Chemie-Nobelpreis für Grundlage von industrieller Arzneiproduktion

11.10.2001
Für spektakuläre Grundlagenarbeiten zur Herstellung von Medikamenten wie Antibiotika oder Herzmitteln erhalten zwei US-Forscher und ein Japaner den diesjährigen Chemie- Nobelpreis. William S. Knowles (USA), Ryoji Noyori (Japan) und Barry Sharpless (USA) haben mit gesteuerten chemischen Reaktionen ein völlig neues Forschungsgebiet eröffnet, begründete die Königlich- Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm ihre Wahl. Ihnen war es gelungen, bei chemischen Reaktionen mit zwei spiegelbildlichen Endprodukten gezielt eine dieser beiden Formen entstehen zu lassen. Die Arbeit der Forscher zeige zudem, dass der Schritt von der Grundlagenforschung zur industriellen Anwendung sehr kurz sein könne. «Dieser Preis wurde für Entdeckungen aus der reinen Grundlagenforschung verliehen, aus denen echte Zukunftstechnologien folgen», urteilte der Heidelberger Chemiker Prof. Peter Hofmann. Die Arbeit ist unter anderem wichtig für viele Medikamente, deren Wirkstoffe in spiegelbildlicher Form wirkungslos oder gar gefährlich sein können. Dieser Unterschied führte unter anderem zum Contergan- Skandal der 60er Jahre. Während die eine Form des Contergan- Wirkstoffs Thalidomid Entzündungen hemmt, führt sein Spiegelbild zu Missbildungen bei ungeborenen Kindern. Nicht immer sind diese Unterschiede allerdings so gefährlich. So duftet etwa der Stoff «Limonen» in einer Form nach Zitronen, während ihr Spiegelbild nach Orangen riecht. Viele Moleküle haben zwei spiegelbildliche Formen, so wie etwa unsere Hände ihre gegenseitigen Spiegelbilder sind. In der Natur dominiert aber meist eine Form. Entsprechend sind in allen Lebewesen viele Rezeptoren auf eine der beiden Erscheinungsformen spezialisiert - so wie eine rechte Hand nur in den rechten Handschuh passt und nicht in den linken. Die diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger haben Reaktionsbeschleuniger entwickelt, unter deren Einfluss nur die eine der zwei spiegelsymmetrischen Formen gebildet wird. Ein einziges derartiges Katalysator-Molekül kann millionenfach Moleküle der gewünschten Form des Endprodukts produzieren. Zunächst war das 1968 Knowles (heute 84) bei der so genannten Hydrierung gelungen, bei der Wasserstoff organischen Verbindungen hinzugefügt wird. Seine Entdeckung beim US-Konzern Monsanto in St. Louis (US-Staat Missouri) führte schließlich zur industriellen Produktion von L-Dopa, das gegen Parkinson eingesetzt wird. Nyori führte die Forschungen an der Hydrierung weiter und schuf schließlich die Grundlage für die industrielle Synthese des Antibiotikums Levofloxacin. Der heute 63-Jährige ist Direktor des Materialforschungszentrums an der Universität von Nagoya in Japan. Sharpless beschritt diesen Weg für eine andere Art Reaktion, die Oxidation, bei der einer Verbindung Sauerstoffatome zugefügt werden. Auf der Methode des heute 60-jährigen Professors vom Scripps- Forschungsinstitut im kalifornischen La Jolla beruht beispielsweise die Produktion von Beta-Blockern, die als Herzmedikamente eingesetzt werden. Außer der Arzneimittelherstellung fußt auch die Produktion zahlreicher anderer Stoffe wie Insektensprays, Aromen und Süßstoffen auf den Methoden der drei Forscher. Die höchste Auszeichnung für Chemiker ist in diesem Jahr mit insgesamt 10 Millionen Schwedischen Kronen (2 Millionen Mark/1 Million Euro) dotiert. Die Nobelpreise werden traditionsgemäß am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833 - 1896), überreicht. Sie wurden erstmals vor 100 Jahren vergeben. In mehreren Jahren wurden jedoch keine Preisträger benannt.

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