«Vater der Pille» Carl Djerassi wird 80

24.10.2003
Der Erfolg seiner Erfindung verblüfft ihn noch heute: «Niemand hatte damals geglaubt, dass Frauen das Mittel einmal so stark benutzen würden», bekannte Carl Djerassi unlängst. Rückblickend ist der Mann, der in den 50er Jahren die Anti- Baby-Pille mitentwickelte, überzeugt: «Die Pille war ein Riesenvorteil für die feministische Bewegung.» Unbehagen bereitet dem Wissenschaftler allenfalls die Tatsache, dass es noch immer keine Pille für den Mann gibt. «Verhütung ist damit zu einem Problem der Frauen geworden.» An diesem Mittwoch (29. Oktober) wird Djerassi 80 Jahre alt. Djerassi war es Anfang der 50er Jahre gelungen, das Schwangerschafts-Hormon Gestagen künstlich herzustellen. Gemeinsam mit den Bostoner Pharmakologen Gregory Pincus und John Rock entwickelte er damit im Oktober 1951 die erste Anti-Baby-Pille - auch wenn Djerassi diesen Begriff bis heute vehement ablehnt. «Das ist keine Pille gegen Babys, sondern eine Pille für Frauen», unterstreicht der in USA lebende Wissenschaftler immer wieder bei seinen Vorträgen. Auch die synthetische Herstellung des Hormons Kortison ist einer von Djerassis Erfolgen. Doch längst hat Djerassis Lebenswerk die klassischen Grenzen der Wissenschaft gesprengt. Er sei «intellektuell polygam», sagt der in Wien geborene Sohn eines österreichisch-bulgarischen Arztehepaars. So verband der promovierte Chemiker, der bis heute an der kalifornischen Universität Stanford lehrt, seine Forscherarbeit immer auch mit unternehmerischen Aufgaben. Jahrzehntelang leitete der während der Nazizeit in die USA ausgewanderte Jude die heute zum Novartis-Konzern gehörende Zoecon-Corporation. Seit 1959 hat Djerassi einen Lehrstuhl an der Universität Stanford. Als Forscher brachte er es auf rund 1200 wissenschaftliche Veröffentlichungen. In vielen Aufsätzen setzte er sich auch mit den gesellschaftlichen Folgen seiner wichtigsten Erfindung auseinander. Die Pille war dabei in seinen Augen nur ein logischer Schritt auf der von ihm prognostizierten Entwicklung zu einer wachsenden Trennung zwischen Sex und Fortpflanzung. Mitte der 80er Jahre entwickelte Djerassi schließlich auch literarische Ambitionen. Er begann mit Gedichten und Kurzgeschichten, wandte sich dann aber der von ihm erfundenen Roman-Gattung «Science in Fiction» zu. Antrieb dafür war vor allem das Interesse, sich mit Wissenschaft literarisch auseinander zu setzen. Besonders mit seinen beiden Romanen «Cantor's Dilemma» und «Bourbaki Gambit» zeichnete er ein Sittenbild der Forschung, das das leidenschaftliche Verlangen von Wissenschaftlern nach Anerkennung beschreibt. Seine literarische Vielseitigkeit hat der vielfach preisgekrönte Wissenschaftler, Literat, Kunstsammler und Mäzen inzwischen auch als Autor mehrerer Theaterstücke unter Beweis gestellt. Sein viertes Theaterstück «Ego» hat in diesen Tagen in London Premiere. Auch seine Bühnenwerke haben fast ausnahmslos den Wissenschaftsbetrieb zum Inhalt. Dabei ist ihm absolute wissenschaftliche Genauigkeit wichtig. Derzeit träumt Djerassi von einer Kammeroper aus seiner Feder. «Ich kenne kein Musikdrama, das sich seriös mit Wissenschaft auseinander setzt», sagt er.

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