Die Kräfte zwischen den Molekülen

Mit der supramolekularen Chemie zu neuen Medikamenten

11.07.2003
Die molekularen Wechselwirkungen unter Beteiligung von aromatischen Ringen sind Schlüsselvorgänge in chemischen und biologischen Erkennungsprozessen; sie sind von grosser Bedeutung für das Design neuer Pharmaka. Das berichten François Diederich, Professor für Organische Chemie an der ETH Zürich (1), Ronald K. Castellano, Assistenzprofessor an der University of Florida und ehemaliger ETH-Postdoc, sowie ETH-Doktorand Emmanuel A. Meyer in der Fachzeitschrift "Angewandte Chemie" (2). Wechselwirkung mit Alzheimer-Medikament "Die Mehrheit der Kristallstrukturen von Komplexen aus Proteinen und kleinen Molekülen zeigen anziehende Wechselwirkungen zwischen aromatischen Seitenketten von Aminosäuren des Rezeptors und/oder aromatischen und heteroaromatischen Ringen des Liganden", berichten die Autoren und nennen als Beispiel die Wechselwirkung des vom Pharmaunternehmen Pfizer vertriebenen Alzheimer-Medikaments "Aricept" mit dem Enzym Acetylcholinesterase. "Es ist somit einleuchtend, dass Untersuchungen, die eine Quantifizierung individueller Wechselwirkungen mit aromatischen Ringen ermöglichen, von enormer Bedeutung sind", kommen die Chemiker zum Schluss. In der Forschung würden deshalb drei Ansätze verfolgt um diese molekularen Kräfte zu ergründen: "Die biologischen Erkennungsprozesse werden in quantitativen Struktur-Aktivitäts-Beziehungen analysiert; einzelne Wechselwirkungen mit aromatischen Ringen werden mit Hilfe synthetischer Rezeptoren in Studien der molekularen Erkennung untersucht; und der energetische Beitrag einzelner nicht-bindender Wechselwirkungen wird in zunehmendem Masse durch Rechnungen auf hohem Niveau der Theorie ermittelt." In den letzten Jahren konnten gleich mehrere Erfolge publiziert werden. So wurden in den letzten 15 Jahren "die Konzepte zur Erklärung hydrophober Wechselwirkungen als Triebkraft für unpolare Komplexierungsprozesse wesentlich erweitert", und vor sechs Jahren veröffentlichte eine Forschergruppe eine Arbeit über die Kation-Pi-Wechselwirkung. Dennoch: Es gibt noch viel Forschungsbedarf. So wünschen sich die Autoren "verbesserte Struktur- und Energiemodelle" um die seit längerem bekannten Wechselwirkungen (wie Pi-Pi-Stapel und Edge-to-Face-Kontakte) in aromatischen Ringen zu untersuchen. Ebenfalls grossen Bedarf sehen die ETH-Chemiker bei den Fluor-Aren- und Schwefel-Aren-Wechselwirkungen, die "noch weitgehend unerforscht sind". "Gigant der modernen Chemie" Der Beitrag "Wechselwirkungen mit aromatischen Ringen in chemischen und biologischen Erkennungsprozessen" ist Professor Dieter Seebach gewidmet, der Ende Oktober 2003 seinen 66. Geburtstag feiern wird. Ausführlich gelobt wurde Seebach kürzlich in der Fachzeitschrift "Chimia" der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft (3). Die Hauptarbeitsgebiete des Ende März 2003 emeritierten ETH-Chemieprofessors waren die Entwicklung neuer Synthesemethoden, die Sekundärstruktur-Untersuchungen von ß-Peptiden und die Synthese von Oligomeren der (R)-3-Hydroxybuttersäure. Seebach gilt seit längerer Zeit als Kandidat für den Nobelpreis. Vor zwei Jahren wurde er bei der Verleihung des Marcel-Benoist-Preises als "Gigant der modernen Chemie" gefeiert. Fussnoten: (1) Laboratorium für Organische Chemie der ETH Zürich: www.chab.ethz.ch/forschung/loc (2) "Wechselwirkungen mit aromatischen Ringen in chemischen und biologischen Erkennungsprozessen": Angewandte Chemie, 2003, 115(11): 1244-1287 und Angewandte Chemie-International Edition, 2003, 42(11): 1210-1250 (3) "A Life for Organic Synthesis - Dieter Seebach at 65": Chimia, 2002, 56: 576-583

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