Regulation molekularer "Anstandsdame" aufgeklärt

27.02.2001
Für Sitte und Anstand im Reich der Moleküle sorgt eine Gruppe von Eiweißen, die Wissenschaftler als "Chaperone" (englisch für "Anstandsdamen") bezeichnen. Sie verhindern, dass Zellproteine "unziemliche" Beziehungen mit anderen Proteinen eingehen und dadurch unter Umständen ihre Rolle in der Zelle nicht mehr erfüllen können. Chaperone scheinen so auch den Verlauf von Erkrankungen wie beispielsweise der Huntington'schen Krankheit zu beeinflussen. Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie und am Institut für Zellbiologie der Universität Bonn haben nun herausgefunden, wie die Funktion einer solchen molekularen Anstandsdame reguliert wird. Die Ergebnisse wurden am 23. Februar in der Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlicht. Eiweiße oder Proteine sind Hauptbestandteile der lebenden Zelle. Sie sind aus einer Kette von Aminosäuren aufgebaut, die in einem Faltungsvorgang eine bestimmte räumliche Struktur annehmen muss. Diese Struktur bestimmt dann letztlich die Funktion der Proteine. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass an dem Faltungsvorgang in der Zelle Helferproteine, die Chaperone, beteiligt sind. Sie verhindern eine Fehlfaltung, indem unerwünschte Kontakte zu anderen Proteinen unterbunden werden. Wie wichtig die korrekte dreidimensionale Struktur für die Funktion eines Proteins ist, verdeutlicht beispielsweise die BSE-Erkrankung: Nach heutigem Kenntnisstand nehmen bei dieser Krankheit gewisse Eiweiße in den Nervenzellen des Gehirns plötzlich eine falsche Struktur an, wodurch sie nicht mehr abgebaut werden können. Statt dessen reichern sie sich an und lassen die Nervenzelle absterben. Auch für die Huntington-Erkrankung ist eine Fehlfaltung der Proteine die Ursache. Die Aufklärung der Funktion und Regulation von molekularen Chaperonen ist daher von großem medizinischen Interesse. Die Arbeitsgruppe des Bonner Wissenschaftlers Prof. Dr. Jörg Höhfeld hat nun in Zusammenarbeit mit dem Labor von Prof. F.-Ulrich Hartl und Dr. Ismail Moarefi am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried entscheidende Einblicke in die Regulation des Chaperons Hsp70 gewonnen. Den Forschern gelang es, einen Komplex aus dem Hsp70 mit einem Regulatorprotein zu kristallisieren und seine dreidimensionale Struktur aufzuklären. Die Untersuchungen, deren Ergebnisse in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science vom 23. Februar publiziert wurden, zeigen auf molekularer Ebene, wie das Regulatorprotein die Aktivität von Hsp70 beeinflusst. Interessanterweise wurde ein ähnlicher Regulationsmechanismus auch in Bakterien beobachtet, der dort aber von einem gänzlich anderen Regulatorprotein vermittelt wird. Als nächsten Schritt sieht Höhfeld die gezielte Veränderung der zellulären Funktion von Hsp70. Auf diese Weise solle es möglich sein, auch auf humane Erkrankungen, denen eine Proteinfehlfaltung zugrunde liegt, Einfluss zu nehmen.

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