Hochschulraum Europa: Der große Traum vom Studieren ohne Grenzen

29.08.2003
List/Sylt (dpa) - Studieren ohne Grenzen: Die 4000 Hochschulen in den EU-Mitgliedsstaaten und Nachbarländern mit ihren 12,5 Millionen Studenten sollen ab 2010 einen gemeinsamen «Hochschulraum Europa» bilden - mit freiem Studienzugang und ohne Anerkennungsstreit um Zeugnisse. Die Einigung naht mit schnellen Schritten. Dazu gehören mehr Austausch von Studenten und Wissenschaftlern sowie mehr Studienangebote mit den international üblichen Bachelor- und Masterabschlüssen. Die Wissenschafts- und Erziehungsminister von 37 europäischen Staaten wollen am 18./19. September in Berlin über ihr weiteres Vorgehen bei diesem ehrgeizigen Projekt beraten. Auf einer Hochschultagung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in List auf Sylt zogen Fachleute und Studenten jetzt kritisch Zwischenbilanz des Hochschul-Einigungsprozesses, der 1999 auf einer EU-Konferenz in Bologna gestartet worden war. Das Fazit: Die «soziale Frage» des Studiums, wie ein europaweites Bafög, Stipendiensysteme oder die Beseitigung von Mobilitätshemmnissen, wie hohe Studiengebühren in einzelnen Ländern, haben Politiker wie Hochschulrektoren bei den offiziellen Vorbereitungen zur Berliner Konferenz ausgespart. Ein einheitliches EU-System der Studienfinanzierung scheint den meisten EU-Bildungsministern derzeit zu teuer - und daher unrealistisch. Nun sind deutsche BAföG-Studenten gegenüber ihren Kommilitonen aus vielen Nachbarländern fein raus, weil sie ihre Förderung von dem drittem Studiensemester an in jedes EU-Partnerland mitnehmen können. Nur einige skandinavische Staaten haben bessere Lösungen. Doch löst allein der Verweis aufs deutsche Bafög das europäische Förderproblem nicht. Der EU-Gerichtshof hat in den vergangenen Jahren ohnehin immer mehr Staaten verurteilt, nationale, bislang nur Landeskindern gewährte Vergünstigungen, wie Stipendien oder Mietgeld, auch den Gaststudenten aus anderen EU-Partnerländern zuzubilligen. Auf Dauer führt deshalb an einer Art EU-Bafög kein Weg vorbei, glaubt GEW- Vorstandsmitglied Gerd Köhler. «Für ein Kind aus einfachen Verhältnissen ist der Aufstieg ins normale Studium schon schwer genug. Wir müssen europaweit beim Auslandsstudium neue Klassenprivilegien verhindern». Als Schlüssel zu mehr Durchlässigkeit beim Studieren in Europa gelten vor allem aufeinander aufbauende Bachelor- und Masterstudiengänge sowie ein «Europäisches Credit-Point-Systems», mit dem erfolgreich absolvierte Studienabschnitte international anerkannt werden. In Deutschland gibt es heute 1600 solcher Studiengänge - bei bundesweit insgesamt 15 000. Aber erst 380 deutsche Bachelor- und Masterstudiengänge tragen das Gütesiegel der «Akkreditierung». Der SPD-Länder-Bildungssprecher und Wissenschaftsminister von Rheinland-Pfalz, Jürgen Zöllner, überraschte auf der GEW-Tagung mit einem viel beachteten Vorstoß: Höhere Investitionen für Bildung und Forschung der einzelnen EU-Staaten sollten künftig nicht mehr negativ bei den Maastricht-Stabilitätskriterien angerechnet - sondern als Zukunftsinvestition anerkannt werden. Zudem sollten sich die EU- Staaten jeweils untereinander einen finanziellen Ausgleich für die Entsendung ihrer Studenten ins Nachbarland zahlen - allerdings nur für die Studenten in «akkreditierten» Studiengängen. Denn dies würde den Druck auf die Hochschulen erhöhen, ihre neuen Studienangebote einem Qualitätstest zu unterziehen. Die Neigung dazu ist von Bundesland zu Bundesland noch sehr unterschiedlich ausgeprägt.

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