Nanostrukturen schalten schneller

CeNIDE-Forscher beweisen Tempo

11.05.2011 - Deutschland

Sie als mikroskopisch klein zu beschreiben, ist noch untertrieben, doch sie könnten in der Technologie der Zukunft eine große Rolle spielen: Rund 100 Nanometer lange Polymerketten können als winzige Schalter für zukünftige technische Anwendungen dienen. Bisher galt die Reaktionszeit der Nanostrukturen jedoch als zu langsam – eine Gruppe von UDE-Forschern um Dr. Nils Hartmann vom Center for Nanointegration (CeNIDE) hat nun das Gegenteil bewiesen und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht.

In abgewandelter Form findet man das Polymer mit Namen Poly(N-Isopropylacrylamid) auch in Windeln. Hier quillt es bei Kontakt mit Feuchtigkeit auf und hält den Babypopo trocken – daher auch die allgemeinere Klassifizierung als „Hydrogel“. Am Lehrstuhl für Technische Chemie von CeNIDE-Prof. Dr. Mathias Ulbricht können die Polymerketten solcher Hydrogele dicht an dicht an Oberflächen befestigt werden. Bei Temperaturen unter 32° C binden diese Schichten Wasser; die Struktur ähnelt dann einer Bürste. Steigt die Temperatur jedoch über den kritischen Punkt, kollabieren die winzigen Ketten und bilden eine kompakte Schicht. Je nach Struktur verringert sich die Schichtdicke in dem Fall mindestens um die Hälfte. Auf diese Weise könnte das Material beispielsweise in Ventilen kleine Öffnungen und Kanäle regulieren, etwa in der Membrantechnologie oder in der Mikrofluidik. Es wäre als Temperatur- oder Feuchtigkeitssensor zu verwenden, könnte kontrolliert Medikamente im Inneren des menschlichen Körpers freisetzen oder als Minischalter für viele andere Prozesse dienen. Mithilfe der Nanopolymere lassen sich auch miniaturisierte Strukturen realisieren, die zudem viel schneller reagieren sollten als ihre bisher verwendeten makroskopischen Pendants. Denn das zur Strukturveränderung benötigte Wasser muss hier einen kürzeren Diffusionsweg zurücklegen – so die Theorie. Doch genau die Geschwindigkeit entpuppte sich bisher bei vielen Anwendungen als Problem: Tests erbrachten immer wieder Reaktionszeiten im Sekundenbereich. Viel zu langsam für die Steuerung schnell ablaufender Prozesse.

PD Dr. Nils Hartmann ist Arbeitsgruppenleiter am Lehrstuhl für Physikalische Chemie und Mitglied von CeNIDE. Er erkannte den Knackpunkt in den bisherigen Experimenten: Um die Geschwindigkeit eines Prozesses zu messen, benötigt man zum einen eine Aufnahmetechnik, die schneller ist als der Prozess selbst, und zum anderen einen unmittelbar einsetzenden Reiz, der die Reaktion des Polymers auslöst. „Die Technik muss insgesamt dem Schaltprozess angepasst sein“, erklärt Hartmann. „Ansonsten sorgt sie selbst für eine verzögerte Reaktion des Materials.“ Mindestens eines dieser beiden Kriterien haben die bisher bekannten Untersuchungsverfahren jedoch nicht erfüllt.

Das Team um Hartmann entwickelte daher eine neue, stroboskopische Methode: Die Forscher erhitzten das Polymer mit einem Laser. Ist dieser eingeschaltet, wird es augenblicklich heiß, im Moment des Ausschaltens ist die Hitze sofort verschwunden. Um den Schaltprozess zu beobachten, wurde ein gewöhnliches Lichtmikroskop mit CCD-Kamera verwendet. Die Aufnahmezeit erfolgte dabei in aufeinanderfolgenden Heiz- und Kühlphasen jeweils leicht zeitversetzt. Innerhalb von 16 Sekunden gelang es mit dieser Methode, die komplette temperaturabhängige Kinetik zu vermessen. Die Ergebnisse ließen nur einen Schluss zu: Das Hydrogel reagiert innerhalb von Mikro- bis Millisekunden auf den Temperaturreiz. „Das allein ist schon eine völlig neue Erkenntnis“, freut sich Hartmann. „Zusätzlich konnten wir aber noch zeigen, dass das Polymer auch bei tausendfachen Wiederholungen keinerlei Schaden nimmt und somit für den Langzeiteinsatz geeignet ist.“

Originalveröffentlichung

Angew. Chem. 2011, 123, 4606 - 4609

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