Mehrheit der EU-Staaten kritisiert teure Reform der Chemie-Politik

11.11.2003

Brüssel (dpa) - Die milliardenschwere Reform der Chemikalienpolitik in der Europäischen Union stößt bei der Mehrheit der Mitgliedstaaten auf deutliche Kritik. Bei einer öffentlichen Debatte des Ministerrats für Wettbewerbsfragen am Montag in Brüssel wurde die EU-Kommission aufgefordert, zu Gunsten der Industrie nachzubessern. Die geplante Erfassung und Prüfung von rund 30 000 Stoffen dürfte die chemische Industrie mindestens 2,3 Milliarden Euro kosten. Vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien fürchten um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche.

Industriekommissar Erkki Liikanen verteidigte das Projekt als ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen des Umweltschutzes und der Industrie. Deutschland begrüßte zwar, dass die Kommission schon auf Bedenken zahlreicher EU-Staaten und der Industrie in dem Vorschlag von Ende Oktober eingegangen sei. «Allerdings gilt das nicht für alle Punkte», sagte Georg Wilhelm Adamowitsch, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft. Es sei wichtig, dass die chemische Industrie Planungssicherheit bekomme und weiter innovativ bleibe.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten bei ihrem Gipfel Mitte Oktober die Federführung für dieses bisher größte Regelwerk für eine Branche dem Wettbewerbsrat übertragen. Die ebenfalls betroffenen Umweltminister sollen zwar in einer extra eingerichteten Arbeitsgruppe beteiligt werden, abschließend befasst sich jedoch der Wettbewerbsrat mit der Verordnung. In der Kommission hatte es bis zu dem entschärften Vorschlag kontroverse Debatten zwischen den Abteilungen von Liikanen und Umweltkommissarin Margot Wallström gegeben.

Die deutsch-französisch-britische Position fand auch Unterstützung bei Österreich, Irland, Spanien, Griechenland, den Niederlanden und Portugal. Die Delegationen bemängelten, dass die tatsächliche Kosten für die produzierende, aber auch für die verarbeitende Industrie nicht klar seien. Stellvertretend für viele warnte Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein davor, vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zu hohe Bürden aufzulasten. Großbritanniens Staatsministerin für Industriefragen, Jacqui Smith, forderte, möglichst wenig Bürokratie für Tests und Registrierung. Dabei müsse die geplante Chemie-Agentur eine zentrale Rolle spielen.

In Brüssel gehen Diplomaten davon aus, dass die Verordnung, über die auch das Europaparlament abstimmt, frühestens unter niederländischer EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2004 verabschiedet werden kann.

Weitere News aus dem Ressort Politik & Gesetze

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen