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Fliegenpilz



Fliegenpilz
 
Systematik
Klasse: Ständerpilze (Basidiomycetes)
Unterklasse: Hutpilze (Agaricomycetidae)
Ordnung: Blätterpilze (Agaricales)
Familie: Dachpilzartige (Pluteaceae)
Gattung: Wulstlinge (Amanita)
Art: Fliegenpilz
Wissenschaftlicher Name
Amanita muscaria var. muscaria
(L.) Hook.
Varietäten
  • var. muscaria
  • var. regalis
  • var. aureolia
  • var. formosa

Der Fliegenpilz (Amanita muscaria var. muscaria) ist ein giftiger Pilz aus der Gattung der Wulstlinge (Amanita), zu der auch der besonders giftige Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) gehört. Der Fliegenpilz ist weniger giftig, aber nicht harmlos.

Der rote Fliegenpilz tritt in Mitteleuropa von Juni bis zum Winter auf, mit einer Haupterscheinungszeit von Juli bis Oktober. Es gibt von ihm mehrere anerkannte Varietäten (Varianten). Der Fliegenpilz im eigentlichen Sinn ist die Varietät Amanita muscaria var. muscaria.

Amanita muscaria var. aureola ist häufig ohne Flocken mit häutiger Scheide. Amanita muscaria var. formosa besitzt einen orangegelben Hut und sehr wenige gelbfarbene Flocken. Beide Variationen verursachen die gleichen Vergiftungserscheinungen wie der Fliegenpilz.

Der braune Königsfliegenpilz (Amanita muscaria var. regalis) wird seit jüngstem nicht mehr als eigenständige Art, sondern auch als Varietät geführt, er ähnelt sehr stark dem Pantherpilz.

Inhaltsverzeichnis

Kurzbeschreibung

   

  • Hut: bis 18 cm breit, leuchtendrot mit weißen Tupfen (Reste des Velums), die bei Regen fehlen. Haut abziehbar
  • Lamellen: weiß, weich
  • Stiel: bis 20 cm lang, weiß, Knolle warzig gezont, ohne Scheide
  • Fleisch: weiß, ziemlich weich
  • Vorkommen: unter Fichten und Birken, seltener unter anderen Bäumen
  • Verwechslung: mit dem Kaiserling

Merkmale

  Seine Huthaut ist leuchtend rot mit weißen Tupfern, welche die Reste der Hülle (Velum) sind, in der der Pilz in seiner Jugend steckte. Der Hutrand ist schwach gerieft, die Lamellen auf der Unterseite des Hutes weißlich. Der Stiel wird bis zu 20 cm hoch und bis zu 2 cm breit, trägt oben eine weiße Manschette und besitzt am unteren Ende mehrere übereinander liegende warzige Gürtel (ebenfalls Hüllreste), die leicht abwaschbar sind.

Vorkommen

Der Pilz kommt von Juli bis in den Oktober hinein in Nadelwäldern vor und wächst auch häufig unter Birken. Er ist in den gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel verbreitet (Nordamerika, Europa, Nordasien)

Giftwirkung

Die bisher aus dem Fliegenpilz isolierten Substanzen mit Giftwirkung sind:

Die im Fliegenpilz wirksamen Gifte sind zunächst die vor allem unter der Huthaut konzentrierte Ibotensäure und als Abwandlungsprodukte zum einen Muskarin, das nur in geringen Mengen vorhanden ist (0,003 % – 0,1 %) und zum anderen unter Lichteinwirkung das absolut wirkungslose Umwandlungsprodukt Muscazon, sowie der Wirkstoff Muscimol. Letzterer ruft Bewusstseinsstörungen und Halluzinationen hervor. Er entsteht v. a. bei der Decarboxylierung der Ibotensäure, also wenn der Pilz fachgerecht getrocknet wird. Es sind aber möglicherweise noch andere, bisher nicht bekannte Giftstoffe darin enthalten.

Die Fliegenpilzintoxikation macht 1–2 % sämtlicher Pilzvergiftungen aus. Die Letalität liegt bei 5 %. (zitiert nach: Roth, Frank, Kormann, 1990).

Die Konzentration der Giftstoffe schwankt sehr, so dass eine bestimmte Menge Pilzgewebe von einem Fliegenpilz vielleicht kaum Wirkungen hervorruft, die gleiche Menge vom nächsten Pilz aber schon gefährlich sein kann.

Verwandt mit dem Fliegenpilz ist der Pantherpilz, dessen Wirkstoffzusammensetzung ähnlich, aber ungleich stärker ist, weswegen er sich zu rituellen Zwecken (siehe unten) nicht eignet.

