Ätzend schnell geröntgt: Physiker klären Vorgänge bei schneller chemischer Auflösung

24.03.2011 - Deutschland

Ein Durchbruch in der Untersuchung chemischer Vorgänge beim Ätzen und Beschichten von Materialien ist der Forschungsgruppe um den Kieler Physiker Professor Olaf Magnussen gelungen. Die Arbeitsgruppe an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) konnte in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der europäischen Synchrotronstrahlungsquelle (ESRF) in Grenoble, Frankreich, erstmals erfolgreich aufdecken, was genau in Industrieverfahren passiert, die bei der Herstellung haarfeiner Metallkontakte eine Rolle spielen. Diese werden beispielsweise bei der Produktion moderner Unterhaltungselektronik wie Flachbildschirmen eingesetzt.

Copyright: CAU, Graphik: F. Golks

Graphische Darstellung der Messung. Der Röntgenstrahl fällt auf eine Goldoberfläche, die sich chemisch auflöst. Ein schneller Röntgendetektor fängt den reflektierten Strahl ein. Aus den zeitlichen Fluktuationen in der Strahlintensität werden die atomaren Änderungen während des Abtrags der Oberfläche abgelesen.

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Forschung die intensive Röntgenstrahlung der ID32 Experimentierstation der ESRF. Der Röntgenstrahl wurde auf eine Goldoberfläche gerichtet, während sie sich in verdünnter Salzsäure auflöste. Da das reflektierte Röntgenlicht auf kleinste Veränderungen in der atomaren Anordnung an der Materialoberfläche empfindlich reagiert, kann der Abtrag während der Reaktion präzise gemessen werden. "Bisher gelangen solche Untersuchungen nur bei sehr langsamen Veränderungen des Materials", erklärt Magnussen. Um Einblick in die schnellen Vorgänge zu gewinnen, die in industriell genutzten Verfahren ablaufen, musste die Messgeschwindigkeit um mehr als das Hundertfache erhöht werden. Dabei zeigte sich, dass der Abtrag selbst bei sehr schnellem Ätzen des Metalls äußerst gleichmäßig verläuft. "Der Werkstoff löst sich quasi Atomschicht für Atomschicht auf, ohne dass tiefere Löcher entstehen", so Magnussen weiter. In ähnlicher Weise konnte die Arbeitsgruppe auch die Anlagerung von Atomen bei der chemischen Beschichtung von Materialien nachverfolgen.

Zu den vielfältigen Anwendungen von chemischem Ätzen und Beschichten in der Industrie zählen Fertigungsprozesse in der Hochtechnologie, zum Beispiel bei der Herstellung elektronischer Bauelemente. Dafür müssen diese Reaktionen äußerst kontrolliert ablaufen. Um sie zu optimieren, werden Verfahren zum Ätzen und Beschichten weltweit intensiv erforscht. Bisher war es lediglich möglich, das fertige Produkt zu analysieren. Mit der Methode der Wissenschaftler, die Änderungen innerhalb weniger tausendstel Sekunden nachweisen kann, werden die eigentlichen Vorgänge an der Materialoberfläche nun erstmals direkt auf atomarem Maßstab unter realistischen Bedingungen verfolgt.

Originalveröffentlichung

F. Golks, K. Krug, Y. Gründer, J. Zegenhagen, J. Stettner, O. Magnussen: High-speed in situ surface X-ray diffraction studies of the electrochemical dissolution of Au(001). Journal of the American Chemical Society 2010, 133, 3772

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