Fachbücher kostenlos? Verleger laufen Sturm gegen neues Urheberrecht Von Esteban Engel, dpa

01.04.2003
Berlin (dpa) - Werden teure Fachbücher und wissenschaftliche Zeitschriften bald online zum Nulltarif angeboten? So weit könnte es nach Ansicht der deutschen Verleger kommen, sollte die Reform des Urheberrechts in Kraft treten. Die Novelle sieht vor, dass Hochschulen und Forschungsstätten einem geschlossenen Nutzerkreis die geschützten Werke kostenlos über ihr Intranet zur Verfügung stellen dürfen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels läuft dagegen Sturm. Sollte das Gesetz beschlossen werden, sehen vor allem die Fachverleger die wirtschaftliche Grundlage ihres Geschäfts schwinden. Fotokopien sind von Universitäten und Schulen nicht wegzudenken. In Seminaren und Klassenzimmern gehören sie zum Alltag. Dafür entrichten die Nutzer eine Pauschale an die Verlage. So soll es auch für die elektronischen Kopien geschehen. Nach dem umstrittenen Paragraphen 52a des neuen Gesetzes könnten Bibliotheken zum Beispiel Zeitschriften scannen und im hauseigenen Netz Studenten und Wissenschaftlern zugänglich machen. Hier wollen die Verleger und auch viele Wissenschaftler nicht mitspielen. Es reiche nur ein Klick, um die im Intranet stehenden Texte auch im weltweiten Netz zu verbreiten. Sie sehen ihr Recht am geistigen Eigentum in Gefahr. In Zukunft bräuchten Bibliotheken in Deutschland nur ein Exemplar einer Zeitschrift zu kaufen und über Forschungsverbunde elektronisch auszutauschen. Ob ein Text dann einmal oder zigfach vervielfältigt wird - eine Pauschale würde nicht im entferntesten die Verlagskosten decken. Bibliotheken sehen hier aber eine Möglichkeit, ihren Haushalt zu entlasten. Tatsächlich ist trotz der Krise im Buchhandel das Geschäft mit Fachbüchern und wissenschaftlichen Zeitschriften noch immer lukrativ. Allein die Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer setzte im vergangenen Jahr 731 Millionen Euro mit Büchern und Zeitschriften aus Medizin, Wissenschaft, Wirtschaft und Technik um. Damit ist sie die größte Verlagsgruppe in Deutschland. Vorstandsvorsitzender Arnold Bahlmann sieht schlechte Zeiten kommen, wenn - wie geplant - am 9. April der Rechtsausschuss im Bundestag die Novelle beschließt und das Parlament sie dann später in dieser Form absegnet. In einem Brief an Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) warnte Bahlmann: Es sei eine «Milchmädchenrechnung» zu glauben, dass die Verlage auf die Bezahlung ihrer Produkte verzichten könnten. Wenn die Bibliotheken statt mehrerer Exemplare nur noch eines kauften und elektronisch vervielfältigten, werde jede Zeitschrift wesentlich teurer. Bahlmann sieht Verlage, Arbeitsplätze und den Ruf Deutschlands als Wissenschaftsstandort in Gefahr. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies die Vorwürfe zurück. «Es wäre hilfreicher, die Verlage kommunizierten den tatsächlichen Regelungsinhalt, anstatt durch falsche Darstellung Verwirrung zu stiften und zu einer nicht gesetzesgemäßen Benutzung geradezu einzuladen.» Von Bibliotheken sei in der Regelung überhaupt nicht die Rede. Geplant sei nur, dass geschützte Werke mit den neuen Kommunikationstechnologien von einer begrenzten Anzahl von Personen in Unterricht und Forschung genutzt werden können. Auch für Elmar Hucko ist der Protest ein Sturm im Wasserglas. Die Novelle vollziehe für die Online-Welt, was schon mit dem Fotokopieren möglich sei, sagt der Leiter der Abteilung für Wirtschaftsrecht im Justizministerium. Auch für Digitalkopien sehe das Gesetz nur einen kleinen Nutzerkreis vor. Über die Vergütung müssten sich Verlage und Abnehmer verständigen. Mit der Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter vollziehe die Bundesregierung nur eine EU-Vorgabe. Doch anders als von Brüssel vorgesehen, legt die deutsche Variante die Möglichkeiten zur kostenlosen Nutzung digitaler Kopien wesentlich großzügiger aus. In Zukunft, so haben 2000 Wissenschaftler jetzt an Zypries geschrieben, würden sie nicht mehr in Deutschland publizieren können, weil ein Großteil der Fachliteratur nicht mehr erscheinen werde.

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