Kohlenmonoxid freisetzende Komplexverbindungen als neue pharmakologische Wirkstoffe?

15.08.2003

Erst die Dosis macht das Gift: Kohlenmonoxid (CO) ist bekannt als giftiges Gas, das z.B. für die zuweilen tödliche Wirkung von Autoabgasen in geschlossenen Garagen verantwortlich ist. Paradox ist daher, dass der Mensch selber täglich 3 bis 6 cm3 CO produziert. Diese Menge ist bei bestimmten Krankheiten weit höher und CO kann im Atem nachgewiesen werden. Britische Forscher um Brian E. Mann von der University of Sheffield und Roberto Motterlini vom Northwick Park Institute for Medical Research in Harrow haben jetzt eine Familie CO freisetzender Komplexverbindungen entwickelt, die sich als neue Klasse von Pharmaka erweisen könnte.

Wie sich herausgestellt hat, spielt CO eine wichtige Rolle als Signalüberträger bei bestimmten physiologischen Vorgängen, insbesondere im Herz-Kreislauf-System, und hat in verschiedenen Bereichen der Medizin Bedeutung. So hilft es etwa, Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen zu unterdrücken, und vermindert Schäden, die durch eine Unterbrechung der Blutzufuhr eines Organs oder Gewebes (Ischämie) verursacht werden.

CO als Pharmakon zu nutzen ist also nahe liegend. Mann und Motterlini wollen CO dabei nicht als Gas einsetzen. Sie suchen nach einer Verbindung, die erst im Körper CO freisetzt. Dafür wählten sie Carbonylmetall-Komplexe: Um ein zentrales Metallatom gruppieren sich CO-Moleküle sowie verschiedene weitere Liganden. Als besonders vielversprechend erwiesen sich einige Ruthenium- und Eisen-Komplexe. Die Ruthenium-Komplexe setzen in Gegenwart von Myoglobin, einem Protein, das am Sauerstoff-Transport in Muskeln beteiligt ist, sehr rasch CO frei. Im Tierversuch zeigten sich unter anderem eine gefäß- erweiternde Wirkung und eine deutliche Verlängerung der Lebensdauer nach Herztransplantationen. Besonders bemerkenswert auch ein spezieller Eisen-Komplex, der CO nicht auf Myoglobin überträgt, aber dennoch gefäßerweiternd wirkt. Das CO scheint hier direkt in der Zelle frei gesetzt zu werden, sodass sich die Möglichkeit eröffnet, CO ins Gewebe zu bringen.

"Angesichts der wohl bekannten Toxizität von CO scheint es unwahrscheinlich, dass es als Gas medizinisch nutzbar sein könnte. Aber auf der Basis CO freisetzender Moleküle, wie unserer Carbonylkomplexe, könnten neue Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie neurodegenerativer und entzündlicher Krankheiten entwickelt werden," zeigt sich Mann optimistisch und erinnert an NO, Stickstoffmonoxid, ein ebenso toxisches Gas: NO freisetzende Medikamente haben inzwischen große Bedeutung erlangt. Um neue CO-Pharmaka zur Martktreife zu bringen, haben das Northwick Park Hospital und die University of Sheffield die Firma hemoCORM gegründet.

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