Linzer ForscherInnen entschlüsseln das Geheimnis der Erzeugung elektrischer
Ladung in Kunststoffschäumen. Diese Erkenntnis bildet die Grundlage zur
Entwicklung von flächigen Mikrofonen und Lautsprechern sowie "intelligenten"
Oberflächen, wie sie z. B. für Fußböden verwendet werden könnten. Das große
Interesse am Erfolg der vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Arbeit
resultierte in der Einbindung der Arbeitsgruppe in ein interdisziplinäres
europäisches Forschungsnetzwerk.
Elektrische Spannung zwischen Luft und Erde wird durch die Blitze eines
Gewitters entladen und damit abgebaut. Ein vergleichbarer Vorgang sorgt in
unpolaren Polymerschäumen für das genaue Gegenteil: den Aufbau elektrischer
Ladung. In den mikroskopisch kleinen Hohlräumen (Poren) der aufgeschäumten
Kunststoffe wird zunächst durch eine von außen angelegte Spannung eine
elektrische Entladung erzeugt. Die Ausbreitung der Entladung wird durch die
isolierenden Eigenschaften des Polymerschaums begrenzt, wodurch sich die
Wände der Hohlräume elektrisch aufladen. Da das unpolare Material keine
elektrische
Leitfähigkeit besitzt, wird die Ladung hier gespeichert. Dieses
Phänomen konnte Prof. Siegfried Bauer mit seinem Team am Institut für
Experimentalphysik der Johannes Kepler Universität in Linz nachweisen. Damit
fordert er die gängige Lehrmeinung heraus, die besagt, dass solche Zustände
nur in Materialien existieren können, die elektrisch polar sind.
Bei Druck wird¹s spannend
Die Plus- und Minuspole des Spannungsfeldes in den Poren liegen einander
gegenüber. Werden die aufgeladenen
Polymere zusammengedrückt, nähern sich
die beiden Pole in den Porenwänden einander an, wodurch ein elektrisches
Signal erzeugt wird. Die Umwandlung von Druck in ein elektrisches Signal,
das verstärkt und moduliert werden kann, ermöglicht den Einsatz der Polymere
als
Sensoren - z. B. für intelligente Bodenbeläge, die Stürze in
Altersheimen "melden".
Auch Änderungen des Luftdrucks (Schallschwingungen) lassen sich so in
elektrische Signale verwandeln. Da die Polymere einfach und vielgestaltig
herstellbar sind, ermöglichen sie die Entwicklung kostengünstiger, flächiger
und hochqualitativer Mikrofone oder Lautsprecher - die Identifizierung
entsprechender Polymere war ein konkretes Ziel des Projekts.
Nomen est omen
Im Laufe des Projekts gelang dem Team um Prof. Bauer insbesondere die
Beschreibung einer unerwarteten Eigenschaft der verwendeten Plastik-Schäume:
Der Aufbau der elektrischen Ladung kann strukturiert erfolgen und die
Polarität in den Poren somit nach Bedarf gewählt werden. Da bisher kein
bekanntes Material diese Eigenschaft mit der Fähigkeit zur
Ladungsspeicherung vereinte, konnte Prof. Bauer dafür in der internationalen
Fachwelt die Bezeichnung Ferroelektret etablieren: "Ferromagnete zeichnen
sich dadurch aus, dass ihre Polarität vertauscht werden kann. Materialien,
die Ladungen speichern, werden allgemein als Elektrete bezeichnet. Der von
uns geprägte Begriff Ferroelektret für die Polymerschäume weist auf ihre
Fähigkeit hin, diese beiden Eigenschaften zu vereinen", erläutert Prof.
Bauer.