Neue DFG-Forschergruppe an der Ruhr-Universität: Mikrostrukturen analysieren und modellieren
Moderne Autokarosserien, die zugleich hochfest und extrem dehnbar sind, verdanken ihre Eigenschaften mikrostrukturellen Vorgängen im Material: Winzige Veränderungen im Kristallgitter des Leichtbaustahls machen sie möglich. Durch die Zusammensetzung spezieller Legierungen lassen sich solche Vorgänge gezielt einsetzen. Sie im Detail zu verstehen und computergestützt zu simulieren ist Ziel der Forschergruppe 797 "Analysis and computation of microstructure in finite plasticity" (Sprecher: Prof. Dr. Klaus Hackl, Lehrstuhl für Allgemeine Mechanik, Fakultät für Bauingenieurwesen der Ruhr-Universität), die die Deutsche Forschungsgemeinschaft jetzt bewilligt hat. Die neue Forschergruppe, in der interdisziplinäre Experten aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen arbeiten werden, wird ab Juli 2007 für drei Jahre mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere drei Jahre mit ca. 600.000 Euro pro Jahr gefördert.
Veränderungen der Kristallstruktur (Phasentransformationen) oder Umklappmechanismen im Kristallgitter (sog. Zwillingsbildung) sind für die Materialeigenschaften verantwortlich. "Will man das Verhalten eines solchen Werkstoffs mit dem Computer simulieren, so muss man diese mikrostrukturellen Vorgänge verstehen und im Modell abbilden können", erklärt Prof. Hackl. Die Forschergruppe befasst sich mit dieser Problematik auf verschiedenen Längenskalen. Angefangen von der Mikroskala mit dem Verhalten von einzelnen Versetzungen bis hin zur Makroskala mit dem Verhalten von Polykristallen werden die Forscher mikrostrukturelle Modelle entwickeln.
Im Mittelpunkt der Forschergruppe stehen mathematische Methoden, die in den achtziger und neunziger Jahren entwickelt wurden und weit reichende Konsequenzen für die Beschreibung nichtlinearen Materialverhaltens haben. Bei der Berechnung so genannter relaxierter Hüllen von nichtkonvexen Potenzialen wird die elastische Energie eines Materials ermittelt, indem lokal die homogene, makroskopische Deformation durch ein mikroskopisches Fluktuationsfeld überlagert wird. Eine Minimierung in Bezug auf alle zulässigen Fluktuationsfelder ergibt einerseits eine homogenisierte, makroskopische Energie des Materials als Zielwert. Andererseits liefert die Berechnung Informationen über die spezifische lokale Mikrostruktur, wie etwa Volumenanteile einzelner Phasen und die Orientierung ihrer Grenzflächen.
"Wir behandeln ein äußerst komplexes Forschungsthema, das mit mathematischen Feinheiten und Fallstricken reichlich gesegnet ist", sagt Prof. Hackl. "Von der Seite der ingenieurwissenschaftlichen Anwendung betrachtet handelt es sich jedoch um ein völlig neues Konzept der Materialmodellierungen, das neuartige Problemstellungen hervorbringt und bisher unbekannte Möglichkeiten birgt".
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