Experten, die
Weine blind verkosten und deren Rebsorten und Anbaugebiete erkennen können, besitzen zumeist äußerst feine
und trainierte Geschmacksknospen. Nicht so
Klaus Danzer. Der 64-jährige
Chemie-Professor macht Nachteile in der "Zungenfertigkeit"
gegenüber gewieften
Profi-Verkostern mit Hilfe apparativer
Analytik und ausgefeilter Rechentechnik wett. Und hat dabei noch einen
Vorsprung: Im Unterschied zu ihnen weiß er nur zu gut, was so ein
Wein alles enthält. Indem er präzise misst, welche
Spurenelemente in
welchen Mengen eine Weinprobe enthält, bestimmt er Herkunft und Rebsorte.
Seit mehr als sieben Jahren befassen sich Klaus Danzer und sein Team aus Mitarbeitern und Studenten an der Universität Jena mit der
Weinanalyse. "Wein als Substanzgemisch ist für einen
Chemiker deshalb so interessant, weil er so komplex ist", meint der Professor trocken.
Mehr als 1.000 verschiedene Inhaltsstoffe sind bekannt, "aber wir konzentrieren uns auf rund 60 organische und 35 anorganische Substanzen."
Die organischen verraten die Rebsorte mit 97% Treffsicherheit, die anorganischen das Anbaugebiet mit 90% Wahrscheinlichkeit.
Dazu benutzt Danzer relativ aufwändige atom- und massenspektroskopische Verfahren. "Aber darin liegt nicht die eigentliche Kunst", verrät
er, "viel schwieriger ist es, mit den riesigen Datenmengen umzugehen." Rechentechnisch löst er das Problem mit eigens entwickelten
Programmen zur
Mustererkennung: Jeder Wein hat sein spezifisches Profil an Inhaltsstoffen, und so lassen sich Silvaner von Riesling,
Rheinhessen von Saale-Unstrut objektiv unterscheiden.
Verwundert wird sich der Weinkenner die
Augen reiben, wenn er erfährt, was der geliebte Rebensaft so alles enthält:
Barium,
Eisen,
Aluminium,
Phosphor,
Chrom,
Magnesium,
Blei, sogar
Strontium und
Uran sind nachweisbar. Aber alles natürlich nur in winzigsten Spuren
von wenigen Nano- oder Mikrogramm pro Liter. "Das ist etwa so, als würde man einen Zuckerwürfel im Bodensee auflösen", schmunzelt
Danzer, "davon schmeckt der See nicht süß." Für den Verbraucher sind die Inhaltsstoffe in diesen geringsten Mengen absolut ungefährlich.
Danzer: "Im
Trinkwasser sind die Konzentrationen mitunter sogar höher. Noch nie war Wein so rein wie heute." Zum Beispiel in 100 Jahre
alte Weinproben stellt man in der Regel deutlich höhere Bleikonzentrationen fest. Danzer: "Die sind dann meist immer noch ungefährlich,
rühren aber von anderen Kelter- und Lagerverfahren her."
Interessanter für den Weinliebhaber sind da schon die so genannten
Terpene. Darunter versteht der Chemiker eine ganze Gruppe organischer
Kohlenwasserstoffe, die wesentlich das Geschmacksbild des gegorenen Kulturgetränks bestimmen. Fast alle dieser komplexen
Kohlenstoff-Verbindungen sind relativ instabil und leicht flüchtig. Der erfahrene Chemiker wird deshalb seine Weinflasche niemals längere
Zeit geöffnet stehen lassen. Ja selbst bei länger gelagerten Bouteillen zersetzen sich manche Terpene mit der Zeit - und das Bouquet wird
"reifer", wie der Kenner meint.
Mit mehreren Weinforschungsinstituten und Winzergenossenschaften haben die Jenaer Chemiker in den vergangenen Jahren
zusammengearbeitet. Sogar im Auftrag des Bundesinstituts für
Verbraucherschutz haben sie Daten von über 1.700 Weinproben analysiert.
"Als Qualitätskontrolle ist unser Verfahren natürlich bestens geeignet, weil es objektive Ergebnisse liefert", weiß Prof. Danzer. "Man muss
es sich nur leisten können." Unerlaubte
Zusatzstoffe oder falsche Etikettierungen können mit hoher wissenschaftlicher Beweiskraft entlarvt
werden.
Nur eine Frage haben er und seine Mitstreiter im Jenaer Labor nicht lösen können: Bei der präzisen Bestimmung des Jahrgangs hilft die
chemische Analyse nicht entscheidend weiter. Danzer: "Das bleibt den Kennern vorbehalten. Und schließlich ist ein guter Wein ja auch zum
Trinken da."