Winzige Strukturen wie nanoskopische Röhrchen sind als mögliche Bauteile für die
Optoelektronik, "intelligente" Materialien oder Basis für neuartige Systeme zum
Transport von Pharmawirkstoffen im Körper heiß begehrt. Solche Mini-
Schläuche
müssen genau definierte Dimensionen und spezifische chemische Eigenschaften
haben, was gar nicht so einfach zu realisieren ist. Ein
niederländisch-belgisches Team um Frans C. De Schryver und E. W. Meijer hat
einen Molekül-Typ synthetisiert, der per
Selbstorganisation schrittweise zu
langen Röhrchen aggregiert.
Als die Wissenschaftler ihre Moleküle, zwei Oligo-para-Phenylenvinylene (OPV3
und OPV4 genannt), synthetisierten, forschten sie eigentlich gar nicht mit dem
Ziel, Nanoröhrchen zu erschaffen. Rastertunnelmikroskopische Aufnahmen brachten
dann eine Überraschung: Auf einen Graphitträger aufgetragen hatten sich die
Moleküle zu hochgeordneten rosettenförmigen Strukturen angeordnet. In Lösung
dagegen stapeln sich diese Rosetten zu langen Röhrchen. Geheimnis der
ungewöhnlichen Aggregate ist der spezielle Aufbau der Moleküle aus "Kopf",
langgestrecktem "Rückgrat", seitlichen "Armen" und drei langen "Schwänzen". Je
sechs Moleküle stecken die Köpfe zusammen. Die gesellige Runde wird durch je
zwei Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Nachbarköpfen zusammengehalten. Die
Anordnung der Brücken zwingt die Köpfe in eine schräge Position, sodass die
Rückgrate nicht strahlenförmig nach außen weisen, sondern eine Rosette bilden.
Die zweidimensionale Variante wird durch das Verschränken der Schwänze von
Nachbar-Rosetten fixiert. Rosetten können wie Spiralen gegen oder im
Uhrzeigersinn "gedreht" sein. Erstaunlicherweise drehen OPV3- und OPV4-Rosetten
entgegengesetzt - und das, obwohl sie sich nur in der Länge ihres Rückgrates und
der Anzahl der Arme (zwei bzw. vier) unterscheiden. "Die Moleküle sind bestrebt,
den zur Verfügung stehenden Raum möglichst intensiv auszunutzen - ohne dass sich
dabei Molekülteile in die Quere kommen," erklärt Meijer. "Unsere OPVs sind nicht
völlig spiegelsymmetrisch und die Rosetten-Drehrichtungen damit nicht
gleichwertig. Welche bevorzugt wird, hängt von der konkreten Größe und Geometrie
des betrachteten OPVs ab. Zudem spielen Wechselwirkungen mit der Graphitstruktur
des Trägers eine Rolle."
Auch bei der Stapelung der Rosetten in der Lösung, die über Anziehungskräfte
zwischen den flachen aromatischen Ringen der OPV-Rückgrate zusammengehalten
werden, ist die Raumausnutzung optimal. So entstehen sehr
Dichte Röhrchen mit
etwa 1 nm Innendurchmesser, die als Transportkanäle interessant sein könnten.
Über eine Variation der OPVs sollten gezielt Röhrchen mit anderen Dimensionen
und Eigenschaften zugänglich werden.