In vielen, vor allem älteren Auflagen von medizinischen Lehrbüchern findet sich unter Fliegenpilzvergiftung nur der Hinweis, Fliegenpilze enthielten Muskarin. Gibt der unerfahrene Arzt im Vertrauen auf diese unvollständigen Angaben Hyoscyamin oder ein anderes Gegenmittel gegen Muskarin, so kann es zu Todesfällen kommen. Solche Fälle sind auch tatsächlich passiert und in der Literatur beschrieben. Da keine Todesfälle durch unbehandelte Vergiftungen beschrieben sind, ist das Risiko, durch eine kontraindizierte Therapie zu sterben, höher als durch den Pilz selbst. Falls es wirklich notwendig ist ein Antidot zu geben, so ist Physostigmin – das Antidot zu Hyoscyamin und Muscimol – angebracht.

Der Fliegenpilz als Rauschmittel

 

Der Fliegenpilz wurde und wird in manchen Kulturen als Rauschmittel verwendet. Seit Jahrtausenden sammeln ihn die sibirischen Schamanen wegen seiner ekstase-auslösenden Eigenschaft. Der Fliegenpilz gilt unter den sibirischen Völkern als das materiell gewordene göttliche Fleisch, das den Konsumenten mit der spirituellen Welt verschmelzen lässt. Eine Variante bei indigenen sibirischen Völkern besteht darin, den Urin des Schamanen zu trinken, nachdem dieser Fliegenpilz konsumiert hat. Sinnvoll ist diese Praxis deshalb, weil der Wirkstoff Ibotensäure zu Muscimol abgebaut und zum größten Teil unverändert durch den Urin ausgeschieden wird. Ibotensäure ist giftiger und hat eine geringere Rauschwirkung als Muscimol. Dieser Vorgang kann drei bis vier mal wiederholt werden. Das Urintrinken gilt als weniger gefährlich als der Konsum des Pilzes selbst, da die enthaltenen Gifte wie Muscarin vom Körper erst abgebaut und dann ausgeschieden werden.

Die Germanen nannten den Pilz „Wotans Fleisch“ und benutzten ihn zu den Feiern der Julzeit (vgl. Julfest). Auch die Priester der Mayas sollen ihn benutzt haben, um zu göttlichen Visionen zu kommen. Im alten Indien trank man den Saft des Fliegenpilzes angeblich bei kultischen Handlungen. In mehr als 800 Versen der Veden wird das „Soma“ (ein Trank) gewürdigt, worunter nach einer möglichen Auslegung des amerikanischen Forschers Richard Gordon Wasson nichts anderes als eben der Fliegenpilzextrakt zu verstehen ist. Dieser Pilz würde somit in den alten indischen und chinesischen Texten zu den bedeutendsten heiligen Pflanzen gezählt; allerdings ist die Übersetzung umstritten. Denn der „Soma“-Kult verschwand im späteren Hinduismus vollständig, möglicherweise nachdem der weniger unberechenbare Wein bekannt wurde; deshalb ist nicht mehr genau festzustellen, um welche Pflanzen- oder Pilzart es sich beim „Soma“ handelte.

Oft wird behauptet, dass die Berserker vor der Schlacht sich mit Fliegenpilzen in Kampfrausch versetzt hätten. Dies ist aber falsch. Die Symptome nach dem Genuss sind schwächer als die in den Sagas beschriebenen. Schon 1929 zeigte der norwegische Toxikologe Frederik Grøn, dass hier kein Zusammenhang besteht. Der Effekt ist äußerst unsicher und kann mit bis zu sechs Stunden Verspätung eintreten, was bei einem Überfall von Feinden viel zu spät wäre. Die Berichte über die Einnahme von Fliegenpilzen zur Erreichung eines Rausches stammen aus etnografischen Berichten des 18. Jahrhunderts von sibirischen Stämmen.

Der Fliegenpilz unterliegt in Deutschland nicht dem Betäubungsmittelgesetz.

Ob der Fliegenpilz bei Tieren ähnlich wirkt, ist nicht bekannt. Man hat beobachtet, dass er zu den bevorzugten Nahrungsmitteln der Rentiere zählt, auf diese aber keine besonderen Auswirkungen zu haben scheint.

Der Fliegenpilz als Nahrungsmittel

Obwohl der Fliegenpilz von den meisten Menschen für tödlich gehalten wird, wird dieser Giftpilz tatsächlich aber auch als Speisepilz gebraucht. In Teilen Japans gilt er als Spezialität – aber besonders in der Gegend in und um Hamburg war das Essen von Fliegenpilzen einmal recht verbreitet. Heute ist er dort fast wieder in Vergessenheit geraten, aber einige zumeist alte Leute kennen noch die Zubereitung dieses Pilzes. Die Stoffe im Pilz, die für Gift- und Rauschwirkung zuständig sind, befinden sich hauptsächlich in der Huthaut und sind größtenteils wasserlöslich.

