Für Sitte und Anstand im Reich der
Moleküle sorgt eine Gruppe von
Eiweißen, die Wissenschaftler als "
Chaperone" (englisch für "Anstandsdamen") bezeichnen. Sie
verhindern, dass Zellproteine "unziemliche" Beziehungen mit anderen
Proteinen eingehen und dadurch unter Umständen ihre Rolle in der Zelle nicht mehr erfüllen
können. Chaperone scheinen so auch den Verlauf von Erkrankungen wie beispielsweise der Huntington'schen Krankheit zu beeinflussen. Forscher am
Max-Planck-Institut für
Biochemie und am Institut für
Zellbiologie der
Universität Bonn haben nun herausgefunden, wie die Funktion einer solchen molekularen
Anstandsdame reguliert wird. Die Ergebnisse wurden am 23. Februar in der Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlicht.
Eiweiße oder
Proteine sind Hauptbestandteile der lebenden Zelle. Sie sind aus einer Kette von
Aminosäuren
aufgebaut, die in einem Faltungsvorgang eine bestimmte räumliche Struktur annehmen muss. Diese Struktur
bestimmt dann letztlich die Funktion der Proteine. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass an dem
Faltungsvorgang in der Zelle
Helferproteine, die Chaperone, beteiligt sind. Sie verhindern eine Fehlfaltung, indem
unerwünschte Kontakte zu anderen Proteinen unterbunden werden.
Wie wichtig die korrekte dreidimensionale Struktur für die Funktion eines Proteins ist, verdeutlicht beispielsweise
die BSE-Erkrankung: Nach heutigem Kenntnisstand nehmen bei dieser Krankheit gewisse Eiweiße in den
Nervenzellen des Gehirns plötzlich eine falsche Struktur an, wodurch sie nicht mehr abgebaut werden können. Statt
dessen reichern sie sich an und lassen die Nervenzelle absterben. Auch für die Huntington-Erkrankung ist eine Fehlfaltung der Proteine die Ursache. Die Aufklärung der Funktion und
Regulation von molekularen Chaperonen ist daher von großem medizinischen Interesse.
Die Arbeitsgruppe des Bonner Wissenschaftlers Prof. Dr. Jörg Höhfeld hat nun in Zusammenarbeit mit dem Labor von Prof. F.-Ulrich Hartl und Dr. Ismail Moarefi am
Max-Planck-Institut für
Biochemie in Martinsried entscheidende Einblicke in die Regulation des Chaperons Hsp70 gewonnen. Den Forschern gelang es, einen Komplex aus dem Hsp70
mit einem Regulatorprotein zu kristallisieren und seine dreidimensionale Struktur aufzuklären. Die Untersuchungen, deren Ergebnisse in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science
vom 23. Februar publiziert wurden, zeigen auf molekularer Ebene, wie das Regulatorprotein die Aktivität von Hsp70 beeinflusst. Interessanterweise wurde ein ähnlicher
Regulationsmechanismus auch in
Bakterien beobachtet, der dort aber von einem gänzlich anderen Regulatorprotein vermittelt wird.
Als nächsten Schritt sieht Höhfeld die gezielte Veränderung der zellulären Funktion von Hsp70. Auf diese Weise solle es möglich sein, auch auf humane Erkrankungen, denen eine
Proteinfehlfaltung zugrunde liegt, Einfluss zu nehmen.