«Der Glanz ist weg»: Industriestandort Frankfurt wandelt sein Gesicht

25.02.2004
Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Große Namen von Traditionsfirmen haben Frankfurt am Main in aller Welt bekannt gemacht. Die Chemieriesen Hoechst und Degussa, der Elektrokonzern AEG und der inzwischen insolvente Baukonzern Holzmann prägten über Jahrzehnte hinweg das Bild der Industriemetropole am Main. Mit dem Anlagenbauer mg technologies (der ehemaligen Metallgesellschaft), der seinen Sitz nach Bochum verlegen will, ist nun auch der letzte deutsche Großkonzern von der Frankfurter Landkarte verschwunden. «Der Glanz der großen Namen ist weg. Ein Aderlass, der imagemäßig nicht zu gering zu bewerten ist», sagt der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt, Wolf Klinz. «Frankfurt schrumpft» und «Die Industrie-Giganten fliehen aus Frankfurt» titeln die Zeitungen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Viele Namen sind durch Fusionen und Verkäufe an ausländische Firmen verschwunden - eine deutschlandweite Entwicklung, die nicht nur Frankfurt trifft. Die Verlegung von Unternehmenszentralen bedeutet zudem nicht immer eine Verlegung der Produktion. Das produzierende Gewerbe ist mit 565 000 Beschäftigten weiterhin die zweitwichtigste Branche in der Region Frankfurt/Rhein-Main - auch wenn der konjunkturelle Abschwung den Sektor seit 1986 laut IHK rund 200 000 Jobs gekostet hat. Ein Beispiel ist der einst weltgrößte Chemiekonzern Hoechst, der in den 90er Jahren zerlegt wurde. Aus der Fusion mit dem französischen Konzern Rhone-Poulenc entstand 1999 Aventis mit Sitz in Straßburg. «Im Industriepark Höchst sind jetzt wieder so viele Menschen beschäftigt wie in den besten Zeiten der Hoechst AG», sagt IHK-Präsident Klinz. 22 000 Mitarbeiter zählen die 80 Unternehmen der Pharma-, Biotechnologie- und Chemiebranche. Weltweit operierende Konzerne wie Aventis, Celanese und Clariant gesellen sich dort zu unbekannten Start-Up-Unternehmen. Weitgehend unbemerkt ist Frankfurt zudem einer der führenden Biotechnologie-Standorte Deutschlands. «Wir stehen da direkt in einer Reihe mit München und Potsdam», sagt Reiner Behrend, volkswirtschaftlicher Leiter bei der IHK. Namen wie Bioscitech GmbH oder das Zentrum für Biotechnologie Fiz seien aber einfach nicht so bekannt. Dennoch muss sich der ehemalige Boomtown Frankfurt vorwerfen lassen, mit hausgemachten Problemen Unternehmen zu vergraulen. Die «irrwitzig hohe Gewerbesteuer» nannten Manager der mg technologies als einen Grund für die Verlagerung der Zentrale ins Ruhrgebiet. Andere Firmen wie Fresenius oder Altana sind im Umland angesiedelt. Seit den 70er Jahren hat die Stadt darauf hingearbeitet, ein wichtiger Finanzplatz zu werden. «Die Stadt ist träge geworden», kritisieren viele Unternehmen. Und in Krisenzeiten wiegen Standortnachteile schwer. Dem härtesten Konkurrenten München, der sich zunehmend als Bankenplatz profiliert, sowie dem Umland bescheinigen Manager dagegen Wirtschaftsfreundlichkeit. Dabei kann Frankfurt durchaus mit gewichtigen Standortvorteilen wuchern, wie der zentralen Lage und der guten Verkehrsanbindung durch den europaweit größten Flughafen. «Frankfurt hat einfach verpasst, sich zu inszenieren und den Wirtschaftsstandort zu vermarkten», sagt Prof. Rüdiger Goetz von der Werbeagentur Simon & Goetz. Die Mainmetropole habe ganz auf ihren Ruf als Finanzmetropole gesetzt. «Jetzt hat die Stadt keine Anziehungskraft für die Industrie mehr.»

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