Die rote Haut wird entfernt und der Pilz in kleine Stücke geschnitten. Die Stücke werden 24 Stunden in Wasser (manchmal auch Buttermilch) eingelegt. Eine andere Methode ist, die Pilze gründlich zu blanchieren. Anschließend schüttet man das Wasser weg und dünstet den Pilz mit Butter in der Pfanne.

Verwendet werden sollten nur junge Pilze; bei älteren Exemplaren wandern die Giftstoffe langsam auch in das Fleisch.

Da individuelle Unverträglichkeiten oder Vergiftungssymptome durch die Vorbehandlung nicht völlig ausgeschlossen werden können, ist von dem Genuss von Fliegenpilzen trotzdem generell abzuraten.

 

Glückssymbol

Neben dem Hufeisen und dem vierblättrigen Kleeblatt zählt der Fliegenpilz zu den beliebtesten Glückssymbolen. Man findet ihn auf Glückwunschkarten und in bebilderten Märchenbüchern. Neben mehreren Legenden aus der Hexen- und Zauberwelt entstammt dieser Brauch der altnordischen Sagenwelt.


Namensgebung

Der im Volksgebrauch vielfach vorkommende Pilz hat entsprechend viele Namen. Die meisten Namen von Amanita muscaria sind auf seine halluzinogenen Wirkungen zurückzuführen und mit der Fliege oder der Kröte verbunden (Fliegenpilz, Mückenschwamm, Mückenpfeffer, Fliegenschwamm, Fliegenteufel, Sunneschirmche, bunte Poggenstool, Narrenschwamm, Krötenstuhl). Während in der Verbindung zu Fliegen die Vorstellung zum Ausdruck kommen mag, Geistesstörungen, Wahnsinn und Rausch seien durch Fliegen im Gehirn verursacht, bezieht sich die Verbindung zu Kröten möglicherweise auf die halluzinogenen Ausscheidungen (Bufotenine) der Krötenhaut.

Der Name wird andererseits auf seine Verwendung als Fliegenfänger zurückgeführt. Wie es heißt, schnitt man den Pilz dazu in kleine Stücke und legte sie in stark gezuckerte Milch ein; Fliegen, die davon tranken, starben nach einiger Zeit. Ist die Menge der beigefügten Pilzteile zu gering, können die Fliegen auch überleben. Sie fallen dann zwar tatsächlich um, erholen sich aber nach einiger Zeit wieder von dem Gift.

Wissenswertes

Das bekannte Volkslied Ein Männlein steht im Walde (Hoffmann von Fallersleben) meint entgegen landläufiger Meinung nicht den Fliegenpilz, sondern die Hagebutte. Dies geht aus der letzten Strophe des Liedes hervor[1].

Zur Kulturgeschichte des Fliegenpilzes: http://www.zauberpilz.com/fliegenpilz/fpilz.html

Literatur

  • René Flammer / Egon Horak: Giftpilze – Pilzgifte. Pilzvergiftungen. Ein Nachschlagewerk für Ärzte, Apotheker, Biologen, Mykologen, Pilzexperten und Pilzsammler. Schwabe, Basel, 2003. ISBN 3-7965-2008-1
  • Roth, Frank, Kormann: Giftpilze, Pilzgifte - Schimmelpilze, Mykotoxine. Nikol, Hamburg, 1990. ISBN 3-933203-42-2
  • R. Gordon Wasson, Soma – Divine Mushroom of Immortality, Ethno-Mycological Studies 1, o. O.: Harcourt Brace Jovanovich, 1969
  • Wolfgang Bauer, Edzard Klapp, Alexandra Rosenbohm (Hrsg.), Der Fliegenpilz, Basel: AT-Verlag, 2000, ISBN 3855026645
  • Bernhard van Treeck, Drogen- und Suchtlexikon, Berlin: Lexikon-Imprint-Verlag, 2004, ISBN 3-89602-221-0
  • Wolfgang Schmidbauer, Jürgen Scheidt, Handbuch der Rauschdrogen, Fischer Taschenbuch Verlag 1999, ISBN 3-596-13980-5
  • Clark Heinrich, "Die Magie der Pilze", ISBN 3-424-01396-X
  • Ronald Rippchen (Hrsg.), Zauberpilze, ISBN 3-925817-55-7

Bilder

Amanita muscaria

Quellen

  1. http://www.von-fallersleben.de/text283.html
Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
be-x-old:Чырвоны мухамор
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Fliegenpilz aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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