Mindestlohn-Pläne: Angriff auf die Tarifautonomie

12.06.2008

Zur Zeit steht das bewährte System der Lohnfindung in Eigenverantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern politisch unter Beschuss. Die von Arbeitsminister Olaf Scholz initiierten Referentenentwürfe zur Novellierung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) und zur Aktivierung des bisher nie angewendeten Mindestarbeitsbedingungen-Gesetzes (MiArbG) kommen laut dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. (BAVC) einem frontalen Angriff auf die grundgesetzlich verankerte Tarifautonomie gleich. In der Konsequenz ebnen sie den Weg zur staatlichen Lohnfestsetzung in allen Wirtschaftsbereichen. Sogar die Aushebelung und Verdrängung gültiger Tarifverträge wäre möglich.

Die Chemie-Arbeitgeber sind gegen jede Form gesetzlich verordneter Mindestlöhne. Sie treten ein für die Stärkung des erfolgreichen und funktionierenden Prinzips der Tarifautonomie. Deshalb warnen die Chemie-Arbeitgeber eindringlich vor einer Ausweitung des Staatseinflusses auf die Lohnpolitik und die Wirtschaft insgesamt. Staatliche Tarifzensur lehnen sie prinzipiell ab.

Die Neuregelung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zielt auf eine Ermächtigung zur staatlichen Lohnfestsetzung in den betroffenen Branchen. Nicht mehr die Beseitigung sozialer Verwerfungen infolge von grenzüberschreitender Beschäftigung, sondern die Schaffung von staatlichen Mindestlöhnen steht im Vordergrund - eine eindeutige Zweckentfremdung. Voraussetzung für eine Aufnahme in das Gesetz wäre, dass mindestens die Hälfte der Arbeitnehmer einer Branche tarifgebunden ist. Für die Berechnung sollen alle in der Branche bestehenden Tarifverträge berücksichtigt werden, unabhängig ob Flächen- oder Firmentarifvertrag.

Ist eine Branche in das AEntG aufgenommen, könnte ein einzelner Tarifvertrag selbst dann auf die gesamte Branche erstreckt werden, wenn die an ihn gebundenen Arbeitgeber nur eine Minderheit der Arbeitnehmer beschäftigen. Damit könnten konkurrierende Tarifverträge verdrängt werden - per zwingender Rechtsverordnung des Ministers. Ein solcher Angriff auf die Tarifautonomie wäre verfassungsrechtlich höchst bedenklich.

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