die Erfindung steht bereits als ausgereifte Pilottechnologie zur Verfügung. Der Superlack lässt sich mit den heute in der Automobilindustrie üblichen Lackierverfahren verarbeiten.
Willkommen im Kosmos der Atome und Moleküle: Dank chemischer
Nanotechnologie können Wissenschaftler neue Materieformen entwickeln - und mit verblüffenden Funktionen versehen. Denn im Nanokosmos herrschen andere Gesetze: Produziert man
Metalle, Glas,
Keramik oder
Halbleiter nicht als Festkörper, sondern als Partikel im Nanomaß, dann verfügen sie plötzlich über völlig neue Eigenschaften: Glas kann als Klebstoff verwendet werden, Metalle werden zu Farbstoffen, und Magnetismus lässt sich sogar ausschalten. Ein herausragender Vorteil der Nanopartikel: ihre Transparenz. "Beispielsweise Metall kann transparent zu
Beschichtungen oder Scheiben verarbeitet werden", erklärt Prof. Dr. Helmut Schmidt, Geschäftsführer des Leibniz-Instituts für Neue Materialien. "Dadurch ergeben sich völlig neue Perspektiven - auch in anderen Bereichen. Designer etwa verfolgen unsere Aktivitäten mit Spannung. Stellen Sie sich das Dach eines Autos als transparente Kuppel vor." Das Anwendungsspektrum ist breit. Seit einiger Zeit arbeitet das Institut gemeinsam mit dem Bayer-Konzern unter anderem an neuartigen Windschutzscheiben für die Automobil-Industrie. "Glas ist schwer und zerbricht leicht", erläutert Schmidt. "Wir entwickeln kratzfeste Schichten für Polycarbonatscheiben aus Kunststoff, die nicht nur enorm kratzfest wie Glas und robust, sondern auch viel leichter sind als herkömmliche Scheiben."
"Als ich damals meine Absicht bekundete,
Nanopartikel für neue Werkstoffe auf chemischem Weg herzustellen, stieß ich bei führenden Experten noch auf Skepsis und auch Kritik", erinnert sich Schmidt. Dennoch konzentrierte er bereits 1990 die Arbeiten des INM auf dieses technologische Neuland. Inzwischen nutzt das INM seit Jahren die neuen Formen der Materie bei der Herstellung neuartiger High-Tech-Werkstoffe.
Reich der Winzlinge: Nanotechnologie
Was mit einer Vision begann, ist heute Alltag der Wissenschaftler im Reich der kleinsten Strukturen: "Es müsste in Zukunft möglich sein, Materie derart fein zu ordnen, dass der gesamte Inhalt der Encyclopedia Britannica auf einem Stecknadelkopf Platz findet!" verkündete der Physiker Richard Feynman 1959 in einer legendären Rede - zur Belustigung vieler Kollegen. Heute sind marktträchtige Produktperspektiven in Sicht: Der kratzfeste Autolack ist eine davon.