Supraleitende Exoten

Ungewöhnliche Silber-Fluor-Verbindungen sollen potenzielle Hochtemperatur-Supraleiter sein

08.08.2001
Bereits vor fast hundert Jahren wurde das Phänomen der Supraleitung entdeckt - und hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. In den Bann dieser Faszination sind auch Roald Hoffmann (Nobelpreis für Chemie 1981 zusammen mit K. Fukui) und Wojciech Grochala geraten. Anhand von theoretischen Betrachtungen sagen die beiden Chemiker nun vorher, dass eine ausgefallene Verbindungsklasse, so genannte Fluorargentate, Hochtemperatur-Supraleiter sein sollen. Viel hatte man sich versprochen, als man Materialien entdeckte, die bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, das sind -273 °C, ihren Ohmschen Widerstand verlieren und so den elektrischen Strom quasi verlustfrei transportieren. Der richtige Stoff, um daraus zum Beispiel Kabel und Stromspeicher zu konstruieren! Aber wegen der Energie und Kosten für die notwendige Kühlung war die technische Umsetzung unrentabel. Neue Euphorie kam auf, als in den 1980er Jahren Hochtemperatur-Supraleiter entwickelt wurden. Hochtemperatur ist dabei relativ: Als Hochtemperatur-Supraleiter bezeichnet man Materialien, die oberhalb -196 °C, der Temperatur flüssigen Stickstoffs, supraleitend werden. Die Hoffnung auf ein Material, das schon bei Raumtemperatur supraleitend ist, hat sich aber nicht erfüllt. Den Temperatur-Weltrekord halten bisher keramische Kupfer-Sauerstoff-Verbindungen, so gannte Oxocuprate, die bereits bei -109 °C supraleitend werden. Hoffmann und Grochala setzen nun auf ausgesprochene Exoten: Fluorargentate. Wie kommen sie ausgerechnet auf diese nicht alltäglichen Verbindungen aus Fluor- und ungewöhnlich hoch geladenen Silberionen (lat. argentum)? "Die elektronischen Eigenschaften der Fluorargentate sind den Verhältnissen in Oxocupraten sehr ähnlich," erläutern die Forscher. "Und genauso leicht wie diese können ihre Kristallgitter in Schwingungen versetzt werden." Schwingungen des Gitters spielen eine wichtige Rolle bei der Supraleitung. Ein Elektron, das innerhalb des Gitters wandert, kann dessen Lage geringfügig verzerren. Diese Verformung zieht ein zweites Elektron an. Das zweite Elektron bewirkt wiederum eine Verformung des Gitters und so eine Anziehung des ersten Elektrons. Die so entstehenden Elektronenpaare sind den gängigen Modellen zufolge das Geheimnis der Supraleitung. "Leider wird es wohl nicht so schnell gehen, unsere Vorhersagen zu verifizieren, denn Fluorargentate sind ausgesprochen schwer zu synthetisieren," dämpfen die beiden Chemiker überzogene Erwartungen. Aber wer weiß, vielleicht bringen die dabei gewonnenen Erkenntnisse uns einen Schritt weiter in Richtung Raumtemperatur-Supraleiter?

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