Der Natur abgeschaut: Jenaer Wissenschaftler entwickeln verbesserte Knieprothese

20.04.2001
"Bisherige Prothesen orientierten sich nicht ausreichend an der Form des natürlichen Kniegelenkes", kritisiert Adam. Die ist nämlich weitaus komplizierter, als man bisher annahm: Die zwei Gelenkhöcker des Oberschenkels liegen auf den zwei Gelenkflächen des Schienbeinknochens. Aber es handelt sich hier nicht um eine simple Verdopplung des Gelenkmechanismus, vielmehr unterscheiden sich die beiden Seiten der Gelenkflächen am Schienbein voneinander: Während die eine nach unten gewölbt ist, ist die andere nach oben gewölbt. Die präzisen Analysen des Gelenkaufbaus und des Bewegungsablaufes wurden am Klinikum der Universität Göttingen gemacht. Das Ergebnis: "Das Kniegelenk stellt ein dreidimensionales "Getriebe, ein sogenanntes Viergelenk dar," erläutert Adam. "Die Bewegung des Knies ist charakterisiert durch eine Roll- und eine Gleitbewegung. Für diese müssen bei der Gestaltung des Implantats die Gelenkflächen optimal eingestellt werden." Das sei bisher nur unzureichend geschehen. "Daher können Patienten mit solchen Prothesen zwar ganz gut laufen, haben aber beim Treppensteigen große Schwierigkeiten", hebt Adam hervor. Die Jenaer Wissenschaftler setzten diese Erkenntnisse in eine Neukonstruktion um. Ein schwieriger Weg, wie Peter Adam erzählt: "Bei den Gelenkflächen des Oberschenkels handelt es sich mathematisch gesprochen um sogenannte Freiformflächen. Mit den klassischen Geometrieelementen wie zum Beispiel Kreisen kommt man da in der Darstellung nicht weiter. Der Radius der Fläche ändert sich nahezu in jedem Punkt." Was die Konstrukteure und ihre Software vor eine große Herausforderung stellte, ist von der Natur sehr sinnvoll eingerichtet: Durch den sich ständig ändernden Radius der Gelenkfläche ändert sich in der Bewegung auch der Auflagepunkt des Gelenkhöckers ständig - so wird der Knorpel geschont. Weil dem in herkömmlichen Prothesen nicht Rechnung getragen wird, nutzen die sich schon innerhalb weniger Jahre ab. Kaum war es Adam und seinen Mitarbeitern gelungen, im Computer ein präzises Modell des Kniegelenks zu errechnen, standen sie vor der nächsten Schwierigkeit: "Wir stellen so hohe Ansprüche an die genaue Umsetzung, dass wir uns im Grenzbereich dessen bewegen, was moderne Fräsmaschinen leisten können", so Adam. Der obere Teil der Prothese, der auf den Oberschenkelknochen aufgesetzt wird, besteht aus einer Kobalt-Chrom-Legierung, der untere Teil aus Polyethylen. "Später wollen wir diesen Teil aus Keramik anfertigen, weil dann noch weniger Verschleiß auftritt", erklärt der Jenaer Professor. Für die Patienten liegt der große Vorteil darin, dass die nach dem Vorbild der Natur gestaltete Prothese ihnen vollkommen natürlich Bewegungen erlaubt. "Wenn wir als Kleinkind laufen lernen, werden die Abläufe in unserem Kleinhirn gespeichert. Unser Implantat ist so gestaltet, dass der Betroffene sich auch nach der Operation nach diesem einmal gelernten Muster bewegen kann, also viel weniger Einschränkungen erfährt als mit einer herkömmlichen Prothese", hebt Adam hervor. Die Finanzierung der aufwendigen Entwicklung leistete die Firma AAP Implantate AG in Berlin, die auch die Serienproduktion übernehmen wird. Zur Zeit unterzieht das Team um Adam seine Neuentwicklung einer eingehenden Prüfung im Institut für Materialforschung in Dresden, bevor Ende des Jahres die erste Anwendung in der Klinik erfolgt.

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