Dass die
RNA nicht bloß ein "Stempel" ist, der die Informationen der DNA weitervermittelt, darin sind sich die Experten heute einig. RNA-Moleküle können Informationen speichern,
katalytische Aktivitäten entfalten, sich perfekt tarnen, und sie regulieren auch als Produkt ihre eigene Synthese. Wie das funktionieren könnte, dafür haben Bochumer Biochemiker um
Prof. Dr. Bernd-Joachim Benecke (Fakultät für Chemie) jetzt ein Modell entwickelt. Über die Ergebnisse dieser Forschungen berichtet das aktuelle RUBIN 2/2000 -
Wissenschaftsmagazin der RUB.
Kleine RNA: im Schleimaal untergetaucht?
Die Bochumer Forscher wählten für ihre Untersuchungen u. a. eine spezielle "kleine RNA" (7S K-RNA), deren Funktion noch völlig ungeklärt ist, die man aber an einer Schaltstelle der
Genexpression vermutet. Als Modellorganismus für die Untersuchung von Genfunktionen dient die Hefe - ihre Erbsubstanz ist gut erforscht. Aber wie das entsprechende Gen in der Hefe
finden? Gensonden wie bei der DNA helfen hier nicht weiter, denn die RNA hat im Laufe der Evolution nicht die Sequenzabfolge ihrer Bausteine beibehalten sondern die Struktur der
gefalteten Kette. Einzige Möglichkeit war, die Leiter der Evolution abwärts zu klettern: über Säugetiere, Vögel, Amphibien, Knochenfische bis zum Knorpelfisch. Hier war Schluss: War
die gesuchte RNA beim Neunauge noch vorhanden, so war sie - als einzige - beim Schleimaal nicht mehr zu entdecken; ein abruptes "Redesigning" dieser RNA, das vermutlich mit ihrer
Funktion in Beziehung steht. Da die Genexpression bei beiden Tieren qualitativ gleich funktioniert, schlossen die Forscher außerdem, dass sich 7S K-RNA beim Schleimaal tarnt.
Untersuchungen am Quastenflosser, einem "lebenden Fossil", sollen mehr
Aufschluss über diese RNA geben.
RNA-Selbstkontrolle nach dem "Gummizug-Prinzip"
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Aufklärung der Mechanismen, die die Biosynthese der kleinen RNA steuern. Tests, die die Promotoren (Kontrollelemente, die der RNA den Weg zum
Gen weisen) betrafen, schlugen bei 7S K-RNA fehl. Das brachte die Forscher auf die Idee, dass die RNA selbst für ihre eigene Synthese verantwortlich sein könnte. Sie entwickelten ein
neues Modell, nach dem die RNA, nachdem sie einen DNA-Strang gelesen hat, wie ein
Gummi zusammenschnellt und dann direkt wieder von vorne mit dem Lesen anfängt. Durch ihre
enge Faltung trägt sie also zur Funktion des Leseprozesses bei. In Tests, in denen die Forscher die Faltung durch Abstandhalter beeinträchtigten, war die Funktion der RNA gestört.
RUBIN 2/00 erschienen
In RUBIN 2/00 finden Sie außerdem folgende Themen: Sich selbst vis-à-vis: Was Elstern wahrnehmen; Wenn der Whisky ins
Glas rieselt - na dann prost!; Netzwerksicherheit - (k)ein
Thema für Sozialwissenschaftler; Geographie des Protestantismus: Zahlen versus Mythen; Den alten Hüttenleuten auf die Finger geschaut; Antibiotikaresistenz: "Fünf vor zwölf" für neue
Strategien. RUBIN ist bei der Pressestelle (UV 3/368) für 5 DM erhältlich und steht im Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin.htm.