Leverkusen (
dpa) - Für Manfred
Schneider ist der Börsengang der
Bayer AG in New York nicht nur ein Trostpflaster für das Pannenjahr 2001. Wenn der Spitzenmanager in der kommenden Woche (24.1.) in den Räumen der New Yorker Stock Exchange den Handelsbeginn einläutet, geht auch seine Ära als Vorstandschef langsam zu Ende. Ende April wechselt er in den
Aufsichtsrat und überlässt das Ruder Finanzvorstand
Werner Wenning.
Der
Chemie- und Pharmariese aus dem Rheinland ist das 16. deutsche Unternehmen, das an der berühmtesten Börse der Welt notiert sein wird. Genau ein Dutzend deutsche DAX-Unternehmen waren allerdings schneller als die Leverkusener, darunter
BASF,
Celanese und
Schering.
Eigentlich hätte der Börsengang schon früher kommen sollen. Doch das Debakel mit dem
Cholesterinsenker Lipobay machte diese Pläne zunichte. Anfang August hatte
Bayer den Block Buster (Milliarden- Umsatzbringer) wegen einer Reihe ungeklärter Todesfälle überraschend vom Markt genommen. Die Folge: Der Konzern stürzte in eine seiner tiefsten Krisen der Firmengeschichte: Begleitet von Unsicherheiten der Verbraucher über die
Arzneimittelsicherheit und den bevorstehenden Einbrüchen von Umsatz und Gewinn brach der Kurs ein.
Kurzerhand verschob der Vorstand den Börsengang und begann mit dem großen Reinemachen. Was lange Zeit am Widerstand Schneiders scheiterte, wurde plötzlich möglich. Der integrierte chemisch- pharmazeutische Konzern, sprich die Konglomeratstruktur, begann zu bröckeln. Bayer kündigte an, die Sparten Gesundheit und
Pflanzenschutz aus dem Konzern herauszulösen und ab 2003 als eigenständige Töchter zu führen. Gleiches folgte wenig später für die Bereiche
Chemie und
Kunststoffe. Die Bayer-Holding war geboren. Und sie soll bereits die Handschrift von Schneider-Nachfolger Wenning getragen haben.
Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Düsseldorf ist sicher: Wenning «ist der heimliche Fan» der Holding gewesen. Investoren und Analysten hatten mehrfach klare Strukturen bei Bayer angemahnt, waren damit aber auf taube Ohren gestoßen. Auf der
Hauptversammlung im vergangenen Jahr blitzte das US-Investmenthaus Tweedy, Browne mit der Forderung nach Ausgliederung der Pharmasparte beim Vorstand ab.
Die jetzt geschaffene Holding-Struktur ist Tüngler zufolge ein wichtiger Schritt für mehr Transparenz. «Für US-Investoren ist das ein Zeichen, dass sich was bewegt bei Bayer und das Unternehmen kein lahmer Wasserkopf mehr ist». Ob die Leverkusener mit dem Börsengang erfolgreich sind, ist fraglich. Der Fall Lipobay hat auch in den
USA Kreise gezogen. Rechtsanwälte bereiten derzeit eine Sammelklage gegen das Unternehmen vor. «Wall Street empfängt uns nicht mit Begeisterung», räumte Schneider unlängst in einem Interview ein.
Trotzdem: Der Sprung über den Teich ist für Bayer ein Muss. Als international operierendes Unternehmen müsse das Unternehmen an allen bedeutenden Börsenplätzen vertreten sein. Tatsächlich ist die USA der wichtigste Bayer-Absatzmarkt im Ausland. Im Jahr 2000 erzielte die Tochterfirma Bayer Corp. (Pittsburgh/Pennsylvania) mit 23 200 Beschäftigten knapp 11 Milliarden Euro Umsatz. Das war ein Drittel des gesamten Konzernumsatzes.
An 50 Standorten ist Bayer in den USA und hat zwischen 1992 und 2000 das Geschäftsvolumen verdoppelt. Anlocken durch den Börsengang will das Unternehmen vor allem neue Investoren. US-Anleger halten derzeit erst einen Anteil von 8 Prozent am Grundkapital der Bayer AG.